Die Besorgnis in der Union über die Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) wächst. Nachdem die neue Konkurrenz im bürgerlichen Spektrum zunächst nicht durch Kommentare aufgewertet werden sollte, warnen mittlerweile führende Politiker wie Finanzminister Wolfgang Schäuble davor, dass Stimmen für die AfD bei der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Mehrheit verhindern könnten.
Die Angst hat einen realen Hintergrund: Am Montag wurde die neue Partei in einer Umfrage des Forschungsinstituts INSA für «Bild» zum ersten Mal bei fünf Prozent taxiert – sie zöge also in den Bundestag ein.
Die Sorge der Partei Angela Merkels hat aber noch einen anderen, brisanten Hintergrund. Das zeigt ein internes Dokument, das in der vergangenen Woche an Landesvorsitzende und ausgesuchte Spitzenfunktionäre verschickt wurde und der «Welt» vorliegt: Eine 24-seitige Analyse, erstellt von der Hauptabteilung Politik und Beratung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Titel: «Die neue Partei ‹Alternative für Deutschland› – Entstehung, Programm und Bewertung».
Früher war die FDP die «Mövenpick-Partei»
Darin wird ein gravierender Verdacht artikuliert. Den Wahlkampf der AfD könnte ausgerechnet ein alter Bekannter der schwarz-gelben Koalition finanzieren: August von Finck. Dieser bayerische Milliardär, der längst in der Schweiz lebt, soll einst Franz Josef Strauss und Edmund Stoiber, dann aber vor allem der FDP mit grossen Spenden geholfen haben.
Er ist der Besitzer des Hotel- und Gastronomiekonzerns Mövenpick und gilt deshalb im politischen Berlin als einer der Hauptprofiteure der von der Koalition vor knapp vier Jahren durchgesetzten Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen. Vor allem die FDP wurde anschliessend monatelang von der Opposition als «Mövenpick-Partei» verspottet.
Ist nun die AfD die neue, die wahre Mövenpick-Partei? Die CDU scheint dies zu fürchten, denn in dem Papier der Konrad-Adenauer-Stiftung wird Finck als Unterstützer der AfD aufgeführt: «Es ist durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, dass Finck den Wahlkampf der AfD nicht an finanziellen Hindernissen scheitern lassen wird», wird in einer Anlage des Dokuments gewarnt: Die Partei werde «für ihren von Marketingagenturen eingekauften und professionellen Wahlkampf viel Geld brauchen».
August von Finck wurde über die AFVF-GmbH seines Generalbevollmächtigten Gerd Amstätter von der «Welt» mit diesen Aussagen konfrontiert, gab jedoch keine Stellungnahme ab.
«Ich habe noch nie grösseren Unfug gehört»
Die Rechercheure der Adenauer-Stiftung wollen auch eine bereits existierende Verbindung der AfD zum Mövenpick-Konzern gefunden haben: Beatrix von Storch, die als Vorsitzende der sogenannten Zivilen Koalition, einer Organisation, die viele Anti-Euro-Kampagnen initiiert hat, und als Unterstützerin auf der Webseite der AfD geführt wird. «Die Adresse der Zivilen Koalition stimmt mit der PR-Abteilung von Mövenpick Germany, das zum August-von-Finck-Imperium gehört, überein», steht in dem Dokument, mit dem sich die CDU-Politiker auf die Auseinandersetzung mit der Newcomer-Partei vorbereiten.
Der Mövenpick-Konzern wies dies auf Anfrage der «Welt» zurück: «Die fragliche Adresse ist uns nicht bekannt», sagte eine Sprecherin. Weitere Kommentare lehnte das Unternehmen ab. Beatrix von Storch dementierte auch zunächst: «Ich habe noch nie grösseren Unfug gehört.» Ihre Zivile Koalition habe nichts mit Mövenpick zu tun.
Eine Stunde später meldete sich von Storch aber erneut. Erst nach der Anfrage der «Welt» habe sie ihrerseits durch Nachfragen erfahren, dass «in dem Haus, in dem wir unser Büro haben, auch die Firma Lottmann PR ihr Büro hat, die unter anderem Mövenpick betreut. Jede Mutmassung daraus geht aber fehl.»
Harsche inhaltliche Kritik der Adenauer-Stiftung
Die Alternative für Deutschland selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück: «Ich habe keine Informationen darüber, dass es zurzeit irgendwelche Kontakte zu Herrn von Finck oder seinen Unternehmen gibt», sagt Frauke Petry, Pressesprecherin und Vorstandsmitglied der jungen Partei.
Die AfD werde von Mitgliedsbeiträgen und Spenden aus dem Mittelstand finanziert: «Wir haben bisher weder Spenden von Herrn von Finck noch von einem seiner Unternehmen erhalten.» Die CDU scheue wohl die inhaltliche Auseinandersetzung über die Euro-Rettungspolitik.
Tatsächlich geht die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung mit der AfD auch inhaltlich hart ins Gericht. Sie sei keine Basisbewegung, sondern eine «Partei von oben», mit einem erheblichen Defizit an innerparteilicher Demokratie: «Auftreten, Programm und Kommunikation kommen eher einer Marketing-Kampagne als einer politischen Bewegung gleich.»
Die AfD sei ein «Zusammenschluss von Wirtschaftsprofessoren und anderen Elitevertretern, die zuvor bereits in unterschiedlichen euroskeptischen und national-konservativen Bewegungen eine Rolle gespielt haben». Die Basis könne sich nicht wirklich einbringen: «Echte Programmdiskussionen und inhaltliche Mitwirkungen der gerade erst mobilisierten neuen Parteimitglieder scheinen unerwünscht.»
Und: Die Mitglieder der AfD zeigten sich «ausgesprochen folgsam und fast schon obrigkeitshörig». «Die (...) Führung um Bernd Lucke entwickelt die AfD damit in offenbar erster Linie zur Plattform für das Ausrollen einer bereits durchgeplanten und zentral geführten Anti-Euro-Kampagne vor der Bundestagswahl.» Über Parteisprecher Bernd Lucke heisst es: «Luckes Wort war auf dem Parteitag Gesetz.»
Studie sieht Medien als AfD-Verbündete
Das «Wählerpotenzial der neuen Partei» sei «bisher kaum einzuschätzen», heisst es weiter. Die Union müsse sie jedoch in jedem Fall ernst nehmen: «Der Blick ins europäische Ausland zeigt, dass neue Bewegungen mit populistischem Einschlag durchaus schnelle Erfolge verzeichnen können.» Die AfD habe mit der Ablehnung der Euro-Rettung zwar nur ein echtes Thema, dafür aber mächtige Unterstützer, nämlich die Medien.
Im Tonfall einer Verschwörungstheorie schreiben die Autoren der Studie, die «fast schon euphorische Berichterstattung vor allem in Welt, FAZ und Handelsblatt habe für eine gewisse Aufmerksamkeit» gesorgt: «Bisher konnte die AfD geschickt von der medialen Überschätzung und von der übertriebenen Wahrnehmung als vermeintlich grosser Gefahr für das bürgerliche Lager profitieren.»
Ein Duell um bürgerliche Wähler solle herbeigeschrieben werden: «Die Unionsfamilie sollte sich nicht von interessierter Seite in Diskussionen um angebliche enttäuschte und konservative Anhänger und ehemalige Mitglieder in der AfD hineinziehen lassen.»
Die Autoren empfehlen der CDU indes, im Bundestagswahlkampf einen «polarisierenden Wettbewerb» mit Rot-Grün zu inszenieren, in dem auch unterschiedliche Konzepte zur Euro-Rettung herausgearbeitet würden. Dies scheine «ein besser geeignetes Rezept zur Auseinandersetzung mit der AfD zu sein als ein direktes Reagieren auf die Pauschalangriffe der AfD».