Die Frage: Worin besteht eigentlich die Arbeit eines Galeristen? Die Antwort: «Früher habe ich gesagt, Gläser abwaschen», lacht Fritz Wyss. «Heute habe ich aber eine Abwaschmaschine.» Nicht nur Kunst, sondern auch Gastfreundschaft ist in seiner Galerie an der prominenten Flanierzone Via Borgo in Ascona ein wichtiges Verkaufsargument. Bereits legendär ist der Glastisch unter dem Leuchter aus weissem Murano-Glas, wo er Besucher und Freunde mit einem Glas Prosecco empfängt.
Verteilt auf vier Stockwerke befindet sich die «Casa d’Arte» an bester Lage im Herzen von Ascona. Wyss hat die etwas vernachlässigte Altliegenschaft vor zehn Jahren gekauft und mit Klinker- und Holzriemenböden, weissen Wänden und dunklen gebeizten Balken zu einem Schmuckstück renoviert.
Mit der Galerie hat er einen Traum verwirklicht. «Seit ich 50 Jahre alt war, wusste ich, dass ich nach meiner Pensionierung weiter arbeiten möchte. Aber in einem ganz anderen Bereich.» In zwei Schritten zog er sich bei Emmi zurück und baute gleichzeitig sein neues Standbein auf. Mit 60 gab Wyss die operative Leitung des grössten Schweizer Milchkonzerns ab. Von da an lenkte er jeweils in der ersten Wochenhälfte in Luzern als Verwaltungsratspräsident die Geschicke der Firma, während er die zweite Wochenhälfte in seiner Galerie in Ascona verbrachte. Mit 65 gab er auch noch das Emmi-Präsidium ab.
Zuerst war ein Weingut geplant
Eigentlich wollte Wyss dereinst ein Weingut führen. Doch ein Bandscheibenvorfall hat diesen Plan verunmöglicht. So philosophierte er mit seinem Freund und Künstler Paul «Stauffi» Stauffenegger über Varianten zur anstrengenden Arbeit im Rebberg. Die beiden kamen zum Schluss: Als Kunstfreund könnte Wyss ja auch eine Galerie führen. Diese Idee gefiel auch seiner Frau Ruth, die mit einem Weingut wenig anfangen konnte. Klar war sofort, wo sich die Galerie befinden muss: In Ascona. Denn in Ronco sopra Ascona hatte Wyss bereits vor 25 Jahren ein 500 Jahre altes Haus erworben. Ein «Glücksfall» war für Wyss auch der Kauf der Liegenschaft in der Altstadt von Ascona.
Die erste Vernissage fand im September 2002 statt - mit Bildern des Kunstmalers «Stauffi». Jedes Jahr wählt Wyss einen neuen Künstler aus. Daneben präsentiert er auch gut verkäufliche Werke wie etwa von Rolf Knie - ein Künstler, über den das Feuilleton gerne die Nase rümpft. Nicht so Wyss: «Rolf Knie ist für mich ein Glücksfall. Er kann Tiere und Artisten malen, und ich bin vom Zirkus fasziniert.» Wyss würde nie einen Maler ausstellen, den er nicht auch bei sich selber aufhängen würde.
Der ehemalige Mister Emmi kauft Werke von seinen Künstlern als Privatperson, aber auch für seine Galerie. Die Knie-Bilder kosten bis zu 30 000 Fr., die weniger bekannten Künstler sind bedeutend günstiger zu haben. Kürzlich wollte eine junge Frau nach der Vernissage des Kunstmalers Fred Baumann in der «Casa d’Arte» ein Gemälde für 1800 Fr. erwerben. Als sie Wyss erzählte, wie mager ihr Lehrlingslohn sei, gab er ihr das Bild für einige hundert Franken weniger.
Wie sieht da seine Bilanz als Galerist aus? Der sonst so offene Gastgeber wird zurückhaltend. «Im einen Jahr schreibe ich schwarze Zahen, im andern rote. Aber das Geld steht nicht im Mittelpunkt.» Trotzdem kann er auch hier seine Händlerleidenschaft ausleben. Dem ausgebildeten Käser und späteren Lebensmittelingenieur steckt das «Händele» im Blut: Schon als Kind hatte er 100 Kaninchen aufgepäppelt und sie mit Gewinn verkauft.
Schwellenangst haben andere
Wyss hat gemerkt, dass manch eine Kundin Mühe hat, das gekaufte Gemälde zu Hause am richtigen Ort aufzuhängen. Auf Wunsch liefert er das Werk gleich selber und befestigt es an der Wand. Passt es der Kundin nicht, nimmt er es auch wieder zurück. «Wichtig ist mir eine Kundschaft, die Freude an den gekauften Bildern hat.»
Doch eine Galerie zu führen, ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Gerade in der Sommerzeit steht er manchmal stundenlang allein in den Räumen. Dann ist er dankbar, wenn wenigstens zehn Besucher pro Tag kommen - und einer davon ein Gemälde kauft. «Für viele ist die Schwellenangst, in eine Galerie zu gehen, immer noch gross.» Die Schwellenangst, selber eine Galerie zu eröffnen, hatte er nicht. Zu seinem Glück.