Von New Mexico aus soll bald jeder ins All fliegen können. Aber trotz Investitionen in Millionenhöhe kommt das Abenteuer Weltraumtourismus nicht richtig in Gang - und der erste kommerzielle Weltraumbahnhof der Welt muss sich andere Einnahmequellen suchen. Ein Ortsbesuch.
Fast scheint es leichter, in den Weltraum selbst zu kommen, als zum «Spaceport America». Das ist nach Betreiberangaben der erste nur für diesen Zweck erbaute kommerzielle Weltraumbahnhof der Welt.
Das futuristische Gebäude von Star-Architekt Norman Foster, von dem aus irgendwann Touristen ins All starten sollen, liegt mitten in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico. Errichtet auf trockener brauner Erde, zwischen endlos scheinenden Stromtrassen und Rinderweiden, die sich bis zu den San Andres Bergen am Horizont ziehen.
Geografisches Sahnehäubchen
Aber was aussieht wie das Ende der Welt, sei in Wahrheit ein «geografisches Sahnehäubchen», schwärmt Reiseleiter Mark Bleth. «Der Weltraumbahnhof liegt auf etwa 1400 Meter Höhe, die Bevölkerungsdichte ist extrem gering, wir haben hier 300 Sonnentage im Jahr und liegen am Rand der Raketenbasis White Sands, der einzigen permanenten Flugverbotszone der ganzen USA neben dem Weissen Haus.»
«Starts sind also so gut wie immer möglich und das macht die Wüste hier zu einem perfekten Ort für den Weltraumbahnhof», ergänzt er. Mit seiner Firma bietet Bleth Bustouren zum «Spaceport America» an.
Ursprünglich alles Meeresboden
Los geht es im Städtchen Truth or Consequences, der nächstgelegenen Menschenansiedlung, rund 40 Kilometer und fast eine Stunde Fahrzeit über kurvige Strassen entfernt. In der Entwicklung der Erde sei das hier ursprünglich alles Meeresboden gewesen, dann kamen die Dinosaurier, erklärt Bleth, während der Bus durch spärlich bewachsene Hügel kurvt.
Tumbleweed, das sind rundliche Pflanzenknäuel, die man aus Wild-West-Filmen kennt, taumeln über die Strassen. Hin und wieder queren kleine Vögelchen rasant die Fahrbahn. Autos kommen keine entgegen.
«Weg des Todes»
«Jornada del Muerto», auf Deutsch etwa der Weg des Todes, nannten einst die spanischen Eroberer diese unwirtliche Gegend, die ihnen im 16. und 17. Jahrhundert bei ihrem Vorstoss extreme Mühen bereitete. 1945 testete die US-Regierung hier erstmals eine Atombombe.
Der Bus fährt durch Engle, wo einst Arbeiter wohnten, die einen nahe gelegenen Damm bauten. Heute ist Engle eine Geisterstadt, das alte Schulhaus dient als südlicher Zugang der Ranch des US-Medienmoguls Ted Turner. «Der Legende nach kam Turner eines Tages auf einem weissen Pferd angeritten und hat den Besitzern weit mehr Geld geboten, als sie eigentlich verlangt hatten.»
Wie eine flache Krabbe
Bald wird die geteerte Strasse zu einem Staubpfad. Der Bus biegt ab und am Horizont erscheint auf einmal das Ziel: Wie eine flache Krabbe liegt der «Spaceport America» in der Wüste. Das Hauptgebäude tarnt sich erdfarben. «Willkommen zum nächsten grossen Schritt für die Menschheit», sagt Bleth.
Die Idee für einen solchen Weltraumflughafen gibt es schon seit Jahrzehnten. Nach langen Diskussionen wurde 2008 die Lizenz erteilt und rund 72 Quadratkilometer Land aus dem Besitz des Bundesstaates New Mexico dafür ausgewählt. Die rund 218 Millionen Dollar (etwa 210 Millionen Franken) für den Bau kamen aus privater und öffentlicher Hand zusammen und das Gebäude wurde 2013 fertiggestellt.
Eine Million Dollar Miete
VirginGalactic, die Weltraumfirma des britischen Milliardärs Richard Branson, unterschrieb einen Mietvertrag für 20 Jahre. Die Miete beträgt rund eine Million Dollar im Jahr, davon werden unter anderem die rund ein Dutzend Festangestellten des Weltraumbahnhofs bezahlt.
Vertikal und horizontal können Raumschiffe und Raketen vom «Spaceport America» aus in die Höhe starten. Die Landebahn wurde nach Tests vor kurzem noch einmal ausgebaut. In das zentrale Hangargebäude mit sechs Meter hohen Schiebetüren passen mehrere Raumschiffe.
Jederzeit und von jedem für Tests mietbar
«Der Weltraumbahnhof kann jederzeit und von jedem für Tests gemietet werden», erklärt Reiseleiter Bleth. «Dann ist absolute Anonymität garantiert, von den Tests dringt nichts an die Aussenwelt. Auch jetzt gerade testet ein Unternehmen, deswegen können wir den Hangar nicht betreten.»
Mehr als 500 Menschen sollen bei VirginGalactic schon ein 250'000 Dollar teures Ticket für einen Ausflug ins Weltall gebucht haben, darunter auch zahlreiche Prominente. «Sie alle werden Astronauten sein, das ist ein sehr exklusiver Club. Sie dürfen dann in die Astronauten-Lounge im dritten Stock des Hangars und sie bekommen Flügel ans Revers gepinnt, wie die NASA-Astronauten», sagt Bleth.
Beim ersten dieser Suborbitalflüge, bei dem das Flugzeug bis an die Grenze des Weltraums und dann wieder zurück fliegt, will Firmengründer Branson nach eigener Ankündigung selbst mit seiner Familie an Bord sein.
Branche kämpft mit Rückschlägen
Aber trotz aller Schwärmerei - das Abenteuer Weltraumtourismus will derzeit einfach nicht so richtig in Gang kommen. Neben Branson tummeln sich noch mehrere andere Unternehmen und Milliardäre in der Branche und stecken Millionen in Entwicklung und Tests. Bisher haben sie immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen und noch keinen einzigen Touristen ins All befördern können.
Einzig die US-Firma Space Adventures vermittelte bisher einigen wenigen Menschen einen extrem teuren Flug zur Internationalen Raumstation ISS in Kooperation unter anderem mit den US-amerikanischen und russischen Raumfahrtbehörden.
Konkurrenz durch Tesla-Chef Musk
VirginGalactic-Unternehmer Branson hatte ursprünglich schon für 2008 Linienflüge ins All angekündigt, nach mehreren Unfällen bei Tests mit mindestens vier Toten verzögerte sich das Projekt aber immer weiter. Nach dem Absturz des Prototyps seines Raumflugzeugs «SpaceShipTwo» 2014 stellte er vor kurzem den Nachfolger vor, ein Startdatum gibt es aber immer noch nicht.
Mit seiner Firma SpaceX, die auch oft am Weltraumbahnhof in New Mexico testet, will Tesla-Chef Elon Musk Branson Konkurrenz machen und ebenfalls Touristen ins All befördern. Mit seinen «Dragon»-Kapseln bringt Musk derzeit schon für die US-Raumfahrtbehörde NASA Fracht zur ISS, in einem überarbeiteten Raumschiff könnten irgendwann auch Touristen sitzen.
Zu schnell zu gross
Microsoft-Mitgründer Paul Allen steckt mit seiner Firma Stratolaunch Systems ebenfalls viel Geld in die Entwicklung des Weltraumtourismus, genau wie Amazon-Gründer Jeff Bezos, der jüngst erstmals Journalisten das Hauptquartier seiner Firma Blue Origin zeigte.
Bislang habe er die Firma bewusst aus dem Rampenlicht gehalten, sagte Bezos dabei der «New York Times». «Der Hype um das Weltall wird einfach zu schnell zu gross.» Ab 2018 aber könnten Touristen von einem Flughafen im Westen von Texas aus mit seinem Unternehmen zu kurzen Flügen ins All starten.
Andere Einnahmequellen bis ehe es 2018 losgeht
Auch am «Spaceport America» in New Mexico könnte es 2018 losgehen. «Hauptsache, es ist sicher», sagt Reiseleiter Bleth. Bis dahin muss der Weltraumbahnhof sich andere Einnahmequellen suchen. So wie die Besichtigungstouren für Touristen, die fast 50 Dollar pro Person kosten.
Mode- und Autofirmen haben den futuristisch aussehenden Ort auch schon für Werbeaufnahmen gebucht, Motorradfahrer führten auf der Landebahn Schnelligkeitstests durch.
Blitztransport für eilige Güter
Und die Gedankenspiele gehen weit darüber hinaus: Satelliten könnten von hier aus in die Höhe steigen und ein weltweites Netzwerk an Weltraumbahnhöfen gebaut werden, zwischen denen Raketen mit allerhöchster Geschwindigkeit eilige Güter - wie beispielsweise Organe - transportieren.
«Das Ziel des 'Spaceport America' ist es, wirtschaftlich unabhängig zu sein, und ich denke, das wird auch erreicht werden.» Während Bleth das sagt, ziehen sich dunkle Wolken über dem Weltraumbahnhof immer weiter zusammen. Es regnet, hier in der Wüste eine Seltenheit. Drei dicke schwarze Raben flattern vom Zaun auf in den Himmel.
Über den «Asteroiden-Umgehungsweg» und die «Halbmondstrasse» verlässt der Bus das Gelände des «Spaceport America» wieder, zurück in Richtung Erdzivilisation.
(sda/ccr)