Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Mit der Covid-19-Pandemie betraten die globalen Finanzmärkte absolutes Neuland. Aus der Geschichte konnten keine «Drehbücher» für die zukünftige Markentwicklung abgeleitet werden. Der Umgang mit dieser Unsicherheit gestaltet das Anlegen äusserst schwierig.
Auch jetzt, Monate nach dem Ausbruch, beschäftigt die Covid-19-Krise die Finanzmärkte weiterhin zur Gänze. Sogar die US-Wahlen werden kaum wahrgenommen. Je länger die pandemiebedingten Massnahmen und Unsicherheiten bestehen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit stark negativer Folgen für den Arbeitsmarkt und letztlich für die Gesamtwirtschaft und die Finanzmärkte.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Der Schweizer Aktienmarkt, gemessen am SMI, hat seit seinem Tiefstand im März mehr als 4000 Indexpunkte zugelegt. Der Vorteil seiner defensiven Ausrichtung hat stark zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Nun scheint aber viel Positives bereits in den Kursen vorweggenommen zu sein.
Der Aktienmarkt reagiert sehr sensitiv auf die Liquiditätsschwemme der Zentralbanken, auf steigende oder fallende Infektionszahlen und auf die Entwicklung eines Impfstoffs. Es ist viel Hoffnung auf eine baldige, starke Erholung der Wirtschaft in den Märkten eingepreist, die Risiken werden tendenziell vernachlässigt – auch, weil die Anleger davon ausgehen, dass die Staaten auch in Zukunft stützende Massnahmen ergreifen werden.
Die positive Anlegerstimmung birgt aber viel Raum für Enttäuschungen, und damit könnten Gewinnmitnahmen am Aktienmarkt zu tieferen Kursen führen. Somit bleibt die Volatilität am Aktienmarkt weiterhin überdurchschnittlich hoch. Eine vorsichtige Positionierung, welche «Sicherheit vor Rendite» setzt, ist weiterhin empfehlenswert.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Angesichts der Pandemie ist eine weitere Entwicklung schwierig vorauszusagen. Heute weiss niemand, wie die gesundheitliche Situation in einem Jahr aussehen wird. Ein zweiter Lockdown wäre ein weiterer herber Rückschlag für die Wirtschaft und die Märkte. Klar ist aber auch, dass der Anlagenotstand aufgrund des Tiefzinsumfeldes und die anhaltende Liquiditätsschwemme der Zentralbanken unterstützend für die Aktienmärkte sind.
Die Mehrheit der Schweizer Unternehmen hat ihre Halbjahreszahlen vorgelegt. Welche Firmen haben besser gewirtschaftet als erwartet – und gibt es Gesellschaften, die im zweiten Halbjahr für Überraschung sorgen könnten?
Logitech und Lonza gehören zu den Firmen, die im ersten Halbjahr 2020 von den Lockdowns profitieren konnten.
Logitech verbuchte als Hersteller von Peripheriegeräten wie Computermäusen und Tastaturen vorab im zweiten Quartal einen Wachstumsschub durch den «Homeoffice-Effekt» und steigerte den Umsatz zum Vorjahr um rund 23 Prozent und den Ebit um 75 Prozent.
Der Spezialitätenchemiehersteller Lonza profitierte als Pharmazulieferer von der erwarteten steigenden Nachfrage nach Wirkstoffen im Kampf gegen den Virus und steigerte den organischen Umsatz im ersten Halbjahr um 7,7 Prozent und den Ebit um 21,4 Prozent.
Das zweite Halbjahr hängt stark von der globalen Weiterverbreitung beziehungsweise der Eindämmung der Corona-Pandemie ab. Die grössten Gewinner werden ohne Zweifel die Unternehmen sein, welche einen Impfstoff oder eine Behandlung gegen Covid-19 entwickeln werden.
Der Dollar zeigt Schwäche – auch gegenüber dem Franken. Was halten Sie von Einschätzungen, wonach der Greenback seinen Status als globale Reservewährung verlieren könnte?
Die USA sind momentan mit ihrer Politik gegenüber China beziehungsweise mit dem Verlauf der Covid-19-Krise starkem Gegenwind ausgesetzt, was sich unter anderem auch im Dollar zeigt. Die sehr lockere Geldpolitik der US-Zentralbank und die anstehenden, wichtigen US-Präsidentschaftswahlen tragen ihren Teil zur Schwäche des Dollars bei.
Dies sind kurzfristige Faktoren. Der Dollar wird nicht von heute auf morgen den Status der Reservewährung verlieren. Doch eine mögliche Rückstufung des Ratings der USA, die Deglobalisierung oder eine massive Geldentwertung könnten die seit 2000 anhaltende Abwertung verstärken und die Wichtigkeit des Dollars weiter schwächen.
Investitionen in Schweizer Immobilien sind sehr beliebt. Entsprechend hoch sind die Preise. Raten Sie dennoch zu solchen Anlagen – und wenn ja, in welcher Form?
Mit Immobilien konnten aufgrund des Preisanstiegs in den letzten Jahren überdurchschnittlich gute Anlagerenditen erzielt werden. Diese Attraktivität bleibt wegen der negativen Renditen auf Nominalwerten weiterhin bestehen. Mit regionalen und nutzungsspezifischen Unterschieden präsentiert sich der Immobilienmarkt weiterhin robust.
Wesentlich ist auch bei Immobilienanlagen eine möglichst breite Diversifikation. Eine solche kann mit der Investition in Immobilienfonds erreicht werden. Dabei ist das jeweilige Produkt als Ganzes zu beurteilen. Wesentliche Faktoren für eine nachhaltige Ertragssicherung sind Standort, preisliche Attraktivität bezüglich dem Preisaufschlag sowie Mieter- und Nutzungsstrukturen des Immobilienportfolios, aber auch das Management und die Kommissionen des Fonds gilt es zu berücksichtigen.
Was halten Sie von Fussball-Aktien wie Borussia Dortmund, Manchester United, Ajax Amsterdam oder FC Kopenhagen?
Bei der Aktienselektion setzen wir diszipliniert unseren Selektionsprozess um, welcher einen auf Qualität fokussierten Anlagestil verfolgt. Dabei investieren wir in qualitativ hochwertige Unternehmen. Diese zeichnen sich durch eine solide Finanzierung, eine starke Marktposition sowie hohe Visibilität und Kontinuität bezüglich Gewinnen aus. Solche Aktien sind absolute Liebhaberaktien, die aber unseren Anforderungen nicht entsprechen.
Das Interview wurde schriftlich geführt.