Vor genau einem Jahr verblüffte der Food-Gigant Nestlé Anleger und Finanzwelt: Mark Schneider, ein Externer, werde neuer CEO. Der Wachstumsturbo, der dem deutschen Gesundheitskonzern Fresenius bei Umsatz und Rendite Sprünge verschafft hatte, arbeitete sich vorab bei Nestlé ein und legt seit Januar los: Klassiker, die nicht mehr zeitgemäss sind, wie Süsswaren, Glace, Pizza oder gewisse Maggi-Rezepturen, stellt er auf den Prüfstand oder zum Verkauf.

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Dafür investiert er in Start-ups und in Zukunftsfelder wie Gesundheit, Ernährung mit Zusatznutzen oder Kaffee. Bei Nestlé muss Schneider Wachstum und Margen steigern; dafür wurde er geholt. Der Aktienkurs zeigt: Die Anleger glauben an Schneider.

Nehmen die Attacke gelassen

Dass der Angriff eines aktiven Investors, wie aktuell durch den US-Hedge-Fund Third Point von Daniel Loeb, früher oder später kommen würde, war Schneider und seinem VR-Präsidenten Paul Bulcke klar: Kleinere Konkurrenten wie Unilever oder Reckitt hatten wesentlich stärker zugelegt – auch wenn oft vergessen geht, dass der starke Schweizer Franken viel von Nestlés Erträgen frisst. Andere Analysten werfen Loeb vor, genau dies vergessen zu haben.

Ansonsten sollen Schneider und Bulcke den Vorstoss gelassen sehen. Loebs Forderungen nach 
einem Fitnessprogramm und ehrgeizigen Margenzielen erhebt die Finanzgemeinde seit vielen Jahren – erfolglos. Und dass Nestlé ihre Beteiligung an L’Oréal versilbern soll, ist in Vevey nach wie vor kein Thema. In Zeiten niedriger Zinsen ist die hochrentable Kosmetikfirma der beste Parkplatz für Geld – und auch eine Übernahme der Franzosen hat Nestlé nie ausgeschlossen.

Unterlegenen sind noch an Bord

Als aussergewöhnliche Leistung Schneiders gilt, dass die Unterlegenen im Rennen um Bulckes Nachfolge alle noch für Nestlé arbeiten. Das ist erstens Chris Johnson, der eher als Zählkandidat galt; er verantwortet konzernweite Optimierungsprogramme.

Zweitens ist das Wan Ling Martello, die Bulcke zu dessen CEO-Zeit ab 2011 als Finanzchefin diente – die beiden sind enge Vertraute. Seit 2015 besetzt sie als Asien-Chefin eine Schlüsselstelle in der Konzernleitung. Sie war Bulckes Favoritin für die Nachfolge und ging wohl von ihrer Ernennung aus. Entsprechend soll sie hochgradig enttäuscht sein, zumal sie nächstes Jahr 60 wird – also wohl keine Chancen mehr kommen, CEO zu werden.

Der dritte Kandidat, intern der höchstgehandelte, war der Franzose Laurent Freixe. Er führte zunächst Europa und nun Nestlés wichtigste Region, Amerika, beide mit Erfolg. Dass der Konzern bisher auch ihn halten kann, wird Schneider hoch angerechnet. Dem Vernehmen nach hofft Schneider, alle drei an Nestlé binden zu können.

Bei Martello hat der Konzern schon Bindemittel ausgepackt: Dass sie in den Verwaltungsräten von Internetgigant Alibaba, mit dem Nestlé geschäftet, aber auch beim Taxi-Killer Uber sitzen darf, gilt als Trostpflaster von Bulcke für die Unterlegene. Kein anderer Nestlé-Topshot darf grössere VR-Mandate bei anderen Konzernen einnehmen.