Der Schweizer Roche-Konzern sorgt für die nächste Milliardenübernahme in der weltweiten Pharmabranche. Das Unternehmen kündigte am Sonntag den Kauf der US-Biotechfirma Intermune für 8,3 Milliarden Dollar in bar an. Die Führungsgremien beider Gesellschaften hätten dem Deal zugestimmt. Es ist der grösste Zukauf von Roche seit 2009, als die Schweizer den verbliebenen Anteil am US-Konzern Genentech für rund 47 Milliarden Dollar erwarben.
Roche-Konzernchef Severin Schwan setzt grosse Hoffnungen in das jüngste Übernahmeziel des Basler Pharmakonzerns: Die kalifornische Firma Intermune verfüge zwar bislang nur über ein einziges Produkt, das Medikament Pirfenidon für die Behandlung von idiopathischer Lungenfibrose, das in Europa unter dem Namen Esbriet erhältlich ist. Esbriet habe aber ein Milliardenpotenzial. «Es wird ein sehr grosses Produkt werden», sagte Schwan in einem Interview mit der «Basler Zeitung» vom Montag.
Zulassung für November erwartet
2013 belief sich der Umsatz von Esbriet auf 70,3 Millionen Dollar, dieses Jahr «werden es vielleicht 130 bis 140 Millionen Dollar», sagte Schwan.
Intermune galt bereits als Übernahmekandidat. Zuletzt war aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen verlautet, dass grössere Arzneimittelhersteller Interesse angemeldet hätten und die Firma daher Finanzberater engagiert habe. Hintergrund sind gute Aussichten für das vielversprechende Lungenmittel, dem Branchenexperten in einigen Jahren Umsätze von bis zu einer Milliarde Dollar zutrauen. Es hat bereits Zulassungen für Europa und Kanada erhalten. Roche erwartet, dass das Medikament nach Prüfung der Arzneimittelaufsicht FDA noch im November dieses Jahres in den USA auf den Markt kommt.
Keine Nachbesserung beim Kaufpreis
Wenn das Medikament in den USA zugelassen wird, müsse Roche beim Kaufpreis für Intermune nicht nachbessern. Roche habe das OK der FDA schon einkalkuliert und mit Intermune eine verbindliche Übernahmevereinbarung abgeschlossen, erklärte Schwan. Der Verwaltungsrat von Intermune stehe voll hinter dem Angebot, es handle sich um eine freundliche Übernahme.
Überdies startet das Übernahmeangebot bereits am Freitag: Dann können die Aktionäre ihre Titel während 20 Arbeitstagen andienen. Wenn Roche mehr als 50 Prozent erhält, «können wir die Firma übernehmen».
Wichtige Portfolio-Ergänzung
Pirfenidone bedeutet eine wichtige Portfolio-Ergänzung für den Schweizer Konzern, der Weltmarktführer bei Krebsmitteln ist. Roche hat zwar bereits andere Atemwegs-Medikamente im Angebot und in der Entwicklung. Aber in den Bemühungen, sich auch ausserhalb der Krebsmedizin stärker zu etablieren, gab es in den vergangenen Jahren mitunter Rückschläge.
Esbriet passe nun hervorragend ins Portfolio: «Wie die Hand in den Handschuh. Nicht nur was Forschung und Entwicklung anbelangt, sondern auch wegen der bestehenden Infrastruktur, unserer Verkaufsorganisation, die zu den Lungenärzten geht», sagte Schwan.
Kräftiger Aufschlag
Roche zahlt 74 Dollar je Intermune-Aktie. Das entspricht einem Aufschlag von 38 Prozent auf den jüngsten Aktienkurs der US-Firma. Solch hohe Prämien sind nicht unüblich bei Biotech-Übernahmen, denn der Wettstreit um neue Umsatzbringer ist hart. Ab 2016 soll die Intermune-Akquisition Roches Gewinn ankurbeln.
Über weitere Zukäufe wird spekuliert. Der japanische Pharmakonzern Chugai hatte zuletzt einen Medienbericht zurückgewiesen, wonach Roche für zehn Milliarden Dollar die restlichen Chugai-Anteile übernehmen will. Roche-Chef Severin Schwan wollte sich nun nicht dazu äussern.
In der internationalen Pharmaindustrie grassiert derzeit das Fusionsfieber so stark wie nie zuvor. In diesem Jahr gab es nach Daten von Thomson Reuters bislang Transaktionen im Volumen von 346 Milliarden Dollar. Vor einem Jahr waren es bis dato nur 212 Milliarden.
(sda/reuters/ccr)