Es geschieht nicht alle Tage, dass Firmenchefinnen und -chefs in aller Öffentlichkeit Selbstkritik am Kerngeschäft des eigenen Unternehmens üben. Doch so begab es sich dieser Tage. Migros-Präsidentin Ursula Nold und andere hochrangige Migros-Kader stimmten überein: Das Supermarkt-Geschäft hat in letzter Zeit Marktanteile verloren und wird zu wenig effizient geführt. So viel Einsicht verdient Respekt. 

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Respekt verdient auch die Schnelligkeit, mit der die Migros eine Umbaulösung für ihr Supermarktgeschäft – «den Kern des Kerns», wie der neue Migros-Chef Mario Irminger sagt – gefunden hat. Ende 2022 sickerten erstmals Informationen zu dieser Reorganisation an die Öffentlichkeit – und nur ein halbes Jahr später (für einen Koloss wie die Migros ist das gefühlt doppelte Schallgeschwindigkeit) wird eine Lösung präsentiert. Damit setzt der orange Riese ein Ausrufezeichen: Wenn es sein muss, können wir – im Rahmen der M-Möglichkeiten – rasch reorganisieren.

Migros Supermarkt AG: Was bringt das den Kunden ganz konkret?

Indem die Migros ihr Supermarktgeschäft zentral führt, will sie Doppelspurigkeiten eliminieren, die bisher im Kontakt mit der Migros-Zentrale für Reibung sorgten. Wenn Einkauf, Ladenbau, Sortimentsplanung zentral erfolgen (wie das die meisten Unternehmen bereits tun) liegt hier wohl einiges drin. Die entscheidende Frage ist aber: Was bringt es den Kundinnen und Kunden? Wie sehr sinken die Preise? Wie sehr verbessert sich die Convenience? Wie viel unwiderstehlicher wird das Sortiment? Wird das M-Budget-Angebot besser distribuiert? Erblüht die Migros an Lagen, wo sie bisher nicht war?

Die Migros-Chefinnen und -Chefs haben für ihren Umbau bestimmt alles durchgerechnet. Aber die Antwort, die sie geben, erinnert eher an einen Börsenkonzern als an ein Unternehmen, das «den Leuten gehört». Die Antwort der Migros lautet: «Unser Ziel ist ein Ebit von 2,5 Prozent.» Damit setzt der orange Riese zwar eine Marke, aber auch ein Fragezeichen: Warum kann man nicht genauer sagen, was das den Kundinnen und Kunden bringen wird? Die Betriebsgewinnmarge der Migros interessiert die Leute im Laden nicht. 

Zweites Fragezeichen: Wie macht man einen Koloss fit?

Mit der Gestaltung einer zentralen Supermarkt-Einheit ist immens viel interne Arbeit verbunden. Was in der Causa Migros heisst: Noch mehr Zeitaufwand für die Beschäftigung mit sich selber. Diese Zeit hat die Migros aber eigentlich gar nicht. Denn die Konkurrenz arbeitet längst viel effizienter. 

Es ist tatsächlich zu befürchten, dass das Supermarktgeschäft der Migros in einer ersten Phase noch schwieriger zu managen sein wird. Einfach deshalb, weil jetzt viele Zuständigkeiten ändern, weil intern Ängste vor Veränderung aufkommen, und weil sich alle Akteure erst einmal in ihren neuen Aufgaben finden müssen. 

Gottlieb Duttweiler hat die Migros für ein klar umrissenes Zielpublikum gegründet: «Für die Hausfrau, die rechnen muss, und die intelligente Frau, die rechnen kann.» Heute gehören selbstverständlich auch Hausmänner dazu.

In ihrer Rechnung dürften Hausleute (w/m/d) bezüglich der Migros Supermarkt AG zum gleichen Ergebnis kommen: Ein Ausrufezeichen und zwei Fragezeichen – das ist netto ein Fragezeichen zu viel.