Das Tragen von Burkas soll in der Schweiz verboten werden. Der Nationalrat hat am Dienstag knapp einer parlamentarische Initiative zugestimmt. Diese fordert ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Ob der Nationalrat damit beim Ständerat Gehör findet, ist fraglich.

Die Staatspolitische Kommission der kleinen Kammer sprach sich Anfang Jahr mit 10 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen deutlich gegen das Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum aus.

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Allenfalls Touristinnen betroffen

Die Verhüllung aus religiösen Gründen sei in der Schweiz äusserst selten anzutreffen und stelle somit kein wirkliches Problem dar, argumentierte sie. Von einem Verbot betroffen wären allenfalls Touristinnen aus islamischen Ländern, was für den Tourismus negative Folgen haben könnte.

Darauf hatte auch die Kommission des Nationalrates umgeschwenkt, nachdem sie der Initiative zunächst zugestimmt hatte. Es gebe keine sicherheitspolitischen Gründe für die Initiative, sagte Kurt Fluri (FDP/SO) im Namen der Kommission. Zudem sei inzwischen eine entsprechende Volksinitiative lanciert worden, die Frage könne auf diesem Weg geklärt werden.

Verhüllung als Sicherheitsrisiko

Diese Argumentation überzeugte den Nationalrat jedoch nicht. Der Rat folgte einem Minderheitsantrag und hiess die parlamentarische Initiative mit 88 zu 87 Stimmen bei 10 Enthaltungen gut. Damit muss sich nun der Ständerat damit befassen.

Während die Ratslinke einhellig gegen ein Burkaverbot stimmte, befürwortete die SVP das Anliegen ihres Parteikollegen. Weniger geschlossen waren die Mitteparteien. Die CVP-Nationalräte unterstützten die parlamentarische Initiative grossmehrheitlich, die FDP-Mitglieder waren mit wenigen Ausnahmen dagegen.

Vollverschleierung und der radikale Islam müssten in einem Zusammenhang gesehen werden, begründete Walter Wobmann (SVP/SO) seine Forderung. Wenn sich jemand verhülle, sei in Zeiten des IS-Terrorismus nicht ersichtlich, ob die Person harmlos, gewalttätig, unbewaffnet oder bewaffnet sei. Dennoch wollte Wobmann das Anliegen als allgemeines Verhüllungsverbot verstanden wissen. «In unserem Kulturkreis zeigt man sein Gesicht.»

Gute Chancen an Urne

Auf nationaler Ebene läuft derzeit die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». Die Initianten vom sogenannten «Egerkinger Komitee» um Wobmann haben bis am 15. September 2017 Zeit, die nötigen 100'000 gültigen Unterschriften zu sammeln.

Die Erfolgschancen stehen derzeit nicht schlecht. Käme ein Burkaverbot heute an die Urne, würden rund 60 Prozent der Stimmberechtigten ein Ja einlegen. Dies geht aus einer jüngst veröffentlichten, repräsentativen Umfrage im Auftrag der «Schweiz am Sonntag» hervor.

Diskussionen in den Kantonen

Das Thema sorgt in der Schweiz vor allem auf kantonaler Ebene seit längerem für rote Köpfe. Im Kanton Tessin ist das Verhüllungsverbot seit dem 1. Juli in Kraft. Die Tessiner Bevölkerung hatte 2013 als erster Kanton eine entsprechende Initiative angenommen. Damit dürfen die Vollverschleierung (Burka) oder Gesichtsschleier (Niqab), die nur die Augen freilassen, im Tessin nicht mehr im öffentlichen Raum getragen werden.

Der Bundesrat und das Parlament kamen zum Schluss, dass das Tessiner Verhüllungsverbot bundesrechtskonform ausgelegt werden könne. Der Bundesrat hielt zwar fest, dass er solche Verbote als nicht sinnvoll erachte, da in der Schweiz nur sehr wenige Personen Gesichtsverhüllungen aus religiösen Gründen tragen würden.

Er verwies jedoch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Juli 2014, gemäss dem ein ähnliches französisches Gesetz nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstösst. Auf dieses Urteil berufen sich auch die Initianten des Volksbegehrens.

Verbot an Schulen

Der freiburgische Grosse Rat erliess Anfang 2014 für die Volksschule ein Burkaverbot, lehnte aber ein Verbot von Kopfbedeckungen ab. Die Kantonsparlamente von Basel-Stadt, Bern, Schwyz, Solothurn und Zürich sprachen sich gegen Verbote solcher Kleidungsstücke aus.

Im Kanton Wallis werden die Stimmberechtigten über eine SVP-Initiative gegen das Kopftuchtragen an sämtlichen öffentlichen Schulen entscheiden können. Und im Kanton Glarus wird die Landsgemeinde voraussichtlich im Mai 2017 über ein Verhüllungsverbot ähnlich jenem des Burka-Verbots im Kanton Tessin abstimmen.

Kopftuchverbot vor Bundesgericht

Das Bundesgericht taxierte Ende 2015 in einem Grundsatzurteil ein Kopftuchverbot an Schulen als unzulässig. Die gesetzliche Grundlage für ein Verbot sei zwar vorhanden. Im konkreten Fall einer Schule in St. Margrethen SG fehle es jedoch an einem öffentlichen Interesse, das ein Verbot rechtfertigen würde.

Vor Bundesgericht endete auch der Fall der Thurgauer Gemeinde Bürglen, wo die Schulordnung eine Kopfbedeckung verbot. Das Bundesgericht entschied im Juli 2013, dass zwei betroffene Schülerinnen weiterhin mit dem Kopftuch die Schule besuchen dürfen. Auf Basis der Schulordnung sei die Anordnung eines generellen Verbots zum Tragen des Kopftuchs nicht zulässig.

(sda/ccr)