Ein Vorgesetzter geht an den Computer einer Mitarbeiterin, ist mit wenigen Klicks in ihrem privaten E-Mail-Postfach und entdeckt Böses: Die Mitarbeiterin zerreisst ihr Maul über Chef und Kolleginnen, über Betrieb und Produkt auf ungehemmte Art und Weise Externen gegenüber.

Natürlich fliegt die Frau in hohem Bogen, auch das Gericht stellt sich voll und ganz hinter den Vorgesetzten, der Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiterin aber wird nie angesprochen. Und die Gründe, die zu ihrem schriftlich festgehaltenen Unmut und unkollegialen Verhalten geführt haben, schon gar nicht.

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Dies ist einerseits ein Beispiel für privates Verhalten am Arbeitsplatz, das den Betrieb gefährden könnte, und anderseits ein Beispiel für eine Verletzung der Privatsphäre der Mitarbeitenden. So geschehen vor einigen Jahren, als die private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz noch allergrösste Verunsicherung und Ängste auslöste.

«Mittlerweile ist diese Frage nicht mehr so aktuell», weiss Kosmas Tsiraktsopoulos, Leiter Information beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Denn mittlerweile hätten die meisten Unternehmen eine Nutzungsregelung für die private Nutzung der elektronischen Medien am Arbeitsplatz erlassen und der Datenschutzbeauftragte einen ausführlichen Leitfaden veröffentlicht.

Alles unter Kontrolle

Dennoch: Die technische Kontrolle der Mitarbeitenden, sei dies ihre Internet- oder E-Mail-Nutzung oder auch die Videoüberwachung, ist verbreitet. Im Jahr 2001 gaben in den USA 78% der befragten Firmen an, ihre Mitarbeiter elektronisch zu überwachen. Allerdings greift in den Vereinigten Staaten der gesetzlich geregelte Schutz der Persönlichkeit am Arbeitsplatz nicht so weit wie hier zu Lande.

Hier gilt es, gemäss dem Datenschutzbeauftragten, die Privatsphäre und den Datenschutz «nicht unnötig» zu verletzen. Eine permanente Überwachung sei auch gemäss Obligationenrecht nicht erlaubt, ausser es handle sich um Daten, die tatsächlich erforderlich sind, führt Tsiraktsopoulos weiter aus.

Etwa bei den Sortieranlagen der Post oder bei der Geldproduktion ist eine Videoüberwachung zulässig. Die Fragwürdigkeit der permanenten Überwachung lasse sich auch mit einem Vergleich zum Strassenverkehr zeigen, meint Tsiraktsopoulos: «Nicht jeder, der auf die Autobahn fährt, ist ein potentieller Raser.»

Mündige Mitarbeiter

Bei der kantonalen Verwaltung des Kantons Zürich regelt eine Verordnung unter anderem die private Nutzung von Internet und E-Mail. Dort heisst es, die Mitarbeitenden «beschränken sich auf ein Minimum und halten sich kurz». Was auf ein gesundes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden hinweist. «Wir gehen von mündigen Mitarbeitenden aus», erklärt denn auch der Leiter des Personalamts, Stephan Häner.

Dennoch steht in der Verordnung explizit, dass am Arbeitsplatz nicht privat gechattet werden darf. Und der Leiter des Rechtsdienstes, Ernst Danner, fügt an, dass anonyme Auswertungen der Internetnutzung auch für die kantonale Verwaltung des Kantons Zürich mit ihren mindestens 30000 Angestellten jederzeit möglich seien. «Allerdings nicht personenbezogen», räumt Ernst Danner ein, «das dürfen wir nur nach ausdrücklicher Abmahnung der betroffenen Mitarbeitenden und für längstens drei Monate.»

«Entspannungsfunktion»

Technisch ist ein hohes Mass an Kontrolle also möglich, doch ist diese auch nützlich? Kontrolle ist nicht zuletzt das Gegenteil von Vertrauen. Die Mitarbeiter zu kontrollieren heisst auch, mit der Möglichkeit des Missbrauchs zu rechnen. Je nach Betrieb variiert die Spannweite zwischen Kontrolle und Vertrauen.

«Zu enge Grenzen können zu Unwillen und Ineffizienz führen», erklärt Gudela Grote, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich. Negativ kann sich im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch Geheimnistuerei auswirken. «Denn wird versteckt kontrolliert und findet der Arbeitnehmer das heraus, führt es seinerseits zum Verstecken», ist Gudela Grote überzeugt.

Vielmehr habe privates Verhalten am Arbeitsplatz auch eine Entspannungsfunktion. Im Sinne von: Wenn man noch schnell einen Flug buchen kann, hat man zwar etwas Privates während der Arbeitszeit erledigt, ist aber vielleicht am Abend eher gewillt, etwas länger zu bleiben.

Gudela Grote erinnert daran, dass es auch die Eigenkontrolle gibt. Der grösste Teil der Arbeitnehmenden kontrolliert sich selbst wohl am besten, denn er ist mit dem Arbeitgeber auch einen psychologischen Vertrag eingegangen, in dem gegenseitige Loyalität eine wichtige Rolle spielt. Von diesem Vertrag und seiner beidseitigen Erfüllung hängt auch die Motivation ab.

Gute Gründe für Kontrolle

Einen Schritt weiter müssen jene Unternehmen gehen, für die ein Missbrauch fatal wäre. Bei der Swiss darf das fliegende wie auch das Bodenpersonal acht Stunden vor Abflug keinen Alkohol, keine Drogen und keine Schmerzmittel nehmen. In den Flughäfen müssten die Swiss-Angestellten mit spontanen Kontrollen rechnen, die Swiss selbst mache von sich aus nur eine Kontrolle, wenn ein Verdacht bestehe, erklärt Sprecherin Elle Steinbrecher. Stellt sich der Blastest dann aber als positiv heraus, kommt dies einer Verletzung der Dienstpflicht gleich. Besteht das Problem, verfügt die Swiss über ein spezielles Unterstützungsprogramm für die betroffene Person. Die Teilnahme an diesem Programm sei die einzige Chance, um den Arbeitsplatz zu behalten, so Elle Steinbrecher.

Die Arbeitspsychologin Gudela Grote bringt die Frage der Mitarbeiterkontrolle auf einen Nenner: «So viel Vertrauen wie möglich, so viel Kontrolle wie nötig.» Eine Gratwanderung, die durch eine transparente Kommunikation erleichtert wird. Denn wo ein Chef im privaten E-Mail-Postfach seiner Mitarbeitenden herumstöbert, liegt wohl einiges im Argen.

Veranstaltungshinweis

Mitarbeiterkontrolle im Spannungsfeld von Arbeitsrecht und Datenschutz ist das Thema einer Euroforum-Fachtagung Anfang Dezember. Unter dem Tagungsvorsitz von Gabriela Wyss (Wyss & Häfeli Rechtsanwälte) referieren Datenschutzbeauftragte und Rechtsanwälte über Fragen wie datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen, Internet-, E-Mail- und Telefonüberwachung, Informationsbeschaffung bei der Personalauswahl, Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum, Absenzenmanagement.

Termin: 2. bis 3.12.2004

Preis: 2595 Fr.

Ort: Swissôtel Zürich, Am Marktplatz, Zürich-Oerlikon

Anmeldung:

Euroforum HandelsZeitung Konferenz AG, Postfach, Seestrasse 344, CH-8027 Zürich

E-Mail: anmeldungen@euroforum.com; www.euroforum.ch