Sie erhalten Fr. 100.- bei jedem Kauf einer Nespresso-Maschine zwischen dem 15. November und dem 31. Dezember.» So wirbt die Nestlé-Tochter in Warenhäusern, Fachgeschäften und Boutiquen. «1 Jahr lang Gratiskaffee beim Kauf einer Kaffeemaschine ab Fr. 398.-», heisst es im TV-Spot für das Fachgeschäft Fust.

Im anlaufenden Weihnachtsgeschäft überbieten sich die Marktteilnehmer gegenseitig mit Köderangeboten, die an Dumping grenzen. So erhält der Kunde beim Kauf einer Nespresso-Maschine ab 300 Fr. eine Gutschrift im Wert von 100 Fr. für die Kaffeekapseln und dazu gleich auch noch zwei Tassen und vier weitere Kaffeestangen à 10 Nespresso-Kapseln. Bei Fust wird die Käuferin einer Maschine mit zwölf Gutscheinen für je ein halbes Kilo Kaffee belohnt, die sie monatlich im Laden einlösen kann.

Das aggressive Marketing ist offenbar nötig, um das Geschäft mit Kaffeemaschinen anzukurbeln. Denn bei den Händlern klingeln die Alarmglocken: Seit Anfang Jahr bis Ende September ist der Mengenumsatz laut dem Marktforschungsinstitut IHA-GfK im Vergleich zum Vorjahr um 19% abgesackt. Wertmässig liegt die Einbusse sogar bei 22% - ein Markteinbruch im Ausmass von mehr als einem Fünftel, und das in wenigen Monaten.

Der Hauptgrund für den Einbruch liegt in der schlechten Wirtschaftslage. Bei Preisen von 299 bis 1150 Fr. für Nespresso-Maschinen scheuen viele Konsumenten die grosse Investition. Auch der heisse Sommer hat dem Verkauf geschadet. Jura-Sprecher Meinrad Kofmel glaubt gar, dass der Markt in der Schweiz die Sättigungsgrenze erreicht hat und zum Verdrängungsmarkt geworden ist. Ein Markt, in dem das neue Kaffeesystem des Nahrungsmittelmultis Nestlé eine dominante Stellung erreicht hat: Bereits erzielen Nespresso-Maschinen rund einen Drittel des Gesamtmarktes von 160 Mio Fr. Jahresumsatz. «Der Marktanteil von Nespresso-Maschinen ist bei einem schrumpfenden Markt stabil geblieben,» sagt Jürg Zweifel, Kundenmanager bei IHA.

*Nespresso legt kräftig zu*

Der Kaffeekapselhersteller Nespresso, der auch als Exklusivverkäufer der aromatischen Kaffeekapseln auftritt, blieb vom grossen Markteinbruch verschont. «Das Geschäft läuft bestens. Wir rechnen mit einer zweistelligen Wachstumszahl für dieses Jahr», sagt Marc-Alain Dubois, Chef von Nespresso Schweiz. Zahlen für den Schweizer Markt will er «aus Konkurrenzgründen» nicht bekannt geben. Auch weltweit glänzen die Nespresso-Kapseln trotz Rezession mit einem beeindruckenden Wachstum: 2002 betrug der Umsatz 350 Mio Fr., für 2003 rechnet Dubois mit einem Umsatz von 440 Mio Fr. In Orbe VD füllt die Nestlé-Tochter jährlich 1,2 Mrd Alu-Kapseln mit Kaffee ab. Das Exklusivprodukt aus dem Hause Nestlé ist bereits in 35 Ländern präsent.

Die Kaffeemaschinen lässt die Nestlé-Tochter von ausgewählten Lizenznehmern produzieren. Der grösste Lizenznehmer von Nespresso-Maschinen ist Turmix, gefolgt von Koenig, Jura, Saeco und Alessi. Fast alle für den Schweizer Markt bestimmten Maschinen werden im thurgauischen Amriswil von Eugster Frismag angefertigt.

Mit der Produktion von Nespresso-Maschinen haben sich die Gerätehersteller dem Nahrungsmittelmulti an den Hals geworfen. «Wir haben mit Ausnahme von zwei Modellen alle Maschinen selber entwickelt und in ihrem Design bestimmt», sagt Nespresso-Mann Dubois. «Aber am Einzelverkauf der Maschine verdienen wir nichts.» Er betont, dass die Abhängigkeit gegenseitig sei: «Wir können nur stark wachsen, wenn auch mehr Maschinen verkauft werden.» Seit September sei das Geschäft mit Nespresso-Maschinen wieder am anziehen. «Entscheidend sind aber die letzten Wochen im Jahr.»

Der Erfolg von Nespresso ist einem einzigartigen Marketing- und Vertriebssystem zu verdanken, das Nestlé dank seiner Marktmacht durchsetzen konnte. Es bindet nicht nur die Hersteller von Kaffeemaschinen, sondern auch die Konsumenten an: Wer sich für den Kauf einer Nespresso-Maschine entscheidet, liefert sich für die Lebensdauer seiner Maschine einem Monopolisten aus, der die Qualität und den Preis der Kaffeekapseln diktieren kann. Denn die Nespresso-Maschinen lassen sich ausschliesslich mit den für sie bestimmten Kapseln füttern. Und diese wiederum kann man nur via exklusive Nespresso-Kanäle beziehen: Sei es via Telefon, E-Mail oder Fax beim Nespresso-Club oder direkt in einer der gestylten «Nespresso-Boutiquen» in Zürich, Basel, Bern, Genf oder Lausanne. Noch ist es offen, ob weitere eröffnet werden. Denn die Investition ist mit rund 1 Mio Fr. pro Boutique hoch.

*Viel teurer als andere*

Auch der happige Preis von 45 Rp. pro Kapsel und damit pro Tasse Kaffee erinnert an Monopolpreise. Hochgerechnet verlangt Nestlé im Nespresso-System 80 Fr. für 1 kg Kaffee, inklusive Porto gar 93 Fr. Das lukrative Marktsegment ist dank der exklusiven Nespresso-Technologie patentrechtlich noch sieben Jahre lang geschützt. «Wir sind nicht billig und positionieren uns auch als gehobenes Produkt», sagt Dubois. «Aber die Preis-Leistung stimmt, und schliesslich zahlt man für eine Tasse Kaffee im Restaurant mit etwa 3.50 Fr. viel mehr.» Und bis jetzt habe er noch selten jemanden getroffen, der vom Geschmack nicht begeistert gewesen sei. Wenig begeistert über das Vertriebssystem sind allerdings die Fachhändler. Sie dürfen zwar Nespresso-Maschinen, nicht aber die dazugehörenden Kapseln verkaufen. Trotzdem werden sie verpflichtet, leere Kapseln zurückzunehmen, unabhängig davon, ob die Maschine auch bei ihnen erworben wurde. Rund 40% der Kapseln werden rezykliert - eine Entsorgung, die Nespresso elegant auf dem Buckel der Händler gelöst hat.

Auch der Detailhandelsriese Migros musste «zähneknirschend» das Vertriebssystem des Lebensmittelmultis Nestlé schlucken, erzählt ein Insider. Denn gerne hätte der orange Riese neben den Nespresso-Kaffeemaschinen auch die Kaffeekapseln verkauft.

*Veränderungen gefordert*

Die Fachhändler haben keine Freude daran, dass in Nespresso-Boutiquen auch Kaffeemaschinen verkauft werden. Zudem monieren sie, dass Personen, die den Abfall zurückbringen, selten etwas kaufen. «Wir wollen mit den Verantwortlichen von Nespresso nächstes Jahr ein Round-Table-Gespräch führen», sagt Christoph Rotermund, Geschäftsführer des Verbands des Schweizerischen Eisenwaren- und Haushaltartikelhandels (VSE). Er hofft, dass künftig die hochpreisigen Nespresso-Kapseln auch im Fachhandel erworben werden können - was die Kunden immer wieder in die Fachgeschäfte locken würde. Rotermund meint: «Es wird für den Fachhandel immer wichtiger, nicht nur das Gerät, sondern gleich auch noch das Produkt zu verkaufen.»

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