Eine Katastrophe!» dem Langenthaler Industriellen Johann Schneider-Ammann fällt nur ein Wort ein, wenn er auf eine mögliche Annahme des drohenden Referendums gegen die bilateralen Verträge angesprochen wird. Für ihn liegen die verheerenden Folgen eines solchen Volksentscheides auf der Hand: «Das kostet Arbeitsplätze.» Ausländische Investitionen würden ausbleiben, die Schweizer Exporteure würden psychologisch noch mehr in Rücklage geraten, und sogar die Töchter von Schweizer Firmen im Ausland müssten mit negativen Rückmeldungen rechnen.

Der frischgebackene FDP-Nationalrat Schneider zweifelt jedoch nicht daran, dass das Referendum zu Stande kommt. Und ohne das Kind beim Namen zu nennen, lässt er auch durchblicken, woher die Gefahr droht: vom rechten Rand der SVP. Die Gesamtpartei hat zwar erst neulich beschlossen, eine allfällige Unterschriftensammlung nicht offiziell zu unterstützen, aber es ist nicht nur die CVP, die in diesem Zusammenhang von einer «Mogelpackung» spricht. Seit der Widerstand von links mit den so genannt «flankierenden Massnahmen» gebrochen wurde, kann das Protestpotenzial nur noch aus der SVP-Wählerschaft kommen.

Um die internationale Peinlichkeit eines angenommenen Referendums abzuwenden, werde es viel «Kraft, Geld und Einsatz» erfordern, prophezeit Johann Schneider-Ammann. Mit der geballten Kraft von CVP, FDP und SP werde man das Volk aber überzeugen können, gibt er sich optimistisch. Das hoffen auch die 50 Chefs der Top-KMU 99: Sie sind einhellig der Meinung, dass die «Bilateralen» jetzt dringend verabschiedet und umgesetzt werden müssen (mehr zur Umfrage im Kasten «Wenig Gegenliebe» auf Seite 51). Erstaunlicherweise spielt die parteipolitische Ausrichtung dabei praktisch keine Rolle: Auch die SVP-Anhänger unter den Top-Unternehmern stimmen den Verträgen zu.

Ein Widerspruch, der in der Person des neu gewählten Berner SVP-Nationalrats Hansruedi Wandfluh gewissermassen greifbar wird. Seine Wandfluh AG, die hydraulische Ventile für die Industrie produziert, erzielt mehr als die Hälfte des Umsatzes im europäischen Ausland und ist deshalb auf gutes Wetter in den Nachbarstaaten angewiesen. Anders als die Wähler muss Mandatsträger Wandfluh allerdings Rücksicht auf die Stimmung in der Gesamtpartei nehmen: Er bejahe die jetzt vorliegende Fassung des Gesamtpakets von bilateralen Verträgen und flankierenden Massnahmen nur, weil im Falle einer Ablehnung «nichts Besseres zu erwarten» wäre. Besonders die flankierenden Massnahmen gehen ihm zu weit, und als Funktionsträger einer dezidiert populistischen Partei will er seine Liebe zum Wahlvolk auch dann nicht kündigen, wenn dieses die Verträge bachab schickt: «Das Volk hat immer Recht.»

Argumentative voten dieses zuschnitts passen gar nicht in das Bild einer Partei, die von sich behauptet, den richtigen Weg zu kennen; namentlich für die Unternehmerschaft im Lande. In der Frage der bilateralen Verhandlungen – immerhin eine Frage von existenzieller Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft – scheinen die Rollen vertauscht: Hier die von SP-Präsidentin Ursula Koch beschworene geschlossene Koalition der «vernünftigen Parteien», da eine Rechtsopposition, die sich in Widersprüche verstrickt und die handfeste innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten auf «Stildifferenzen» (Hansruedi Wandfluh) zwischen der Zürcher und der Berner SVP reduziert.

Die Widersprüche in der Integrationspolitik sind allerdings nicht der einzige Grund, weshalb die SVP für viele zukunftsgerichtete KMU-Chefs keine reelle Alternative darstellt. Ein anderer Grund sind die Doppelbödigkeiten in der Wirtschaftspolitik. Hier betont die SVP zum Beispiel immer wieder, dass man der «Subventionitis» den Garaus machen müsse. Anderseits nennt sie sich auch die Partei der Bauern; eine Berufsgruppe, die zu den grössten Subventionsempfängern schlechthin zählt. Mehr als vier Milliarden Franken werden die Landwirte 1999 aus der Bundeskasse erhalten. Da trifft zu, was der Chef des Top-50-Unternehmens Imbach, Hans Rudolf Imbach, sagt: «Die SVP als Partei ist nicht dem Markt verpflichtet.»

Ein weiteres Beispiel: Die selbst ernannte «Unternehmerpartei» propagiert den Shareholder-Value und fordert gerade von den Grossbanken Eigenkapitalrenditen von 15 und mehr Prozent. Genau solche Forderungen haben aber zur Kreditmisere bei vielen KMU mit allzu dünner Eigenkapitaldecke geführt. Die Antwort auf die Frage, wie die Kreditfinanzierung der Schweizer KMU in Zukunft sichergestellt werden soll, ist die SVP bisher schuldig geblieben.
Fragen haben aber auch die vielen jungen Hightech-Unternehmer in der Schweiz. Es ist allgemein bekannt, dass Tausende von hoch qualifizierten Informatikerstellen nicht besetzt sind. Viele Hightech-Unternehmen können nur überleben, wenn sie rasch auf ausländische Spezialisten zurückgreifen können. Philipp Berner freilich, Kogeschäftsführer der Walliseller Hightech-Firma HTS, die sich als Zulieferer der Weltraumindustrie profiliert hat, zeigt eine einfache Rechnung auf: Wenn er die Schreibarbeit, die Anwaltshonorare und den eigenen Zeitaufwand zusammenrechnet, kommt ihn eine einzige Anstellung eines ausländischen Spezialisten auf mindestens 5000 Franken zu stehen; dies bei einem Jahresumsatz von 5,6 Millionen Franken.

Für solche firmen wirkt es wenig hilfreich, wenn SVP-Nationalrat Wandfluh beteuert, er habe mit dem Einsatz von ausländischen Spezialisten noch nie Probleme gehabt. Denn das Vorstandsmitglied des Berner Handels- und Industrievereins (HIV) pflegt nach eigenen Angaben ein ausgezeichnetes Verhältnis zum Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga). Doch solche Special Relationships kann sich allenfalls ein alteingesessenes Familienunternehmen wie die Wandfluh AG leisten. Doch für junge Hightech-Firmen, deren Gründer oft direkt von den Hochschulen kommen und die mehr Leute im Silicon Valley kennen als im Volkswirtschaftsdepartement ihres Kantons, sind sie mit vernünftigem Zeitaufwand nicht aufzubauen.

Angesichts solcher unliebsamen Fakten flüchtet sich die Blocher-SVP mit Vorliebe ins Thema Asylpolitik oder prangert den «Politfilz» an. Und hier kann sie tatsächlich Punkte machen bei den Unternehmern: Die Verfilzung der Schweizer Politik irritiert auch viele KMU-Chefs. Ebenso wie sie der Meinung sind, dass es mit der Zuwanderung von unqualifizierten Arbeitskräften jetzt ein Ende haben müsse.
Damit ist der breite Zuspruch zur SVP aber bereits erschöpft. Mit ihrem dritten Paradethema, der Steuersenkungsoffensive, beisst die Volkspartei bei vielen Unternehmern auf Granit. Der konkrete Vorwurf: Ahnungslosigkeit. Johann Schneider-Ammann hält die von der SVP offiziell angestrebten Steuersenkungen von zehn Prozent auf Bundesebene für illusorisch. Als Mitglied im Initiativkomitee «Steuerstopp» setzt er auf eine Plafonierung der Steuerlast und auf Schuldenabbau. Eine effektive Rückführung der Staatsausgaben hält er allenfalls in der Zukunft für machbar. Schneider-Ammann, der seit Mitte Jahr auch als Präsident der VSM/ASM-Nachfolgeorganisation Swissmem fungiert und seinen Verband zu einem Opinion-Leader machen will, scheut in dieser Frage auch die Auseinandersetzung nicht. Bei einem bilanz-Talk hatte er den finanzpolitischen Einlassungen des zukünftigen Ratskollegen Blocher schlichtweg den Realitätsbezug abgesprochen.

Wie Recht er damit hatte, beweist ausgerechnet ein Beispiel aus Blochers Heimatkanton: Vor den kantonalen Wahlen Mitte dieses Jahres hatte die kantonale SVP massive Steuersenkungen versprochen, doch dann war es just der SVP-Mann Christian Huber, der die Wähler enttäuschen musste: Ein Blick in die leere Kasse zeigte dem neuen Finanzdirektor schnell, dass seine Partei den Mund zu voll genommen hatte.

Natürlich zahlen auch die unternehmer nicht gerne Steuern, und mancher Jungunternehmer, der sich mit letztem Einsatz durch die schwierige Startphase kämpft, stöhnt unter der Steuerlast. Aber die KMU-Chefs denken differenzierter als die «Unternehmerpartei». Namentlich die kommunalen Funktionsträger unter ihnen sind mit pauschalen Rasenmäherforderungen nicht einzufangen. Im Gegenteil: Als Kenner der politischen Bräuche in diesem Land reagieren sie nachgerade überdrüssig auf unüberlegte Steuersenkungsrhetorik. Ernst Sperandio, als Mitinhaber des IT-Unternehmens Alpha Intersoftware ein Top-50-Unternehmer 99, und seit gut einem Jahr Gemeindepräsiden von Oetwil am See, lässt kein gutes Haar an den finanzpolitischen Vorschlägen der SVP: «Mit solchen Vorschlägen wird das Volk an der Nase herumgeführt.» Der Grund: Wenn der Bund seine Ausgaben kürze, es bei den Aufgaben aber beim Alten lasse, müssten einfach die Kantone und Gemeinden tiefer in die Taschen greifen.

Sperandio, der als CVP-Mann in der SVP-Hochburg Zürcher Oberland gewissermassen in der Höhle des Löwen politisiert, glaubt nicht an die allein selig machende Unternehmerpartei: «Nicht wenige meiner Unternehmerkollegen warten auf Wohltaten seitens der Politik. Aber wer in der Wirtschaft wartet, hat doch schon verloren.» Er setzt – der europaweite Erfolg seiner «Enterprise Ressource Planing»-Software «Alpha400net» ist der Beleg dafür – auf Eigeninitiative, und er ist überzeugt, dass letztlich auch seine SVP-Kollegen im Gemeinderat nicht an staatlich generierte Wunder glauben.

Schützenhausromatik und Beschwörungen der traditionell helvetischen Werte sind das eine. Etwas anderes sind die komplizierten Abläufe in den Parlamenten und Behörden. Das weiss auch Hansruedi Wandfluh: «In der Politik kann man die Dinge nicht durchziehen wie in einem Unternehmen; da gilt es, Mehrheiten zu finden.» Entsprechend reserviert steht Wandfluh einer Bundesratskandidatur von Parteifreund Blocher gegenüber; wobei er seine ablehnende Haltung in lobende Worte hüllt: Blocher sei ein zu initiativer Nationalrat, als dass man ihn in den Bundesrat ziehen lassen dürfe, lautet die schelmische Begründung.

Als permanenter Wahlkämpfer und Matador in der Leutschenbach-«Arena» ist Blocher für die SVP in der Tat unbezahlbar. Der Mann kann verkaufen. Das sagen sogar Unternehmer, die seine politischen Ziele fürchten. Gerade sie verstehen aber nicht, weshalb die politische Konkurrenz die Widersprüche und Konfusionen im SVP-Parteiprogramm nicht deutlicher thematisiert. Eine Frage, die man sich jetzt auch in der FDP stellt. Johann Schneider-Ammann jedenfalls zweifelt nicht, dass Christoph Blocher als Unternehmer «das Bild der SVP in der Öffentlichkeit verzerrt» hat. Jetzt sei es an der FDP, dieses Bild zu korrigieren: «Wir müssen uns in Zukunft wieder vermehrt als Partei des Mittelstandes und somit auch der KMU profilieren.»

Wie schwierig das allerdings ohne ein national bekanntes Aushängeschild ist, zeigt das Beispiel der CVP. Die notorische «Und-aber-auch»-Partei hat im Mai mit grossem Aufwand einen so genannten KMU-Gipfel inszeniert und dort eine «KMU-Charta» verabschiedet, in der ihre wichtigsten Forderungen aufgelistet sind. Marketingmässig ein Schuss in den Ofen: Ausserhalb der Wählerschaft wird die CVP als Partei der Unternehmer nach wie vor praktisch nicht wahrgenommen.
Da kann die Partei von Glück reden, dass manchmal auch noch andere Faktoren als das Marketing eine Rolle spielen. Jean-Claude Vaudroz zum Beispiel schätzt an seiner Partei vor allem den menschlichen und überlegten Umgangston. Und Vaudroz ist nicht irgendwer. Der Chef der Genfer f-group ist neben Peter Spuhler der einzige echte Selfmade-Unternehmer, der den Sprung ins neue Parlament geschafft hat.

Seine erste Firma hat der gelernte Ingenieur Vaudroz im jugendlichen Alter von 28 Jahren gegründet. Zusammen mit einem Partner hat er das auf Elektronikbauteile spezialisierte Handelsunternehmen Aplitron aufgebaut. Und seither zieht er Schritt für Schritt eine Firmengruppe hoch, die sich als Generalunternehmen für Industrieelektronik aller Art versteht. Mittlerweile ist bei Vaudroz vom Leiterplattendesign bis zum endmontierten Elektrogerät praktisch alles zu haben.

Überregionale Schlagzeilen hat Vaudroz mit seinem jüngsten Projekt gemacht: Im Verbund mit einigen Investoren hat er in diesem Herbst eine der letzten Fabriken auf Genfer Boden, eine Produktionsanlage der Landis & Gyr Communications, übernommen und damit knapp hundert Arbeitsplätze gerettet. Die Elektronikfabrik, die neu unter dem Namen Swonics agiert, hat den Umsatz der f-group mehr als verdoppelt und soll zum Kern eines Genfer Elektronikclusters werden.
Den Vertrag mit den ehemaligen Besitzern hat Vaudroz übrigens in Büros unterschrieben, die er kennt: am Sitz der Genfer Wirtschaftsförderung. Denn er war während dreier Jahre oberster Wirtschaftsförderer des Kantons. Er hat die Stelle auf dringende Bitten des Staatsrates angetreten und den Berufswechsel sogleich als Chance begriffen: Indem er die Gruppenleitung vorübergehend ans Management delegierte, bereitete er seine Kaderleute auf die wachsenden Aufgaben in seiner stetig grösser werdenden Firmengruppe vor.

Für seinen überraschenden sitzgewinn macht Vaudroz die intelligente und integrative Kampagne der Genfer CVP verantwortlich. Der zeitweilige Parteipräsident ist denn auch überzeugt, dass sich Erfolge in Politik und Wirtschaft nur mit gemeinsamen Kräften erzielen lassen. Entsprechend wenig hält er von «Politik-Geschnetzeltem» nach Zürcher Art. Für ihn ist die konfrontative Politik der Blocher-SVP keine prüfenswerte Alternative. Zudem bezweifelt er, dass der Blocher-Flügel an konkreter Verantwortung überhaupt interessiert sei. «Das ist eine reine Protestbewegung.»

Wie Vaudroz sehen es viele KMU-Chefs. Aber während die einen im Kantonalzürcher SVP-Boss einfach eine «lustige Figur» sehen, zeichnen andere ein durchaus düsteres Bild. Peter Wiedmer, Chef der Insys, einer jungen Berner Hightech-Firma, die Roboterzellen produziert, sagt kurz und bündig: «Die rückwärts gewandte Stimmungsmache der SVP schadet uns KMU ganz konkret.»

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