Die Wettbewerbskommission Weko verurteilte den Tonträgerverband Ifpi im Juli zu einer Busse von 3,5 Millionen Franken. Deren Mitglieder haben jahrelang Parallelimporte von CDs und DVDs behindert.
Nun hat die Weko den ausführlichen Bericht veröffentlicht (siehe Downloads). Er bestätigt die Recherchen von handelszeitung.ch und bringt weitere Details ans Licht.
Insgesamt wurden ab 1999 sechs Ifpi-Neumitgliedern eine Parallelimportverzichtserklärung zur Unterschrift aufgezwungen. Sollten sie gegen die illegale Regelung verstossen, wäre eine Vertragsstrafe von 20'000 Franken fällig geworden.
2006 wurde diese Unterlassungserklärung nochmals verschärft, indem die Busse auf 50‘000 Franken erhöht wurde. Und neu fielen auch konzernzugehörige andere Firmen unter das Verbot.
Warum die nochmalige Aktion? Es darf spekuliert werden. Einfach so vom Himmel fiel die Verschärfung nicht - der Zusatz auf «konzernzugehörige» Firmen dürfte kein Zufall sein.
Der Zeitpunkt der Verschärfung ist auf jeden Fall bemerkenswert: Obwohl digitale Verkäufe ständig zunahmen, zeigt er, wo die Musik spielte: Dass die Bekämpfung von Parallelimporten auch damals noch von grosser wirtschaftlicher Bedeutung war, wo das grosse Geld verdient wurde.
Pirateriebekämpfung als Scheinargument entlarvt
Die Ifpi Schweiz behauptete gegenüber der Weko, dass die Unterlassungserklärung lediglich der Pirateriebekämpfung gedient habe und zu keinem Zeitpunkt eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt worden sei.
In den sechs unterzeichneten Unterlassungserklärungen wurde jedoch Pirateriebekämpfung mit keinem Wort erwähnt. Keinem einzigen. Weder konnte mit diesem Parallelimportverbot zu keiner Zeit der Handel mit Piraterieprodukten verhindert noch unterbunden werden. Dies gab der damalige Geschäftsführer von Ifpi Schweiz im Parteiverhör der Weko vom 8. Juni 2011 zu.
«Was machen diese Parasiten?»
Die jahrzehntelange Attitüde gegenüber den Parallel- oder Direktimporteuren illustriert ein altes Zitat von Ludwig A. Schmucki, legendärer Chef von Ariola Schweiz (heute Sony Music) und - man ahnt es - Ex-Ifpi-Mitglied. 1983 liess er sich in der «Wochenzeitung» unverblümt zitieren: «Natürlich gibt es diese Direktimporteure, die sich als Parasiten auf dem Rücken anderer betätigen (...) Was machen diese Parasiten? Sie verkaufen Platten billiger, sonst machen sie nichts (...).»
Legende für die Presse
Das Geständnis vom 8. Juni 2011 eines Ex-Ifpi-Geschäftsführers ist bemerkenswert: Die Aussage des alten Geschäftsführers entlarvte die Pirateriebekämpfung als Scheinargument. Doch der neue Geschäftsführer und Rechtsanwalt Lorenz Haas verkaufte diese Legende den Medien unbeirrt weiter.
Gegenüber Radio DRS behauptete er: «Der Hauptgrund für die Einführung dieser Praxis war, die Einführung von Raubkopien in die Schweiz zu erschweren und besser kontrollieren zu können. Willentlich wollte niemand Kartellrecht verletzen damit.»
Von Mitglied auf Verstoss hingewiesen
Die Weko fand zu den Geschäftsführern und der illegalen Praxis: «Sowohl der von 1994 bis Oktober 2009 amtierende Geschäftsführer von Ifpi Schweiz wie auch der ab November 2009 bis 2011 sind Rechtsanwälte und mussten daher die kartellrechtliche Problematik einer Parallelimportverzichtserklärung wie der vorliegenden erkannt haben.»
Kommt hinzu, dass der Ex-Geschäftsführer Högger 2010 durch die CVW Disques Office SA im Rahmen ihres Beitrittsgesuchs ausdrücklich darüber orientiert wurde, dass die Unterlassungserklärung gegen das Kartellgesetz verstosse und Ifpi Schweiz dies daher nicht als Voraussetzung für den Vereinsbeitritt verlangen könne - passiert jedoch ist nichts, business as usual.
Hardcore-Kartell
Die Weko wertete das Verhalten der Ifpi als schwer, als so genanntes «Hardcore-Kartell». Denn es lag eine «harte horizontale Abrede vor, welche praktisch eine gesamte Branche umfasst.» Es handelte sich dabei um Wettbewerbsverstösse, welche sich für Konsumenten, Unternehmen und die Gesamtwirtschaft besonders schädlich auswirken.
Die Möglichkeit, Parallelimporte tätigen zu können, wird gemäss Kartellgesetz als besonders schutzwürdig angesehen, so die Weko weiter. Darum schöpfe man den vorgesehenen Sanktionsrahmen voll aus. Als strafmildernd befand die Weko die volle Kooperation der Ifpi.