Es war eine Rolle, bei der es nichts zu gewinnen gab. Vor gut einem Jahr fiel Daniel O’Day, CEO des amerikanischen Biotech-Unternehmens Gilead, die undankbare Aufgabe zu, mit dem Virushemmer Remdesivir als Erster ein Preisschild an ein Medikament gegen Covid-19 heften zu müssen. Sein Dilemma war offensichtlich: Mit einem Schleuderpreis hätte er sich als Held der Pandemie feiern lassen können. Dafür hätte ihm anschliessend das Geld gefehlt für die Erforschung und Entwicklung neuer Therapien gegen andere Krankheiten. Mit einem Preis, der dem medizinischen Nutzen entsprach, hätte er sich zwar zum Buhmann gemacht, dafür hätte er seinen Forschungschef und seine Aktionäre glücklich gemacht.
Es ist Zeit, den Katastrophenmodus zu verlassen
Daniel O’Day entschied sich damals für einen Mittelweg: nicht zu hoch, nicht zu tief – ein Preis, der unter dem lag, was der medizinische Nutzen eigentlich erforderlich gemacht hätte, der aber doch so hoch lag, dass es unternehmerisch vertretbar war. Das war, vor dem Hintergrund der sich damals rasant ausbreitenden Pandemie, richtig. Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliches Denken – das galt in diesem Moment auch für ein gewinnorientiertes Pharmaunternehmen wie Gilead.
Inzwischen aber haben sich die Dinge geändert. Covid-19 ist, zumindest bei uns, nicht mehr die epochale Bedrohung für die öffentliche Gesundheit von damals. Gewiss, die Pandemie wird uns noch eine Weile auf Trab halten. Delta wird wohl kaum die letzte neue Sars-CoV-2-Variante sein, die uns noch zu schaffen machen wird. Aber die Chancen stehen gut, dass sich Corona bei uns schon bald zu einem Gesundheitsproblem wie andere entwickeln wird, etwa Krebs oder Alzheimer.
Zeit also, den Katastrophenmodus zu verlassen und den Weg zurück zur Normalität anzutreten. Das gilt nicht nur für die Beschränkungen von Grundrechten, die angesichts steigender Impfquoten und tiefer Fallzahlen je länger, je weniger gerechtfertigt sind. Das gilt, zumindest in unserer kleinen mitteleuropäischen Welt, auch für die Frage, wie Arzneimittel gegen Corona bepreist werden sollen. Denn: Jeder Spezialpreis, der hier gemacht wird, führt dazu, dass an anderer Stelle weniger Geld zur Verfügung steht, etwa für die Forschung an Therapien gegen andere, nicht minder verheerende Krankheiten.
Moderna und Biontech erhöhen die Preise
Moderna und Biontech haben den Preis für ihre Impfstoffe in der EU erhöht, wie dieser Tage bekannt wurde. Gut so. Der Shot von Moderna wird neu 25,50 Euro kosten statt 22,60 wie bei der ersten Beschaffung, berichtet die «Financial Times»; der Preis für Biontech steigt von 15,50 auf 19,50 Euro. Das ist noch immer ein Klacks im Vergleich zu den volkswirtschaftlichen Kosten, die ohne Impfstoff entstehen würden. Wichtiger aber noch: Vom Geldsegen sollen andere Patienten und Patientinnen profitieren. Biontech-Gründer Ugur Sahin will nämlich allein im zweiten Halbjahr bis zu 1,5 Milliarden Euro in neue Therapien investieren. Schwerpunkt: Onkologie.