Haben Sie sich bei einem Möbelfachhändler für eine Garnitur von

«Divani & Divani» entschieden? Oder ergatterten Sie bei Micasa ein Sofa namens «Palmera»? Dann sind Sie, gewollt oder ungewollt, bereits Kunde von Natuzzi. Der weltweit operierende Polstermöbelhersteller mit Sitz im italienischen Santeramo beliefert die Schweizer Möbelhändler zwar schon seit Jahren. Aber nicht unter seinem Namen. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Produkte seien derart beliebt, dass der Schritt ins Rampenlicht jetzt gewagt werden könne, verkündet Rino Zinco, Chef von Natuzzi Schweiz. Statt weiterhin als namenloser Hersteller zu liefern, will sich der Sofahersteller künftig den Umweg über die Händler ersparen und unter eigenem Namen in den Direktverkauf einsteigen.

Zwar ist das Unternehmen bereits seit zwei Jahren mit sechs eigenen Läden in der Schweiz präsent. Doch das war nur ein Vorgeschmack. Diese Woche fällt der Startschuss zu einer aggressiven Expansionspolitik. Natuzzi eröffnet seinen Flagship-Store in Zürich - ein 700 m2 grosser, exklusiver Showroom, wo 35 Modellkombinationen präsentiert werden. Anschliessend soll es Schlag auf Schlag gehen: «Bis in gut einem Jahr wollen wir rund 20 Verkaufsstützpunkte gründen, unter anderem in Bern, Basel und Genf», so Zinco. Ab 2005 rechne er mit einem Gesamtumsatz von rund 40 Mio Fr.

*Ein Globalplayer mit 10 000 Geschäften*

Keine Zahl, die die Schweizer Möbelbranche erbleichen lässt. Oder doch? Was die hiesigen Händler in Unruhe versetzt, hat mit der Grösse des italienischen Herstellers und den damit verbundenen Potenzialen zu tun. Natuzzi, 1959 vom heutigen CEO Pasquale Natuzzi (61) gegründet, entwickelte sich vom Familienunternehmen zum Globalplayer. Seit 1993 ist Natuzzi unter der Abkürzung NTZ an der Wall Street notiert, verfügt über weltweit 200 eigene Geschäfte und ist mit seinen Produkten in 10 000 Geschäften präsent. Für das vergangene Jahr vermeldet das Unternehmen ein Wachstum von 5% und einen Umsatz von rund 1,2 Mrd Fr. Es kontrolliert 92% der von ihm verwendeten Rohmaterialien und Vorprodukte, die im Rahmen einer «Just in time»-Methode verarbeitet werden, unter anderem in Australien, China, Südamerika und den USA. 5500 Angestellte stehen im Dienste von 2400 Kunden in 124 Ländern.

Natuzzi hat sich in Europa bereits etabliert, unter anderem in Spanien, Österreich, Belgien, Deutschland, Finnland und - natürlich - in Italien. Jetzt soll auch die Schweiz erobert, oder besser, gewonnen werden. «Die Schweizer Bevölkerung findet offensichtlich grossen Gefallen an unseren Polstermöbeln», freut sich Rino Zinco. «Nur weiss sie noch nichts davon.» Die Positionierung in Zürich soll Natuzzi dazu verhelfen, ihren Brand in der Schweiz erfolgreich zu lancieren. Trotz eigener Stores sollen weiterhin Natuzzi-Sofas bei Fachhändlern erhältlich sein. «Aber nicht mehr ohne Kennzeichnung unseres Labels», betont Zinco. Eine Möglichkeit sei das Shop-in-Shop-Konzept.

*Kritik aus der perplexen Branche*

Mit solchen Ideen kann sich der Verband der Schweizer Möbelindustrie (SEM) nicht anfreunden. Direktor Helmut Hillen: «Natuzzi bricht mit seinem Vorgehen ein ungeschriebenes Schweizer Gesetz, ein Tabu.» Dieses laute: Ein Hersteller geht hier zu lande nicht in den Direktverkauf. «Stellen Sie sich vor, Nestlé eröffnet eigene Geschäfte und macht all ihren Vertretern auf diese Weise Konkurrenz», echauffiert sich Hillen. «Das verstösst einfach gegen die Spielregeln.» Zudem falle die Expansion von Natuzzi ausgerechnet in eine Flaute. «Wir rechnen bis Ende Jahr mit einem Umsatzrückgang zwischen 6 und 8%», so Hillen. Damit bricht die Umsatzentwicklung der Schweizer Möbelhändler im Vergleich zum Vorjahr (- 3%) weiter ein (siehe Grafik).

Dass Natuzzi, trotz der schlechten Wirtschaftslage, in der Schweiz expandieren will, kann laut Hillen mehrere Gründe haben. «Möglicherweise verkaufen die Händler die Produkte des Herstellers nicht nach dessen Vorstellungen.». Oder Natuzzi möchte seine Polstermöbelgarnituren nicht länger neben solchen von Rolf Benz oder De Sede stehen sehen. Natuzzi sichert sich so auch die Margen, die bislang für die Händler abgefallen sind. «Entweder wird Natuzzi seine Möbel künftig günstiger verkaufen und damit einen Preiskampf vom Zaun reissen, oder er kann mit den zusätzlichen Margen seinen Gewinn steigern.»

Der Branchenverband erwartet nun von den Möbelhändlern, dass sie sämtliche Produkte von Natuzzi aus ihren Sortimenten entfernen und damit dem italienischen Hersteller das Leben schwer machen.

*Migros und Möbel Pfister bleiben cool*

Branchenleader Migros (Micasa, Interio) sieht keinen Anlass, den neuen Wettbewerber aus Süditalien derart unfreundlich zu begrüssen. Urs Peter Naef, Mediensprecher der Migros-Tochter Micasa: «Eine Marktlancierung von Natuzzi wird Impulse auslösen, von denen durchaus auch die Micasa profitieren kann.» Micasa führt im aktuellen Sortiment ein Polstergruppenmodell des italienischen Herstellers, allerdings unter dem Namen «Palmera». Der Aufforderung des Branchenverbandes wird Micasa nicht nachkommen.

Globus-Tochter Interio will dem neuen Konkurrenten Paroli bieten, indem sie expandiert. «Wir haben erkannt, dass die gesamte Branche expandieren wird, trotz der aktuellen Wirtschaftslage», so Unternehmungsleiter Peter Blatter. «Das führt irgendwann zu einer Überkapazität, gefolgt von einem Preiskampf, den nicht alle Händler überleben werden.» Damit dieses Schicksal nicht auch Interio blüht, will der Möbelhändler die weissen Flecken auf der Landkarte mit neuen Filialen abdecken. Im Oktober etwa eröffnet eine neue Interio-Filiale in Winterthur. Zusätzlich sollen optimierte Geschäftsprozesse und die Profilierung bei den Kunden sichern, dass das Unternehmen den nahenden Preiskampf überlebt.

Die Branchen-Zweite, die Möbel-Pfister-Gruppe, sieht sich vom neuen Konkurrenten kaum bedroht. «Natuzzi will sich in der Schweiz als Marke positionieren. Er fokussiert sich damit klar auf eine von ihm anvisierte Zielgruppe», analysiert Mediensprecherin Blandina Werren. «Wir profilieren uns über eine grosse Auswahl, die sowohl Marken- als auch Nicht-Markenprodukte umfasst.» Für den Kunden stehe der Name Möbel Pfister als Garant für die Qualität der Produkte, hohe Beratungs- und Serviceleistungen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Und sowieso: «Im Einrichtungsbereich werden vom Kunden nur wenige ?Marken? als solche auch erkannt. Der Kunde will in der Regel auswählen können und sucht dabei eine grosse Auswahl - und damit nicht nur einen Hersteller.» Was den Fachhandel auszeichne, sei dessen Spezialkompetenz in der Nachkaufphase, etwa die Lieferung und die Montage. Möbel Pfister hat mittlerweile alle Produkte von Natuzzi aus seinem Sortiment genommen. Aus welchem Grund, bleibt offen.

Ikea wählt die Strategie der Ignoranz. Mediensprecher Peter Mager hält sich kurz: «Wir konzentrieren uns ausschliesslich auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Auf diese Weise lässt sich mehr erreichen.»

Welche Strategie erfolgreich sein wird, ist offen. Klar ist allerdings, da sind sich die Branchenleader einig, dass es die kleinen Möbelfachhandlungen besonders schwer haben, den bevorstehenden Kampf um Marktanteile nicht zu verlieren. Nur wer sich auf Kundensegmente oder Produkte spezialisiert, wird überleben.

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