Die Mehlwirtschaft kann weit gehend nur binnenwirtschaftlich tätig sein», erklärt Guy Emmenegger, der Sekretär des Dachverbands Schweizerischer Müller (DSM). Ein Blick auf die Rahmenbedingungen verrät: Der Markt für Brotgetreide ist zwar in der Schweiz seit drei Jahren «liberalisiert». Das heisst aber nur, dass die Müller nicht mehr bei der Getreideverwaltung des Bunds einkaufen müssen, sondern direkt bei den Bauern. Weiterhin geschützt sind die Preise. Hohe Zölle sorgen dafür, dass eingeführtes Brotgetreide in der Schweiz dreimal so viel kostet wie in den EU-Ländern. Am Importpreis orientiert sich der Inlandpreis: Schweizer Getreide ist jeweils geringfügig billiger als Importgetreide. Der Grenzschutz und die landwirtschaftlichen Direktzahlungen helfen zwar den Bauern, engen aber den Aktionsradius der Müller arg ein.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Hälfte für drei Grosse

In der Branche geht seit Jahren schon eine starke Strukturbereinigung über die Bühne. Die Zahl der Mühlen hat sich in den letzten 30 Jahren von mehr als 200 auf heute 85 verringert. Ein Ende des Prozesses ist noch nicht in Sicht. Noch immer gibt es viele kleine und mittlere, aber nur wenige grosse Betriebe. Die 32 kleinsten Mühlen, die jeweils weniger als 500 t pro Jahr verarbeiten, kommen zusammen auf einen Marktanteil von 1,5%. Die «Big Three» Swissmill, Groupes Minoteries SA und Meyerhans & Hotz hingegen, die aus dem Konzentrationsprozess beim Brotgetreide in den letzten Jahren hervorgegangen sind, behaupten bereits über die Hälfte des Marktes. Beim Futtergetreide beherrschen Fenaco und Provimi/Cargill ebenfalls über die Hälfte des Marktes.

«Es wird auf diesem gesättigten Markt bereits um kleinste Mengen heftig gerungen», betont Diego Della Ca, CEO von Meyerhans & Hotz in Weinfelden, die jährlich rund 80000 t Getreide verarbeitet. Regional ist die Strukturbereinigung unterschiedlich fortgeschritten. Vor allem im Raum Bern gibt es noch (zu) viele Mühlen. Besonders mit Strukturproblemen kämpfen häufig die mittleren Mühlen, die im Verhältnis zu den Fixkosten zu geringe Mengen verarbeiten können.

Bessere Chancen räumen Branchenexperten überraschend den Kleinmühlen ein. Diese profitieren in der Regel von geringen Logistikkosten sowie der besonderen Nähe zu ihren Kunden. Gewisse Kleinmühlen können sich auch mit einem bestimmten Spezialmehl für ein Spezialbrot behaupten. «Dank dem riesigen Angebot von ein paar Hundert verschiedenen Brotsorten hat es in der Schweiz durchaus Platz für eine breite Palette von unterschiedlichen Mühlen», glaubt Emmenegger.

Convenience-Food macht Müllern Bauchweh

Trotzdem kann sich in dieser Branche niemand zurücklehnen, auch keiner der Grossen. Die Groupe Minoteries, mit 190 Beschäftigten, 100000 t verarbeitetem Getreide und einem Umsatz von 123 Mio Fr. bedeutendster Mehllieferant fürs Gewerbe, spürt den Strukturwandel in der Bäckereibranche und die sich verändernden Essgewohnheiten der Konsumenten. «Wenn die Bäcker Anteile an Bahnhöfe, Tankstellenshops und den ganzen importierten Convenience-Bereich mit den Aufbackwaren verlieren, müssen auch die Müller büssen», sagt Wolfgang Martz, Chef der Groupe Minoteries SA. Die börsenkotierte Firma hält aber dagegen, indem sie Bäckereien bei der Finanzierung und Vermarktung hilft und neue Brotkonzepte entwickelt. Mit Erfolg: Das auf einer neuen Mehlmischung basierende Paillasse-Brot ist längst zu einem Renner geworden.

Die grossen Mühlen liebäugeln auch trotz Grenzschutz und hoher Kosten in der Schweiz immer mehr mit dem Ausland. Die Groupe Minoteries exportiert die Tiernahrung «Pet-Food» in 13 Länder. Meyerhans & Hotz beliefert Deutschland mit einem Spezialmehl. Exportchancen gibt es auch über die Produkte der zweiten Verarbeitungsstufe wie Biskuits, Suppen, Fertigteige. Hier spielt das «Schoggigesetz»: Die Differenz zum internationalen Getreidepreis wird beim Export den Produzenten vom Bund rückerstattet. Die Erzeugnisse aus der Schweiz bleiben so trotz Rohstoffhandicap einigermassen wettbewerbsfähig.

Intakte Chancen in Europa

Um die Absatzmöglichkeiten über diesen Kanal auszuschöpfen, müssen aber die Müller die Nahrungsmittelindustrie beliefern können. Besonders erfolgreich tut dies die Swissmill, eine Division der Coop-Gruppe. Sie verarbeitet 200000 t jährlich, mit nur 90 Beschäftigten, und kommt so auf 150 Mio Fr. Umsatz. Die Hälfte davon erzielt sie mit Coop-Betrieben.

Das Geschäft mit den Kleinbäckereien überlässt die Swissmill hingegen den Konkurrenten. Dafür beherrscht sie den für die Teigwarenhersteller wichtigen Hartweizenkanal. Weil es hier mangels Schweizer Produktion keinen Grenzschutz gibt, hat sich Swissmill von allen Mühlen am weitesten aufs internationale Parkett vorgewagt. Swissmill-CEO Josef Achermann würde es sofort begrüssen, wenn die Grenzen geöffnet würden. «Wir arbeiten schon heute in Richtung Europakompatibilität», betont er.

Doch so weit ist es noch lange nicht. Zwar wächst der Druck der WTO auf die Schweiz, die hohen Schutzzölle künftig abzubauen. Bis 2012 dürfte der Preis für Brotgetreide von 300% auf 200% des EU-Niveaus sinken. «Solange aber die Grenzen so stark bewirtschaftet werden, passiert nicht viel auf dem Inlandmarkt», schätzt Martz.

Ein offener Markt ohne jeglichen Protektionismus würde zwar alles durcheinander rütteln. Vielleicht gäbe es dann keine Getreidebauern mehr in der Schweiz. Die Müller jedoch rechnen sich gute Chancen aus. Emmenegger begründet: «Wir verfügen über ein grosses Knowhow und beste Technik. Unsere Müller sind Weltklasse und beherrschen die Kunst, ohne Zusatzstoffe verschiedenste Mehlmischungen höchster Qualität zu produzieren.» Darin lägen die Exportchancen.

Kein Selbstversorger: Mehl aus dem Osten

1 Mio t Getreide können in der Schweiz jährlich geerntet werden, wobei die Hälfte zu Brot und anderen Nahrungsmitteln, die andere Hälfte zu Tierfutter verarbeitet wird. Die inländische Nachfrage kann nicht gedeckt werden. 15% des Brotgetreides müssen importiert werden. Hinzu kommen 100000 t Hartweizen, wie sie für Teigwaren gebraucht werden. Hartweizen wird in der Schweiz nicht angebaut. Beim Futtergetreide liegen die Importmengen wesentlich höher, bei 800000 t. Nur so kann der Kraftfutterbedarf von 1,5 Mio t gedeckt werden. Die Müllereibranche dürfte laut Schätzungen jährlich einen Umsatz von 1,8 Mrd Fr. generieren. Davon entfallen ein Drittel auf den Nahrungs-, zwei Drittel auf den Futtermittelsektor.

Bei den Importen gibt es eine Verlagerung: Statt aus Kanada kommt der Hartweizen vermehrt aus Osteuropa. Schon bis zum 1. Weltkrieg waren Rumänien, die Ukraine und Russland wichtige Getreidelieferanten gewesen. (ps)