Die Händler und Tourismusunternehmen machen mobil gegen die Kreditkartengesellschaften und Banken. «Wir waren vergangene Woche bei der Wettbewerbskommission und haben unser Anliegen deponiert», bestätigt Severin Pflüger vom Verband Elektronischer Zahlungsverkehr (VEZ), hinter dem unter anderem die Migros, Coop und Manor, aber auch die Hotel- und Wirteverbände stehen. Grund sind – einmal mehr – die Kreditkartengebühren. 

Der VEZ fordert eine massive Senkung der Gebühren, die der Handel an Kartenherausgeber bezahlen muss: Es geht um die sogenannte Interchange Fee (siehe Infobox zum Zahlungssystem). Der Verband unterstützt seine Forderung mit einer Studie, die vom Beratungsunternehmen Swiss Economics erstellt wurde und die der «Handelszeitung» vorliegt. Als Grund für die Senkung nennt der VEZ die starke Zunahme der neuen Debitkarten. 

Die Interchange Fee sorgt seit Jahren für Ärger. Sie ist Bindeglied und Schmiermittel im Kartengeschäft. Bei vielen Kartenzahlungen fliesst zusätzlich zu den normalen Abwicklungsgebühren auch eine Umsatzbeteiligung an die Bank, welche die Karte ausgegeben hat. Betroffen sind alle Kreditkarten sowie die neuen Debitkarten mit den Logos von Visa und Mastercard.

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Der VEZ schätzt die Kosten dafür auf jährlich etwa 70 Millionen Franken für Debitkarten und 180 Millionen Franken für Kreditkarten. Er geht dabei von Zahlen eines Verbandsmitglieds aus. Gemessen an den von der Nationalbank ausgewiesenen Kartenumsätzen entspricht das Durchschnittskosten von 0,12 Prozent für Debitkarten und 0,87 Prozent für Kreditkarten.

Die Banken verdienen gut an diesen Umsatzbeteiligungen. Als eine der wenigen veröffentlicht die Kartengesellschaft Viseca Zahlen dazu in ihrem Geschäftsbericht: 2020 nahm sie 74 Millionen Franken ein, 2019 sogar 93 Millionen. Ein Teil davon stammt auch aus dem Ausland.

Die Gebühr komme einer «Quersubventionierung» gleich, argumentiert Pflüger. Der Handel bezahle nicht nur seine eigenen Geschäftspartner, sondern auch die Banken der Konsumentinnen und Konsumenten. Letztere bekommen von den Gebühren nichts mit. Im Gegenteil: Viele Banken belohnen Karteninhaber und -inhaberinnen mit einem Bonus auf jede Transaktion.

Die Banken ersetzen Maestro durch lukrativere Debitkarten

Warum kommt der Händlerverband gerade jetzt mit seiner Studie? Der Grund sind die neuen Debitkarten, mit denen die Maestro-Karten ersetzt werden. Bei Maestro und Postfinance gibt es keine Interchange Fee. Bei den neuen Karten hingegen verdienen die Banken mit. Das verteuert die Kosten für den Handel.

Bei allen grossen Banken läuft der Ablöseprozess: UBS und CS haben damit 2020 begonnen, die Kantonalbanken von Basel, Bern und Luzern im vergangenen Jahr. Die Raiffeisen verschickt seit kurzem neue Karten, die Migros Bank und die Zürcher Kantonalbank wollen dieses Jahr damit beginnen.

Zwar weiss niemand, wie viele Karten bereits im Umlauf sind. Ein Indiz liefert jedoch die Statistik der Nationalbank. Demnach steigen die Umsätze mit Schweizer Debitkarten bei ausländischen Online-Händlern seit Anfang 2021 steil an – auf zuletzt 80 Millionen Franken pro Monat. Mit Maestro und Postfinance waren solche Zahlungen nicht möglich, mit den neuen Debitkarten jedoch schon.

Migros: Mehr als 24 Prozent mit Visa Debit und V Pay

«Bei der Migros liefen im Dezember bereits 16 Prozent aller Debitzahlungen über die neue Debit-Mastercard», sagt Beda Ledergerber, Leiter Treasury der Migros. «Visa Debit und V Pay kommen zusammen sogar schon auf über 24 Prozent.» Und das ist regulatorisch relevant. Denn die neuen Karten profitieren noch von einem Jugendschutz.

Die Weko hatte Visa und Mastercard einst zugesichert, dass sie keine Verfahren gegen die neuen Gebühren eröffne, solange deren Marktanteil unter 15 Prozent liege. «Und dieser Anteil wurde im Dezember bei den grossen Händlern überschritten», sagt Verbandsdirektor Pflüger. Die Weko sei demnach gezwungen, sich der Sache anzunehmen.

Damit prescht der VEZ in einem bereits laufenden Verfahren vor. Man beobachte die Marktanteile und befinde sich bereits in Gesprächen mit Visa und Mastercard, sagt Weko-Sprecher Olivier Schaller. Diese hätten Interesse signalisiert, vorgängig über das weitere Vorgehen nach dem Überschreiten der 15 Prozent zu diskutieren. Noch sei die Schwelle nicht erreicht, sagt Schaller. «Aber das kann sehr schnell gehen.»

Damit stellt sich die Frage nach der Höhe der Gebühr – zumindest bei den Debitkarten. In früheren Untersuchungen kam die Weko zum Schluss, dass bei Kreditkarten eine Interchange Fee von 0,44 Prozent zu rechtfertigen sei. Das sei deutlich zu viel, finden nun die Ökonomen und Ökonominnen von Swiss Economics. Sie fordern eine Senkung auf 0,1 Prozent bei Debitkarten und 0,2 Prozent bei Kreditkarten.

Begründet wird die Interchange Fee traditionell damit, dass auch die Händler einen Nutzen durch die Kartenzahlung hätten. Einfachere Abwicklung, mehr Umsatz. Die Interchange Fee sei eine Beteiligung der Kartenherausgeber an diesem Nutzen.

Die Ökonominnen und Ökonomen von Swiss Economics rechnen nun vor, dass sich dieser Nutzen auf gerade mal 0,27 bis 0,32 Prozent des Umsatzes beschränkte. Damit decke er noch nicht einmal die direkten Kosten der Zahlungsabwicklung und der Gebühren von Visa und Mastercard. Raum für eine Interchange Fee gebe es somit nicht.

Händler fordern harte Obergrenze für Gebühren

Anders als bisher sollen die neuen Ansätze zudem nicht im Durchschnitt gelten, sondern als Obergrenze, fordert der VEZ. So wie in der EU, wo Kartentransaktionen auf 0,2, beziehungsweise 0,3 Prozent gedeckelt sind.

Das ist relevant, denn im Einzelfall kann die Interchange Fee weit vom branchenweiten Durchschnitt abweichen – etwa bei Online-Zahlungen oder in Branchen wie dem Tourismus. Ausländische Karten unterliegen zudem nicht der 0,44-Prozent-Regel. Bei ausländischen Karten bezahle man daher schnell zwei- bis dreimal so viel, sagt Migros-Manager Ledergerber. «In Extremfällen sogar das Fünffache.»

Entsprechend fordert der VEZ, dass die Obergrenzen künftig auch für ausländische Karten gelten soll. Weko-Sprecher Schaller bestätigt gegenüber der «Handelszeitung», dass das Kartellrecht eine solche Regelung theoretisch zuliesse. Das Kartellrecht sei grundsätzlich über alle Sachverhalte anwendbar, welche die Schweiz betreffen. 

«Die Gebühren, die wir unserem Abwickler bezahlen, können wir aushandeln, denn es gibt Konkurrenz. Auf die von Visa und Mastercard festgelegte Interchange Fee haben wir dagegen keinen Einfluss, die müssen wir einfach akzeptieren.»

Beda Ledergerber, Leiter Treasury Migros

Dass der Wettbewerb im Bereich der Interchange Fee nicht spielt, gilt als unbestritten, weshalb diese schon seit Jahren über Vereinbarungen mit der Weko reguliert wird. «Die Gebühren, die wir unserem Abwickler bezahlen, können wir aushandeln, denn es gibt Konkurrenz», erklärt Migros-Manager Ledergerber. «Auf die von Visa und Mastercard festgelegte Interchange Fee haben wir dagegen keinen Einfluss, die müssen wir einfach akzeptieren.» Schliesslich könne es sich kein Händler leisten, Karten von Visa oder Mastercard nicht anzunehmen.

Mastercard wollte sich nicht zum Thema äussern, der Verband der Kartenherausgeber reagierte nicht auf eine Anfrage. Visa begründet die geltenden Gebührenstrukturen allgemein mit dem Nutzen, der hinter den Kartenzahlungen stehe. Visa verdiene nichts an den Interchange-Gebühren.