Seit September 2003 weiss das Schweizer Volk, wie Gentech-Debatten im Parlament verlaufen: Jean-Stéphane Bron zeigte mit seinem Dokumentarfilm «Mais im Bundeshuus» auf spannende Art, wie die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats um ihren Entscheid zur Gen-Lex kämpfte.
Der Politkrimi machte aus Protagonisten der Berner Bühne nationale Stars: Von St.Gallen bis Genf sprach das Publikum von der grünen Bio-Bäuerin Maya Graf aus dem Baselbiet, dem freisinnigen Basler Novartis-Kadermann Johannes Randegger, dem Luzerner SVP-Landwirt Josef Kunz und dem christdemokratischen Lausanner ETH-Professor Jacques Neyrinck.
Hätte Neyrinck im Herbst 2003 seine Wiederwahl nicht verpasst, gehörte er jetzt wieder zusammen mit Graf, Randegger und Kunz zu den Hauptdarstellern im Nachfolgefilm «Mais II im Bundeshuus», der gäbe es ihn die parlamentarische Auseinandersetzung um die Gentech-Initiative dokumentierte.
Bei «Mais II» würde im Nationalrat zusätzlich der Luzerner Philosoph und SP-Nationalrat Hans Widmer ins Rampenlicht rücken. Er präsidierte die WBK, die mit 13 zu 10 Stimmen dem Nationalrat Annahme der Initiative mit der Begründung empfohlen hatte, gentechnisch veränderte Produkte würden von den Konsumenten nicht akzeptiert. Die Gegenposition vertraten namentlich Johannes Randegger und Ruedi Noser (FDP), Hans Rutschmann (SVP) sowie Brigitte Häberli-Koller und Josef Leu (CVP). Die Schweizer Pflanzenforschung, die zur Weltspitze gehöre, dürfe nicht gefährdet werden, lautete ein Argument. Eine Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen sei möglich, was auch im Interesse der Bauern sei.
In ihrem Votum warf Maya Graf ihrem Gegenspieler Randegger vor, man kenne seine Verzögerungstaktik aus dem «Mais»-Film und werde sich hüten, darauf hereinzufallen. Unterstützung im Kampf für eine gentechnikfreie Landwirtschaft erhielt Graf von Josef Kunz und dem Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbands, Hansjörg Walter, sowie den Bünder Bauern Hansjörg Hassler (ebenfalls SVP) und Andrea Hämmerle (SP). Man dürfe diesen Trumpf nicht leichtsinnig gefährden. In der Schlussabstimmung ergab sich im Nationalrat mit 92:92 ein Patt. Ratspräsidentin Thérèse Meyer (CVP) fällte den Stichentscheid zugunsten der Meinung des Bundesrats, Ablehnung der Volksinitiative.
Im Ständerat, der die Initiative klar mit 35 gegen 10 Stimmen ablehnte, war die Kontra-Debatte namentlich von Kommissionssprecherin Christiane Langenberger (FDP) sowie vom Zuger CVP-Ständerat und Landwirtschaftslehrer Peter Bieri sowie von der Luzerner FDP-Frau Helene Leumann geprägt worden. Für die Initiative sprach sich aus Sicht der Konsumenten primär die Berner SP-Vertreterin Simonetta Sommaruga aus.
Auswirkungen eines Neins: Hoher Schaden
Für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz wäre die Annahme des Gentech-Moratoriums verheerend. Bernd Schips, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (Kof), spricht deutliche Worte. Den volkswirtschaftlichen Schaden kann er zwar nicht beziffern, doch gibt es seiner Meinung nach ein paar klare Anhaltspunkte. Erstens sind die Pharma- und die Chemiebranche von Innovationen und somit von Grundlagenforschung abhängig. Wenn nun Forschungsresultate nicht mehr in der Praxis umgesetzt werden können, sinkt die Attraktivität des Forschungsstandorts Schweiz rapid. Wissenschafter setzen sich ins Ausland ab. Das würde zweitens ein falsches Signal auch an die ausländischen Investoren senden, die erhebliche Mittel in die hiesige Pharma- und Chemieforschung investieren. Schips erinnert daran, dass es gerade diese Branchen sind, die in den letzten Jahren dank Innovationen keinen Beschäftigungsrückgang verzeichneten. Man kann sich die Frage stellen, so ein Gedankenexperiment, wo die Schweiz heute stände, wenn unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert aus ähnlichen Überlegungen wie die heutigen Gentech-Gegner der biologischen und chemischen Forschung einen Riegel vorgeschoben hätten, den Wachstumsbranchen von heute. (pi)