Der Bioboom ruft neue Wettbewerber auf den Plan: Der österreichische Bioanbieter Sonnentor will eine neue Biosupermarktkette aufziehen und drängt damit auch in die Schweiz. Das Standortkonzept sieht hochfrequentierte Citylagen vor und hat speziell Bern, Zürich und Basel im Visier. Der erste 100 m2 grosse Laden könnte noch in diesem Jahr in Bern eröffnet werden. Wie Sonnentor-Retail-Manager Ewald Redel bestätigt, gibt es bereits einen festen Partner in Bern. Die Biomarktkette soll als Franchise-System aufgebaut werden und in der Schweiz auf zunächst fünf Filialen anwachsen.
Das Unternehmen mit Hauptsitz im österreichischen Sprögnitz feiert gerade 20-jähriges Jubiläum: Gründer Johannes Gutmann startete 1988 mit drei Bauern aus der Umgebung, die für den damals 23-Jährigen ökologisch einwandfreie Kräuter herstellten und veredelten. Gutmann baute einen Vertrieb auf und setzte von Anfang an auf Expansion. Mittlerweile beschäftigt der Bio-Selfmade-Man über 100 Mitarbeiter in Österreich und 55 im Tochterunternehmen in Tschechien, realisiert über 20 Mio Euro Umsatz und exportiert seine Waren in über 40 Länder.
Bis zu 650 Produkte
Auch in der Schweiz seien bereits Sonnentor-Produkte in über 500 Verkaufsstellen erhältlich, meistens Reformhäuser, berichtet Redel, der die Expansion leitet. Insgesamt verfügt Sonnentor über ein Sortiment von über 650 Produkten, die von Bio-Tees über Gewürze bis zu Pflegemitteln, Baumwollprodukten und Gartenartikeln reichen. Jedes Jahr kämen 40 neue Artikel dazu.
Frei nach dem Motto «vom Spinner zum Winner» hat der Sonnentor-Gründer Gutmann nun also neben den Schweizer Reformhäusern auch die Grossverteiler im Visier. «Wir zielen auch auf die Kunden von Migros und Coop», bestätigt Redel selbstbewusst. Man empfinde sich zwar eher als Nischenanbieter und nicht als Vollsortimenter, doch gerade darin liege die Stärke, das werde vom Markt gesucht und hier lockt ein grosses Kundenpotenzial. Als Spezialist hofft Redel aber auch Klientel der Harddiscounter wie Aldi und Lidl abschöpfen zu können, die seit längerem auch auf ein breites Biosortiment setzen.
Vor allem die Standortkarte soll dabei ausgespielt werden. Viele Bioverkäufer lägen eher ausserhalb der City, weil die klassischen Bioläden sich solche Mietlagen kaum leisten könnten, meint der österreichische Newcomer, der nur in beste Innenstadtlagen ziehen will. Mit regionalen Spezialitäten, zu denen auch Milch- und Mehlspeiseprodukte gehören können, will der neue Marktteilehmer zusätzliches Interesse wecken und sein Profil schärfen. Dazu wolle man auch mit regionalen Lieferanten in der Schweiz zusammenarbeiten, betont Redel.
Migros plant neue Bio-Produkte
Migros und Coop sind bereits alarmiert. Mit innovativen Produkten wolle sich die Migros differenzieren und ihren Kunden laufend neue Überraschungen anbieten, meint Konzernsprecherin Monika Weibel. Nach Informationen der «Handelszeitung» soll bald eine neue Produktlinie von Bioeistees mit Kräuterextrakten lanciert werden ? ein Trendprodukt, das vom Kräuterspezialisten Sonnentor schon angeboten wird. Migros bietet derzeit über 1000 Bioartikel im Programm an. «Bio ist nach wie vor ein Nischensortiment», meint Weibel, das Wachstum halte nach «überdurchschnittlichem» Plus 2007 auch in diesem Jahr an.
Als Biopionier bezeichnet sich Coop. «Wir sind der grösste Anbieter hierzulande und waren Vorreiter, noch vor Migros», erklärt Coop-Sprecher Karl Weisskopf. Wenn der Erfolg nun neue Marktteilnehmer auf den Plan rufe, könne das ja nur beflügeln. «Wir führen derzeit über 1500 Bioartikel und damit doppelt so viel wie Aldi beispielsweise überhaupt insgesamt an Produkten im Laden hat», rechnet Weisskopf vor. Coop komme auf einen Marktanteil von rund 50%.
Dass neue Mitbewerber kämen, sei zu erwarten gewesen, sagt der Coop-Sprecher. «Das ist für uns Bestätigung und Herausforderung zugleich.» Völlig kalt lässt Coop der Eindringling jedoch nicht. Man wisse, dass es in Österreich starke Bioproduzenten gebe, räumt Weisskopf ein. So habe bei Coop das Thema Biobaumwolle einen hohen Stellenwert ? ein Produkt, bei dem österreichische Textilproduzenten die Nase vorn haben.
Deutsche Textil-Discounter stellen ihre Schweizer Expansionspläne zurück
Die Schweizer Expansionsgelüste der deutschen Discounter haben merklich nachgelassen. Die Billigketten müssen sehen, dass sie zunächst ihre Geschäfte im Heimmarkt im Griff behalten. Man liege mit aktuell fünf Filialen in Deutschland im Plan, meint Knut Brüggemann, Sprecher der C&A-Tochter Avanti, die Mode für preisbewusste Junge verkauft. Im Herbst sollen fünf weitere Shops eröffnet werden. Vom Dämpfer im Textilbusiness aufgrund der schlechteren Konsumstimmung sei man nicht betroffen, versichert Brüggemann. Für eine Entscheidung zur Schweiz sei es jedoch noch zu früh, ergänzt der Mediensprecher. Ende des Jahres soll definitiv über die Avanti-Expansion in andere Länder, auch die Schweiz, entschieden werden.
Auch der Kleiderdiscounter Takko, der über 1200 Filialen führt, spielt derzeit etwas leisere Töne. «Es ist nichts Neues geplant», sagt Unternehmenssprecherin Nadine Harig zu möglichen Expansionsplänen. Noch im Frühjahr hatte Takko-Geschäftsführer Ralf Eck verkündet, in diesem Jahr verstärkt auf westeuropäische Standorte zu setzen. Auch die Schweiz stand auf der Liste.
So dürfte es zunächst bei den bislang einzigen Takko-Standorten in Basel und Lenzburg bleiben. Zurückhaltend berichtet der Kleiderhändler gegenüber der «Handelszeitung», dass man «angesichts des durchwachsenen Wetters und der allgemein angespannten Konsumstimmung» mit den Verkäufen in der Schweiz zufrieden sei. Darüber hinaus scheint sich ein Lagerdruck aufgebaut zu haben, denn momentan wird neben neuer Herbstware «noch eine grosse Auswahl an modischer Sommerware zu besonders günstigen Preisen» angeboten.
Das Businessmodell der Billigheimer geht aber nur auf, wenn die Weichen auf Expansion gestellt bleiben. Denn ihre Margen erzielen die Anbieter über hohe Verkaufsvolumina. Zwar konnte der Textildiscounter Kik, der über 2000 Filialen besitzt, unlängst noch sein 14. Wachstumsjahr in Folge verkünden, doch über ihre Expansionspläne will sich die Tochter des deutschen Lebensmittelgiganten Tengelmann nicht mehr ausführlich äussern.
Experten erwarten angesichts der Konsumflaute in Deutschland mittlerweile eine eigentliche Marktbereinigung. Erste Anzeichen dafür sind die aktuellen Pleiten der früher traditionsreichen Textilkette und Warenhäuser Wehmeyer und Hertie, beides ehemalige Töchter von Karstadt-Quelle (heute Arcandor). (npk)