Noch immer ist bei Migros eine entscheidende Führungsposition nicht besetzt. Die Zeit eilt, denn auf den 1. April 2008 wechselt der bisherige Marketingchef Urs Riedener zu Emmi. «Der Marketingleiter ist eine absolute Schlüsselposition», bestätigt Migros-Mediensprecherin Monica Glisenti, ohne aber zu konkretisieren, wann der neue Chef ernannt wird.
Der Neue muss es besser machen als sein Vorgänger. Denn Migros hat im Detailhandel in den letzten Jahren gegenüber dem Erzrivalen Coop Marktanteile verloren. Sogar Detailhändler wie Spar oder Volg sind stärker gewachsen als der Migros-Koloss (siehe Grafik). Offensichtlich ist es Migros nicht gelungen, die Werbung und die Läden so attraktiv zu gestalten, dass der Umsatz gleich stark wachsen kann wie bei der Konkurrenz. Wobei es für den Grössten immer schwieriger ist, gleich stark zu wachsen wie die Kleineren. Ein Wachstum von 1,8% macht bei Migros 350 Mio Fr. aus. Das entspricht rund einem Drittel des gesamten Umsatzes der Spar-Gruppe.
Genossenschaften zentralisieren
Der grosse Zweikampf der orangen Riesen spielt sich vor allem in ihren Kerngeschäften, dem Lebensmittelhandel, ab. Dies zeigt auch eine Studie des Instituts für Marketing und Handel der Universität St. Gallen, bei der 5000 Konsumenten nach ihrem bevorzugten Geschäft befragt wurden (siehe Tabelle). Zwar ist Migros in diesem Zweikampf immer noch die Stärkere. Doch Coop hat kräftig aufgeholt und in den letzten beiden Jahren besser als Migros gearbeitet. Wobei die Basler als Markenartikler nicht nur allein von der guten Konjunkturlage stärker profitieren als der Marktführer aus Zürich. Coop besitzt auch bedeutend schlankere und damit effizientere Entscheidungswege. Hansueli Loosli hat bereits 2001 die 15 Unternehmensbereiche zu einem straff geführten Unternehmen fusioniert, während bei Migros immer noch zehn Genossenschaftsfürsten relativ autonom regieren. Glisenti dazu: «Die Genossenschaftsleiter müssen strategische Entscheide des Marketingchefs verabschieden.»
Lieferanten, Detailhandelsexperten und Grosskunden bestätigen, dass bei Coop direkter und schneller reagiert wird als bei Migros. Doch namentlich wollen die Angefragten nicht genannt werden – sie alle sind abhängig von Aufträgen oder Bestellungen von Migros und Coop. Das wiederum zeigt, wie klein die Meinungsfreiheit in der «freien Marktwirtschaft» geworden ist angesichts des Duopols von Migros und Coop.
Ein weiterer Grund für das gute Abschneiden von Coop ist die internationale Einkaufsgemeinschaft Coopernic, die dem Detailhändler Preissenkungen von 10% erlaubte. Erst kürzlich konnte Migros in diesem Bereich mit der internationalen Einkaufsgemeinschaft AMS nachziehen.
Der Marktanteil von Migros leidet auch stärker unter dem Konkurrenten Aldi, der seine Eigenmarken zu Tiefstpreisen verkauft. Mit dem neuen Konkurrenten Lidl, der noch dieses Jahr starten soll, wird allerdings auch Coop vermehrt unter Druck geraten, da der Harddiscounter im Gegensatz zu Aldi auf Markenartikel setzt. Aber auch Migros wird vom Lidl-Einstieg betroffen sein – über die neue Tochter Denner.
Einkaufsatmosphäre verbessern
Thomas Rudolph, Professor am Institut für Handel und Marketing der Universität St. Gallen, sieht vor allem in der konkreten Ladengestaltung ein grosses Potenzial zur Profilierung. Er ist überzeugt, dass Aldi und Lidl nicht über den Preis geschlagen werden können. «Die weit verbreitete Preisaktionitis führt bei vielen Händlern zu Umsatz- und Ertragseinbrüchen und schadet den Etablierten.» Diese sollten sich klar absetzen und vermehrt das Emotionale bei den Kaufphasen berücksichtigen, etwa mit Werbung vor und nach dem Kauf sowie in der Promotion am Kaufort.
Während Coop bereits seit längerem in den Ladenauftritt investiert hat, brachte Migros ihre Läden, etwa in Zürich, erst kürzlich wieder auf Vordermann. Vor allem mit der Kommunikation am Verkaufspunkt POS, aber auch mit der Werbung ist Migros ins Hintertreffen geraten. Dabei liegt der Teufel vor allem im Detail und nicht in der starken Dachmarke. In den Marketing-Ratings jedenfalls schneidet der Brand Migros immer wieder mit Bestnoten ab.