Das Migros-Management hört am 30. September sicher ganz aufmerksam zu: Auf Einladung des grössten Schweizer Detailhändlers wird Dieter Brandes vor Migros-Chef Anton Scherrer und dem gesamten Verwaltungsrat des orangen Riesen referieren – über Aldi, den erfolgreichsten Discounter der Welt.
«Konsequent einfach» lautet der Titel eines Buch-Bestsellers, den der Ex-Aldi-Topmanager Brandes vor Jahren über seinen früheren Arbeitgeber geschrieben hat. Der diplomierte Kaufmann aus Hamburg schied schon vor mehr als einem Jahrzehnt aus den Diensten von Theo Albrecht, dem 82-jährigen Patriarchen, dessen Filialnetz im Norden Deutschlands, in Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich und Spanien reüssiert und als Aldi Nord firmiert.
Angreifen in der Schweiz wird demnächst Aldi Süd, ein verwandtes, aber nicht deckungsgleiches Discounter-Modell, dirigiert von KarlAlbrecht, dem 84-jährigen Bruder von Theo Albrecht. Zur Süd-Gruppe gehören Ladennetze mit gegen 3000 Filialen in Süd- und Westdeutschland, in Österreich, in England, Irland, in den USA und in Australien.
Addiert schaffen beide Aldi-Gruppen umgerechnet gegen 47 Milliarden Franken Umsatz. In seinem Buch mit dem Untertitel «Die Aldi-Erfolgsstory» hatte Brandes Karl Albrecht bescheinigt, der konsequentere Bewahrer der Niedrigpreispolitik mit einem sehr knappen Warensortiment von 700 Produkten zu sein.
«Das Geschäft ändert sich täglich», sagt der Aldi-Süd-Topmanager Heinz Winterwerb und bezweifelt, ob der Aldi-Nord-Aussteiger Brandes mehr als zehn Jahre nach seinem Abgang überhaupt noch Details kennt, die Wettbewerber wie Migros nutzen könnten, um Aldi zu bremsen.
Die Verpflichtung von Brandes signalisiert zunehmende Nervosität in der Migros-Zentrale am Zürcher Limmatplatz. Scherrer hat seine Angst Ende August in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» formuliert, als er «die Preise für Güter des täglichen Bedarfs um zehn bis dreissig Prozent sinken» sah – mit drastischen Gewinneinbussen für den Platzhirsch.
Dass der Schweizer Branchenprimus kräftige Abschläge auf das gegenwärtig noch «sehr hohe Preisniveau» (Winterwerb) vornehmen kann, bezweifelt der Aldi-Stratege nicht, obwohl er lediglich allgemeine Marktdaten analysiert. Die Praxis der verschwiegenen Brüder Albrecht registriert Winterwerb auch bei Migros: «Es gibt keine konsolidierte Bilanz.» Die Aldi-Süd-Zentrale in Mülheim an der Ruhr hält sich eh raus aus der Detailarbeit. «Wir machen nur die Koordinierung hier», sagt Winterwerb. «Es wird nicht einfach werden in der Schweiz», ahnt er, zeigt jedoch Optimismus: «Der Markt sollte uns offen stehen.» Die Zuversicht leitet der langjährige Topmanager Karl Albrechts ab aus Marktbeobachtungen in Aldi-Läden entlang der Schweizer Grenze: «Kunden aus der Schweiz kommen gerne zu uns.»
Die exakte Planung für die Expansion in der Schweiz mit mittelfristig sechzig Standorten betreibt der erfahrene Aldi-Süd-Manager Ulrich Born vor Ort bei der Aldi Suisse Discount- und Detailhandels DDH AG in Tägerwilen TG. Sechs erste Aldi-Standorte sind in der Deutschschweiz abgesteckt, vom Bodensee in Richtung Zürich.
Was Winterwerb eine «solide Finanzstruktur» nennt, sorgt für Aufsehen. Gegen 150 Millionen Franken Cash hat Karl Albrecht als Kapital bei seiner Schweizer Dependance eingelegt.
Für Professionalität der Aldi-Expansionsplaner spricht auch die Wahl der eidgenössischen Öffentlichkeitsarbeiter. Als Aldi-Sprecher in der Schweiz tritt Sven Bradke auf. Der frühere FDP-Parteipräsident von St. Gallen und Armee-Oberst weiss als nebenberuflicher Chef Medien und Information der Felddivision 7 sicher, wie bei Bauämtern und gegen Umweltaktivisten erfolgreich Schlachten geschlagen werden. Der VR-Vizepräsident der Mediapolis AG für Kommunikations-Management kann im eigenen Unternehmen je nach politischer Lage auf prominente Partner zurückgreifen. Als Präsident bei Mediapolis amtet FDP-Nationalrat Peter Weigelt. Als Dritter im Verwaltungsratsbund zieht Ex-SVP-Generalsekretär Martin Baltisser weitere Fäden.