Ich bekomme keinen Herzinfarkt», sagte einst Hollywood-Tycoon Louis B. Mayer, «ich sorge dafür, dass andere einen bekommen.» So denken viele, die mit Tatkraft und Härte gegen sich selbst ein Unternehmen aufgebaut haben. Doch kaschieren solch starke Worte nur eigene Schwächen, an denen Firmengründer leiden.
Das Alpha-Syndrom, diagnostiziert der Zürcher Managementberater Leonhard Fopp in seinem neusten Buch, hat sieben Gesichter: Dominanzstreben, Erfolgskonditionierung, Selbstüberschätzung, Flucht in die Hektik, Angst vor dem Verhungern, Furcht vor dem schwarzen Loch und Vertrauen auf eine höhere Macht. Meist leiden die Firmengründer an all diesen Symptomen. Mit fatalen Folgen für die Firma: Das Alpha-Syndrom entpuppt sich, so Fopp, als «Summe der Hemmfaktoren, die eine rationale Gestaltung der Unternehmernachfolge verunmöglichen». Besonders schlimm ist, dass das Gefühl der eigenen Unentbehrlichkeit mit zunehmendem Alter steigt. «Der Gründer des Discounters Denner, Karl Schweri, war über 80, als er 2001 starb, Hugo Erb sogar 86 und Werner Spross, Chef der grössten Gärtnerei der Schweiz, 79. Alle drei hatten bis zuletzt eisern an ihren Geschäften festgehalten. «Der Leitwolf», urteilt Fopp, «will einfach nicht gehen.»
Allein in Deutschland erfolgt die Übergabe des Familienunternehmens an die nächste Generation zu einem Drittel durch Krankheit oder Tod des Patriarchen ungeplant und unkoordiniert. Will der alternde Leitwolf sein Lebenswerk erhalten, hat er nur zwei Möglichkeiten: «Change or die», so der Autor.
Da bleibt nur die von langer Hand geplante Veränderung der Berufs- und Lebensumstände. «Das Grundprinzip geplanten Wandels», weiss Fopp, «ist immer gleich.» Es ist ein «Phasenschema, das von der Wahrnehmung und Beurteilung der Ausgangslage über die Formulierung einer Konzeption bis zur Umsetzung und Institutionalisierung» reicht. Den sieben Fratzen des zu überwindenden Alpha-Syndroms stellt der Autor fünf Häutungen des Wandels gegenüber: Transparenz, Ideengenerierung, Konzeption, Umsetzung und Feedback – ein Weg, der ein erfülltes Leben nach dem Business erst ermöglicht. Dann bleibt noch «die konkrete Ausgestaltung der Nachfolgeplanung. Im Kern geht es dabei immer um die Frage, welchen Einfluss die Unternehmerfamilie nach dem Ausscheiden des Altinhabers weiterhin wünscht oder realisieren kann», schreibt Fopp, «dies hängt ab von der operativen Führung und der finanziellen Kontrolle durch das Eigentum.»
Dabei scheint klar, dass dynastische Regungen bei zahlreichen Patrons nicht zu übersehen sind. Eine Umfrage bei 250 deutschen Unternehmern zum Thema hat gezeigt, dass über die Hälfte sich eine operative Weiterführung der Firma durch ein oder mehrere Familienmitglieder wünschte, und drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie die finanzielle Kontrolle des Unternehmens auch in der nächsten Generation innerhalb der Familie halten wollten.
So stark der Wunsch, in der operativen Führung das Blut der eigenen Familie zu erhalten, auch sein mag, tückisch ist dies allemal: Aktuellen Studien gemäss hat nach der Stabsübergabe an die Kinder jedes zweite Unternehmen über einen längeren Zeitraum gesehen Ertrags- und Umsatzeinbussen zu verzeichnen, und jede dritte Firma hat stagniert.
So ist es als Glücksfall zu bezeichnen, dass jeder zweite Senior innerhalb der Familie keinen Nachfolger finden kann und auf eine externe Lösung ausweichen muss. Der für viele in diesem Fall nahe liegende Weg ist ein Fremdmanagement unter Beibehaltung der finanziellen Kontrolle. Andere Wege könnten eine Publikumsöffnung (IPO), eine Fusion mit einem Partner oder eine Beteiligung eines Finanzinvestors oder aber ein Management-Buy-out (MBO), ein Management-Buy-in (MBI) bedeuten.
Letztgenannte erfreuen sich in den USA und Grossbritannien steigender Beliebtheit. Fopp ist überzeugt, dass sich auch hier zu Lande rund 30 Prozent der Nachfolgefälle für ein MBO oder ein MBI eignen würden, vorausgesetzt, der Firmenpatron hat sich vorgängig in einem strukturierten Prozess von seinem Lebenswerk emotional gelöst und sich ein Leben nach dem Business aufgebaut.
Leonhard Fopp: Herausforderung Unternehmer-Nachfolge. Sichern Sie Ihr Lebenswerk! Orell Füssli Verlag, ca. 208 Seiten, ca. 49 Franken. Ab Ende September im Buchhandel.