Die Schweizer Volkswirtschaft lebt vom Aussenhandel wie kaum ein anderes Land. Laut einer Untersuchung der Credit Suisse haben sich die realen Kapitalexporte in den Jahren 1990 bis 2007 verzehnfacht (das reale BIP wuchs in diesem Zeitraum dagegen nur um den Faktor 1,3). Die exportierten Waren machen mit 207 Mrd Fr. inzwischen rund 40% des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus. Und der Anteil steigt weiter.
Transporte sind deshalb ein wesentliches Element für die Schweizer Unternehmen. Doch genau in diesem Bereich bestehen grosse Mängel beziehungsweise Lücken bei der Überwachung der Transportketten. Entsprechend resultiert eine hohe Schadenquote. Eine gemeinsame Studie des I-lab - einer Forschungseinrichtung der ETH Zürich und der Universität St. Gallen sowie den Basler Versicherungen - deckt erstmals das Ausmass an Transportschäden auf.
Gefährdete Pharmazeutika
Das Ergebnis der Untersuchung lässt aufhorchen: Transportschäden werden von der Industrie als alltäglich hingenommen, und die Risikofaktoren bleiben oft unerkannt. Die Folgen sind gravierend. Jede dritte Lieferung wird aufgrund von Beschädigungen oder Lieferverzögerungen beanstandet. Zwei Drittel aller auftretenden Schäden sind auf Erschütterungen zurückzuführen. 20% betreffen Warenverluste. Bezogen auf den Schadenaufwand machen Verluste den Hauptharst der Kosten aus, nämlich 35%. In Gesamteuropa gehen jährlich Waren im Wert von 30 Mrd Fr. verloren. Allein für die Schweizer Industrie beläuft sich der Schaden von verlorenen Waren auf 90 Mio Fr. pro Jahr.
Einen Anhaltspunkt für die aus mangelhaften Transporten entstehenden Gesamtkosten gibt die Schadenquote bei den Schweizer Transportversicherern. Diese verzeichnen jährlich für reservierte und bezahlte Schäden einen Betrag von rund 316 Mio Fr. «Weltweit können wir von einer durchschnittlichen Schadenquote im Transport-Versicherungsmarkt über zehn Jahre von 68% ausgehen», erklärt Reto Frei, Leiter Transportversicherungen bei der Bâloise Versicherung.
Folgekosten beachten
Diese versicherten Schäden sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Denn nicht erfasst werden Folgeschäden von fehlerhaften Transporten wie Verkaufseinbussen wegen fehlender Waren, Preisnachlässe bei verspäteten Sendungen oder ungeplante Nachproduktionen. Aber auch Betriebsunterbrüche sind ein grosses Risiko: Vor allem in der Hightech-Industrie mit kurzen Produktlebenszyklen wie etwa bei der Halbleiter- und Chipherstellung sind Transportschäden an Produktionsmaschinen ein Worst-Case-Szenario. «Die Schäden aus einem verzögerten Produktionsanlauf beziehungsweise einer Lieferunfähigkeit übersteigen hier den Transportschaden um ein Vielfaches», warnt Frei.
Es gibt Transportarten und Weltregionen, die besonders anfällig sind für Transportschäden. Am gefährdetsten erweisen sich laut der Studie die Haupttransportmittel Lastwagen, See- und Luftfracht. Hier ist nicht nur die Häufigkeit von Schäden am grössten, sondern auch die Höhe des Schadenaufwandes. Besonders bei Lastwagentransporten ist der Diebstahl von Gütern ein Hauptproblem. Insbesondere Transporte von und nach Afrika sowie innerhalb des Mittleren Ostens sind betroffen. Aber auch in Nordamerika sind weit mehr Warendiebstähle zu verzeichnen als in Europa.