Die «Handelszeitung» machte die Pläne der Migros bereits im vergangenen Oktober publik, jetzt ist der Startschuss offiziell gefallen: Der orange Riese will im Geschäft mit Velos kräftig in die Pedale treten und hat dazu letzte Woche die Fachmarkt-Kette Bike World lanciert.
Was harmlos klingt, ist ein veritabler Paukenschlag: «Der Eintritt von Bike World bedeutet die grösste Veränderung im Schweizer Velomarkt im letzten Jahrzehnt», sagt Dirk Kurek, Mitinhaber des Velo-Grossisten Komenda. Und für Christoph Lehner, Professor an der Universität St. Gallen, ist klar: «Aufgrund der schieren Grösse vermag das Megaformat Bike World gewiss viele Detailhändler bedrängen». Kurz: Die Migros ist drauf und dran, nach dem E-Bike-Markt auch das Geschäft mit konventionellen Velos aufzumischen.
Zurück in die Achtziger
Sicher: Die Migros hat das Velo nicht erst jetzt entdeckt – im Gegenteil. In den achtziger und neunziger Jahren gehörte ihre Velo-Eigenmarke Coronado – damals 100 Prozent «Swiss made» – zu den helvetischen Bestsellern. Kein Keller, in dem kein Coronado stand. Die Fahrräder wurden damals in den Sportabteilungen grosser Supermärkte angeboten. In den später lancierten Fachmärkten SportXX wurde die Schweizer Eigenmarke durch das Importprodukt Crosswave abgelöst, ergänzt durch wechselnde Marken zweiter Klasse. Doch ebenso wenig wie den Konkurrenten Coop, Athleticum und Ochsner gelang es der Migros, mit SportXX ein Fachhandelsimage zu erlangen. Und so bleibt das Geschäft zu drei Vierteln – ein europäischer Spitzenwert – in der Hand der Fachhändler.
Zum Entscheid der Migros, eine Fachhandelskette zu lancieren, hat der Erfolg des hauseigenen E-Bike-Spezialisten M-Way beigetragen. Während gut zweier Jahre haben die Entscheider von SportXX das Format Bike World entwickelt. Die lange Dauer war offenbar notwendig, um es bei allen regionalen Genossenschaften zu verankern. Bis vor wenigen Monaten lief das Projekt top secret. Lieferanten unterstanden der Geheimhaltung, Personal wurde als Sport XX rekrutiert.
Elf Marken in petto
SportXX-Chef Roman Müller eröffnet im März gleich drei Filialen. Damit ist aber das Soll für 2017 bereits erfüllt. Er spricht von einem Fünfjahreplan, will aber zur Anzahl der Standorte nicht konkreter werden. Insider gehen von rund zehn aus. Wie der erste Laden in Volketswil liegt auch jener in Muri bei Bern in der Agglomeration, während sich die Filiale in Winterthur an zentralster Lage befindet. Allerdings ist die Konkurrenzsituation dort aberwitzig: Im Umkreis weniger hundert Meter rund um den Bahnhof buhlen nicht weniger als zehn Velogeschäfte um Kunden.
«Bike World»-Filialen sind mit 900 bis 1200 Quadratmeter grossflächig. Ob sich das rechnet, bezweifeln diverse Experten. Denn auch im Velogeschäft stellt der zunehmende Online-Handel die Zukunft der stationären Läden infrage. Bike World will ab Herbst online verkaufen. Kultmarken wie BMC oder Specialized wird Bike World zwar nicht verkaufen. Doch neben dem Eigenlabel Crosswave ist es dem orangen Riesen doch gelungen, ein beachtliches Portfolio aus elf Marken zusammenzubekommen – unter anderem Tour de Suisse, Giant, Scott und Trek.
Auch E-Bikes im Sortiment
Wenig überraschend ist, dass Bike World auch E-Bikes verkauft. Schliesslich ist dies das einzige Marktsegment, in dem es noch Wachstum gibt. Mit Flyer und Haibike verkauft die neue Kette die gleichen Marken, die auch M-Way führt – und macht dem etablierten Inhouse-Player damit Konkurrenz. In der Interpretation von SportXX-Chef Müller ist Bike World – entsprechend der Migros-Kultur – einen eigenen Weg gegangen. Immerhin ist auffallend, dass die Elektroräder an den insgesamt 450 ausgestellten Bikes einen vergleichsweise bescheidenen Anteil einnehmen. Gut möglich, dass dies eine Konzession an den hauseigenen Rivalen ist.
Bike World beteuert, sich in der Regel an die üblichen Preise halten zu wollen. Doch solche Aussagen sind auch als Beruhigungspille für den Fachhandel gedacht. Denn von M-Way ist längst bekannt, dass die Migros mit regelmässigen Aktionen und Spezialangeboten für Mitglieder des Treueprogramms Cumulus aggressiv Umsatz bolzt. Und ohnehin deutet die anvisierte Grösse der Kette darauf hin, dass intern das Ziel gesteckt wurde, 2000 bis 2500 Velos pro Jahr abzusetzen. Damit könnte sich Bike World in kurzer Zeit acht Prozent vom Schweizer Velokuchen abschneiden.
Solcherlei schmeckt dem Fachhandel natürlich nicht. Genauso wenig wie die anhaltende Weigerung der Migros, Beiträge an den Berufsbildungsfonds des Branchenverbands zu zahlen. Das verärgert die kleinen Fachgeschäfte, die Pflichtbeiträge zu leisten haben, schon seit Jahren.