«Uni», sagt Dominique Reber, «und das, was in einer Firma passiert, sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.» Reber hatte Geschichte und Romanistik in Basel studiert und während des Studiums für Tageszeitungen geschrieben, bevor er mit dem Lizenziat in der Tasche bei der Swisscom anheuerte. Dann kam vieles anders und nichts so, wie er es sich vorgestellt hatte: «Eine ganze Menge der Dinge, die man an der Uni gelernt hat, kann man ruhig vergessen», sagt er.

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Nach Jahren des Studiums mit einer voraussagbaren näheren Zukunft kommt man in die turbulente Arbeitswelt nach dem Grounding der New Economy, in der alles anders ist, als man gedacht hat. Hatte man während des Studiums fast unendlich viel Zeit zur Verfügung, um Probleme von den verschiedensten Seiten zu beleuchten und Lösungen zu evaluieren, ticken die Uhren in der Wirtschaft anders. «Im Job hat man dazu wenig Gelegenheit.» Da müssen Entscheidungen schnell getroffen werden, für eine sorgsame Abwägung ad ultimo, wie sie im akademischen Betrieb üblich ist, gibt es meist weder Zeit noch Bedarf. Schnelligkeit ist eine Tugend und Ungewissheit an der Tagesordnung. So lässt sich bei Dominique Reber denn auch nicht die geringste Spur einer Karriereplanung ausmachen. Wie denn auch? In den 18 Monaten, die er bei der Swisscom ist, hat er schon dreimal die Abteilung und die Tätigkeit gewechselt. Reber ist als Trainee im firmeneigenen Programm gestartet und hat im Projekt «Schulen ans Internet» beim Jugendmarketing gearbeitet. Danach folgte eine Stage im Backoffice von Swisscom-CEO Jens Alder.

Heute ist er in der Kommunikation und der Lobby-Arbeit. Dazu gehört auch das Projekt «One to One»: Eine Schule im afrikanischen Timbuktu, ehemals eine blühende Handelsmetropole am Südrand der Sahara, wird von der Swisscom ans Internet angeschlossen. Mit den Schülerinnen und Schülern einer Partnerschule aus der Romandie sollen die Mädchen und Buben des afrikanischen Gymnasiums zusammenarbeiten.

«Als ich anfing, hatte ich keine Ahnung davon, wo ich in ein paar Jahren arbeiten würde», sagt Reber. Als Resultat der Reise durch die real existierende Wirtschaft hat er enorm viel gelernt. Natürlich könne man sagen, dass er etwa für die Arbeit in einem Backoffice überqualifiziert sei, doch die Einsichten und Erfahrungen, die er dort gewonnen habe, findet er unschätzbar. «In der Krise», meint er, «liegt immer eine Chance.»

Turbulent ging es in der ersten Karrierephase von Daniela Kessler zu. Die studierte Betriebswirtschaftlerin arbeitet heute als Project Manager im Stab vom Leiter der Geschäftseinheit Tiergesundheit bei Novartis in Basel. Nach dem Studium in St. Gallen ging sie zur SAirGroup, einer vermeintlich krisenfesten Firma. Diese verliess sie allerdings schnell wieder und kam dann zu Novartis. «Erst war das natürlich ein Schock», sagt sie. Stelle gefunden, Firma am Ende, neue Stelle, neue Stadt. «Eigentlich ist es das Beste, was mir passieren konnte.» Die Probleme, die sie in der Krise bewältigt habe, hätten sich als enorm lehrreich erwiesen. Ohne die Schwierigkeiten, die sich in der ersten Zeit ihres Berufslebens ergeben hätten, wäre sie kaum so weit gekommen, meint Daniela Kessler.
Die Sicherheit im Berufsleben kann man getrost vergessen. Wo alles im Umbruch ist, der Wandel und die Veränderung die einzigen Konstanten sind, unterscheidet sich die Erfahrungen der jungen Profis wie Kessler und Reber von denen der Berufsanfänger von früher gründlich. Hatte man damals noch von Karriereplänen mit einem Jahrzehntehorizont geredet, ist davon nichts mehr übrig geblieben. «Es ist nun mal so, dass man keine grossen Garantien mehr erwarten darf», sagt Daniela Kessler. «Man muss das Beste daraus machen.»
Was auf den ersten Blick nach einer Bedrohung und einem Grund zur Verunsicherung aussieht, ist tatsächlich eine ungeheure Befreiung. Der Druck, den Karrierestart richtig zu machen, ist weg. Richtig gibt es nicht mehr. Man darf ausprobieren und Erfahrungen in vielen Bereichen sammeln. Sich nach dem Studium die Lebensstelle zu suchen und zu verzweifeln, wenn es nicht klappt, ist out. Auch wenn es abgedroschen klingt: Das Hin und Her, das heute für die ersten Berufsjahre kennzeichnend ist, bietet vor allem die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erwerben und zu erkennen, dass man sich in vielen unterschiedlichen Bereichen bewähren kann. «Das stärkt das Selbstvertrauen», sagt Daniela Kessler.

«Man muss seine Karriere am Anfang nicht so ernst nehmen», sagt Doris Aebi, Partnerin bei Bjørn Johansson Associates, einem der führenden Headhunter im Executive-Bereich in der Schweiz. Sie selbst ist auf dem Umweg über eine Dissertation und verschiedene andere Positionen zur Personalberatung gekommen. «Es ist wichtig, dass man zu Beginn herauszufinden versucht, was einem wirklich liegt, und dass man auch dazu stehen kann, sich getäuscht zu haben», meint sie. Man dürfe sich getrost Zeit lassen und Fehler machen. Wenn es in einem Unternehmen mit einer Anstellung nicht klappe, sei das bei weitem kein Beinbruch. Oft zeige es sich nämlich, dass ein vermeintlicher Umweg oder eine Absage neue Möglichkeiten eröffneten, an die man vorher nie zu wagen gedacht habe.

Thomas Gartenmann, bei der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group für das Hochschul-Recruiting zuständig, stimmt Doris Aebi zu, obschon er in einer Branche tätig ist, welcher der Ruf der gradlinigen Karrieren anhaftet. «Man darf den Anfang seiner Laufbahn ruhig spielerisch sehen.» Für Gartenmann, einen studierten und promovierten Chemiker, stand das Berufsziel Consultant bei seinem Abschluss auch noch nicht fest. «Es hat sich durch Zufälle ergeben», sagt er. Gartenmann hat gesucht ? und irgendwann einmal gefunden. Früher wie heute müsse man Rückschläge bei Bewerbungen verkraften. Entscheidend sei, dass man jedes Interview als eine wunderbare Möglichkeit sehe, sich zu trainieren und im Sparring mit den Personalverantwortlichen besser zu werden. Interviews als sportlicher Wettkampf am Ende des Studiums sozusagen.

Gartenmann und Aebi raten den Absolventen denn auch zu unkonventionellen und kreativen Bewerbungen. Wenn man sich selber treu bleibe, habe man die besten Chancen. Bewerber mit einem 08/15-Profil und stromlinienförmigem Verhalten wolle doch heute kaum einer anstellen. Gefragt sind Leute, die beweisen, dass sie sich mit dem Unternehmen, bei dem sie sich bewerben, intensiv auseinander gesetzt haben. «Ich finde es gut, wenn mir ein Bewerber kritische Fragen zum Thema Consulting stellt und sich auch bei ein paar Mitarbeitern erkundigt», sagt Gartenmann.

Doris Aebi und Thomas Gartenmann haben es leicht, von Gelassenheit zu reden. Anders Hannes Schobinger und Thomas Pfister. Die beiden BWL-Studenten der Universität Zürich schliessen in diesem Jahr ihr Studium ab und wollen nun endlich den ersten richtigen Job. Von der grossen Ruhe ist bei ihnen keine Spur auszumachen. «Bei uns geht es jetzt erst einmal um die praktischen Fragen, etwa wie man Bewerbungen schreibt und wie man sich beim Interview verhält», sagt Thomas Pfister.

Auch wenn die beiden die guten Ratschläge nach mehr Ruhe und dem sportlichen Ansatz beim Bewerbungsmarathon hören, fehlt ihnen doch etwas der Glaube: «Für mich ist nach dem Studium die Situation jetzt ganz neu, da ist es klar, dass man etwas aufgeregt ist», sagt Hannes Schobinger. Da fehlt auch schnell der Mut, in einem Interview die Initiative zu ergreifen und etwa das Unternehmen zu hinterfragen. «Verstehe ich vollkommen», sagt Doris Aebi. «Probieren Sie es trotzdem.»

Die Unsicherheit wird sich wohl mit der Zeit legen, meinen diejenigen, die schon im Beruf sind oder eine ganze Reihe von Interviews hinter sich haben. Kaum einer schafft es bereits bei den ersten Interviews, mit einem Angebot nach Hause zu gehen. Den Frust sollte man allerdings schnell wegstecken. «Klar schlägt es aufs Gemüt, wenn einem gesagt wird, dass man kein Angebot bekommt», sagt Thomas Gartenmann, der nach seiner MBA-Ausbildung auch ein paar Abfuhren kassiert hat. «Aber es hilft, wenn man darin keinen Weltuntergang sieht.»

Wesentlich zur Entkrampfung der Bewerbungen trägt schliesslich die Gewöhnung an das Interview-Ritual bei. Wer bereits zum fünften Mal die Frage des Human-Resources-Managers nach den persönlichen Schwächen gehört hat, bei dem weicht langsam der Respekt vor dem Interview einem gewissen Amüsement über das Prozedere. Phil.-I-Absolvent Reber bringt es auf den Punkt: «Man kann das nicht mehr allzu ernst nehmen, dazu hat man schon zu viele Interviews gemacht», sagt er. «Das hilft ungemein.»