Im Streit um die Folgen der SVP-Zuwanderungsinitiative geht die Wirtschaft in die Offensive. Der grösste Arbeitgeber in der Schweiz moniert gegenüber der «Handelszeitung» die Kürzung der Kontingente für Arbeitnehmende aus Drittstaaten durch den Bundesrat. «Da wir in einigen Migros-Unternehmen schon heute teilweise Mühe haben, genügend Fachkräfte zu finden, sind wir auf qualifizierte Mitarbeitende auch aus Drittstaaten angewiesen», sagt Migros-Chef Herbert Bolliger.
Auch der Industriekonzern ABB bezieht klar Stellung: Die Ausgestaltung der Drittstaatenkontingentierung für Mitarbeitende sei für das Unternehmen sehr wichtig. Dies gelte vor allem für den Bereich Forschung und Entwicklung. «Es handelt sich dabei um hochqualifizierte Spezialisten, die auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zum Teil nicht in ausreichender Zahl ausgebildet und rekrutiert werden können», teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Der Austausch von Fachpersonen, Kadern und Trainees mit dem Ausland sei für den Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Umfeld zentral.
«Schaden für den ganzen Wirtschaftsstandort Schweiz»
Ungewöhnlich scharf hatte zuvor Roche-Chef Severin Schwan den Bundesrat kritisiert. Man sei auf ausländische Fachkräfte dringend angewiesen, so der Österreicher auf der Halbjahreskonferenz des Unternehmens gestern. Mehr als die Hälfte der Wissenschaftler bei dem Pharma-Riesen kommt demnach aus dem Ausland.
Die Auseinandersetzung um die Folgen der SVP-Initiative spitzt sich damit zwischen Wirtschaft und Politik zu. Die Masseneinwanderungsinitiative wurde im Februar 2014 angenommen und muss bis Anfang 2017 umgesetzt werden. Auch die Migros, die im vergangenen Jahr über 86'000 Mitarbeitende allein in der Schweiz beschäftigte, leidet unter der restriktiven Politik und der Kürzung der Kontingente aus Drittstaaten. «Der Entscheid schadet nicht nur uns, sondern dem ganzen Wirtschaftsstandort Schweiz», so Migros-Chef Bolliger.
Kontingente könnten 2015 nicht ausreichen
Ende 2014 hatte der Bundesrat als Reaktion auf die Initiative den Umfang der Kontinente für Fachkräfte aus Drittstaaten, also Ländern ausserhalb der Europäischen Union, gesenkt. Der Schritt sollte auch eine Aufforderung an die Schweizer Unternehmen sein, vermehrt inländisches Personal anzustellen. Doch mit Schweizer Bürgern allein könne Roche hierzulande nicht arbeiten, betonte Roche-CEO Schwan gestern gegenüber dem SRF, «das wäre unmöglich.»
Tatsächlich bestätigen Aussagen von Kantonsvertretern, dass die Kontingente für manche Teile des Landes in diesem Jahr knapp werden. Gemäss dem Basler Volkswirtschaftsdirektor Christoph Brutschin gibt es Hinweise, dass die Kontingente für Basel-Stadt nicht ausreichen könnten. Das sagte er dem «Tages-Anzeiger». Der Zuger Vertreter Matthias Michel bestätigte den Befund für seinen Kanton.