Der Countdown läuft. In wenigen Monaten ist der Austritt Grossbritanniens aus dem Europäischen Staatenverbund wohl Tatsache. Es ist eine Zäsur im europäischen Integrationsprojekt und sorgt für viel Unsicherheit.

Das spürt auch die Migros. Das raue Konsumklima in Grossbritannien und die Schwäche des britischen Pfunds schlägt bei der Industrietochter Mibelle durch. Die Herstellerin von Shampoo, Waschmittel, Sonnencrème und Anti-Aging-Produkten betreibt eine Fabrik im englischen Bradford, eine Autostunde von Manchester entfernt.

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Der Ableger beschäftigt knapp 200 Personen. Die neun Abfüll-Linien produzieren vornehmlich für Kunden im Königreich der Queen. In der Spitze erzielte der britische Beauty-Spross einen Umsatz von fast 37 Millionen Pfund. Zu historischen Wechselkursen sind das knapp 54 Millionen Franken oder mehr als zehn Prozent des Gruppenerlöses.

Im vergangenen Jahr lag der britische Mibelle-Ableger allerdings deutlich unter dieser Marke. Der Umsatz betrug 2017 nur noch 28 Millionen Pfund, wie neue Unterlagen aus dem britischen Handelsregister zeigen. Zu historischen Wechselkursen sind das knapp 37 Millionen Franken – also 17 Millionen weniger als zu Bestzeiten. 

Sinkender Gewinn

«Es ist eine Tatsache, dass wir seit der Brexit-Abstimmung die negativen Folgen und die damit einhergehende Schwäche des britischen Pfunds spüren», so Mibelle-Sprecherin Corinne Fischer. Das Unternehmen habe auch den Wegzug eines Abnehmers verkraften müssen. «Der Verlust eines Grosskunden, der seine Produktion nach Osteuropa verlegt hat, schlägt sich in den Zahlen von 2017 nieder», sagt die Sprecherin. 

Neben dem Umsatz hat die Profitabilität gelitten. Der Gewinn vor Steuern sank auf 811'000 Pfund. Im Vorjahr lag dieser noch über 40 Prozent höher. In der Spitze machte Mibelle in Grossbritannien auch schon Vorsteuergewinne in Höhe von fast 2 Millionen Pfund.

Walter Huber, member of the executive board of the Federation of Migros Cooperatives and Head of Industry Department, pictured on March 28, 2012, in Zurich, Switzerland.  (KEYSTONE/Christian Schnur)Walter Huber, Mitglied der Generaldirektion des Migros Genossenschafts-Bundes und Leiter Departement Industrie, aufgenommen am 28. Maerz 2012 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Schnur)

Walter Huber: Seit 2008 Chef der M-Industrie, Präsident von Mibelle, Treiber der Internationalisierung.

Quelle: © Christian Schnur

«Die Detailhändler in Grossbritannien befinden sich in einem noch nie dagewesenen Preiskampf, was auch in unserem Geschäft Spuren hinterlässt und wir deshalb mit dem Erreichten nicht zufrieden sein können», sagt Fischer.

Nach Abzug der Steuern sinkt der Gewinn noch weiter. Unterm Strich verdiente Mibelle im letzten Jahr nur noch 601 000 Pfund. Das sind umgerechnet 791 000 Franken – oder im Jargon der Mibelle-Produktpalette: eine Viertelmillion Candida-Zahnpasten in der 75-Milliliter-Tube.

Mibelle in der M-Industrie

  • Bekannte Marken der Mibelle Group: Zoé (Anti-Aging), I am (Shampoo, Körperpflege, Deodorant), Milette (Babypflege), Pedic (Fusspflege), Sun Look (Sonnenschutz), Candida (Mundpflege).
     
  • Die Produktionskapazität der Mibelle Group verteilt sich auf fünf Standorte mit vier Produktionsanlagen – Buchs SG, Frenkendorf BL, Sarreguemines (Frankreich), Bradford (Grossbritannien). Rund 1200 Personen arbeiten für die Gruppe.
     
  • Nettoumsatz von der Mibelle Group 2017: 455 Mio Franken. Export- und Auslandanteil in Prozent des Umsatzes: 50.1%.
     
  • Nettoumsatz der ganzen M-Industrie 2017: 6,5 Mrd Franken. Geschäftsfelder mit mehr als 1 Milliarde Franken Umsatz pro Jahr: Fleisch und Fisch (Micarna, Tipesca, Mérat und weitere); Brot und Getränke (Jowa, Aproz, Bäckerei Hug und weitere); Milchprodukte und Käse (Elsa, Mifroma und weitere); Süsswaren und Kaffee (Frey, Delica, Midor und weitere).

Historisches Malaise

Es ist das schwächste Ergebnis, seitdem Mibelle im britischen Markt ein Comeback gewagt hat. Erstmals auf Tuchfühlung mit der Queen ging das Unternehmen um die Jahrtausendwende. Der Niedergang des britischen Pfunds sorgte aber für eine Gewinnerosion, weswegen Mibelle das Engagement beendete.

Im Frühjahr 2010 übernahm die Migros-Tochter dann die Firma Hallam Beauty und wagte einen zweiten Gehversuch. Das «Migros-Magazin» berichtete von Jubel auf der Insel, als Mibelle das britische Unternehmen gekauft hat.

Seinerzeit arbeiteten 250 Personen für die britische Kosmetikmanufaktur. Die Firma machte einen Umsatz von 25 Millionen Pfund. Im ersten vollen Jahr unter Mibelle-Kontrolle summierte sich der Erlös bereits auf fast 30 Millionen Pfund. Das entsprach seinerzeit einem Gegenwert von über 43 Millionen Franken. Die Zahl der Angestellten sank dagegen auf 235. Über 200 arbeiteten in der Produktion, der Rest in der Verwaltung. 

 

Mittlerweile sind es nochmals deutlich weniger geworden. An den Förderbänden stehen nur noch 147 Mann. Weitere 47 Personen umfasst die Mannschaft im Büro. In der Summe sind seit der Übernahme durch Mibelle über 50 Jobs in Bradford verloren gegangen.

 

 

 

«Die Detailhändler in Grossbritannien befinden sich in einem noch nie dagewesenen Preiskampf.»

Corinne Fischer, Mibelle-Sprecherin

Paradoxerweise sind aber die Salärkosten gestiegen. Die Ausgaben für Löhne, Sozialversicherung und Pensionskasse summierten sich 2017 auf 5,7 Millionen Pfund. 2011, im ersten vollen Jahr unter Mibelle-Kontrolle, waren es 4,6 Millionen. 

Was folgt nun? Kostenschnitt? Stellenabbau? Mibelle hält fest: «Es entspricht ganz grundsätzlich nicht unseren Gepflogenheiten, mit dem Messer auf das Personal loszugehen.» Ausserdem hinke der Vergleich mit der Mitarbeiterzahl. «Es sind nur die Anzahl Festangestellten ausgewiesen», sagt Fischer.

 

Und wie entwickelt sich der Absatz auf der Insel? «Das Geschäft bleibt insgesamt stabil», so die Sprecherin. Wichtiger als eine Ländersicht sei aber die Geschäftsentwicklung über die gesamte Mibelle Group hinweg, die «besonders im internationalen Geschäft sehr erfreulich» sei.

Mibelle-Anlage in Bradford UK

Mibelle-Anlage in Bradford UK: Seit 2010 Teil des Portfolios.

Quelle: ZVG