Rund 60 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Kleider-, Schuh-, und Textilindustrie für grosse Markenfirmen, und sie stellen auch Produkte für Schweizer Unternehmen wie Charles Vögele, Tally Weijl, Triumph oder Strellson her. Dass dabei oft schlechte Löhne bezahlt werden, ist ein offenes Geheimnis.
Viele Näherinnen verdienen täglich nur wenige Franken. Sie sind in der Armutsspirale gefangen – dies obwohl die Textil- und Bekleidungsindustrie mit den Produkten Milliardengewinne erzielt. Das Recht auf einen existenzsichernden Lohn – der «Existenzlohn» – wird dabei millionenfach missachtet, moniert die Erklärung von Bern (EvB) in einer neuen Studie.
Unwürdige Situation in Osteuropa
Von den unwürdigen Arbeitsbedingungen sind keineswegs nur Arbeiterinnen in Ostasien betroffen. Auch in Osteuropa und in der Türkei reicht der Lohn der Näherinnen oftmals nicht zum Überleben. Dies zeigt der Bericht den die EvB in Zusammenarbeit mit der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC) erstellt hat.
Zwar bezahlen die Firmen den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser ist aber in vielen Ländern dermassen tief, dass er zum Leben nicht reicht. 2013 lag der Mindestlohn in Bulgarien, Mazedonien und Rumänien unter demjenigen von China. In Moldawien und in der Ukraine ist der Mindestlohn sogar tiefer als in Indonesien.
Frauen werden ausgebeutet
Viele Familien in Osteuropa hängen von den Jobs in der Bekleidungsindustrie ab, da sie häufig das einzige regelmässige Einkommen des Haushalts einbringen. Die Untersuchung ergab, dass insbesondere Frauen betroffen sind. Ihre Arbeit wird nicht anerkannt und gilt als blosses Zusatzeinkommen. Allerdings sind laut EvB die meisten Arbeiterinnen alleinerziehende Mütter oder ernähren die ganze Familie. Die Arbeitsstelle zu verlieren, ist für diese Frauen keine Option.
In ihrer heute lancierten Kampagne fordert die EvB zusammen mit der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC) die europäischen Modefirmen auf, in all ihren Lieferketten weltweit einen Existenzlohn zu bezahlen. «Die Firmen nehmen den Existenzlohn nicht ernst», sagte Christa Luginbühl von der EvB gegenüber dem Konsumentenmagazin «Espresso» auf Radio SRF 1. «Die überwiegende Mehrheit hat seit unserem letzten Bericht 2010 keine konkreten Schritte unternommen».
Viele Schweizer Firmen sind «ungenügend»
Für den Bericht 2014 haben die EvB und die CCC erneut 18 führende Schweizer Kleiderfirmen unter die Lupe genommen. Keine der kontaktierten Firmen konnte dabei umfassende Bemühungen vorweisen, die bereits zu einem bedeutenden Lohnanstieg in Richtung Existenzlohn für die Arbeiterinnen in den Fabriken geführt hätten.
Die Mehrheit der Firmen wird im Bericht mit «ungenügend» bewertet. Calida, Charles Vögele, Chicorée, Manor, Migros, PKZ, Schild, Strellson, Triumph und Zebra setzen sich kaum für die Bezahlung eines Existenzlohnes ein. Metro Boutique, Tally Weijl und Yendi haben den Fragebogen nicht einmal beantwortet.
Ausnahme Switcher
Etwas besser schnitten im Vergleich dazu Blackout, Coop und Nile ab, die laut Bericht immerhin die Notwendigkeit eines Existenzlohnes anerkennen würden. Remei attestiert die EvB zumindest «erste Ansätze», die aber noch nicht überzeugend seien.
Nur eine Firma – Switcher – hat ein Pilotprojekt gestartet und versucht die Löhne mit einem Bonussystem zu erhöhen. 1 Prozent des Fabrikpreises der Produkte wird in einen Fonds eingezahlt und einmal pro Jahr direkt an die Arbeiterinnen weiter gegeben.