Er ist erst seit einem Jahr Nestlé-Chef, und er nutzt die Freiheiten eines Neulings aus wie kaum einer vor ihm: Mark Schneider kauft und verkauft Firmen am Laufmeter. Eingemeindet werden Anbieter naturbelassener und gesundheitsförderer Lebensmittel, abgestossen werden Konzernteile des bisherigen Kerngeschäfts mit Süsswaren und Tiefkühlkost.
Der spektakuläre Verkauf des US-Süsswarengeschäfts an die italienische Ferrero Mitte Januar offenbart zudem eine erstaunliche Abkehr von früheren Leitsätzen: Der langjährige Konzernvormann Peter Brabeck hatte von den Nestlé-Geschäftsfeldern stets verlangt, sie müssten weltweite Führungspositionen erreichen, und dazu gehöre eine starke Position im weltweiten Führungsmarkt USA. Doch ausgerechnet dort verkauften Schneider und Präsident Paul Bulcke nun sämtlichen Süsskram rund um die Marke Butterfinger, behalten aber das Süsswarengeschäft im Rest der Welt, wollen dort sogar investieren.
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Ferrero-Deal sorgte für Erstaunen
Die Finanzgemeinde rieb sich die Augen, dass Nestlé mit dem Deal zudem den europäischen Erzkonkurrenten Ferrero ohne Not in den USA stärkt – zumal der Verkaufspreis von 2,8 Milliarden Franken, gemessen an Umsatz und Gewinn, zwar leicht über dem Schnitt der Branchenübernahmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten liegt, aber auch nicht enorm hoch ist; so hat Mars für Kaugummikneter Wrigley oder Nestlé selbst für Pfizer Nutrition bereits mehr bezahlt.
Doch Schneider war wohl wichtiger, das US-Leckerligeschäft inklusive Fabriken loszuwerden: Seit 2012 sank bei Nestlé der globale Süsswarenumsatz, die Marge lag zudem etwas tiefer als die Gesamtmarge des Konzerns.
Deshalb halten Beobachter es durchaus für möglich, dass Schneider die angekündigten Investitionen ins verbleibende Geschäft rund um den Milliardenbrand KitKat zur Politur desselben nutzt, bis sich auch dafür ein Käufer findet; knapp acht Milliarden Franken Umsatz dürften hier verblieben sein – rund 900 Millionen Franken fliessen durch den US-Verkauf an Ferrero ab.
VR neuerdings mit Schwergewichten
Doch nicht nur Schneider, auch der als konservativ geltende Bulcke gibt jetzt Gas: In den Verwaltungsrat, der bei Nestlé üblicherweise nicht mit dem stärksten Personal besetzt ist, lässt Bulcke jetzt echte Schwergewichte einziehen, die einschlägiges Know-how für den Konsumgüterhersteller mitbringen: den CEO von Inditex (Zara, Massimo Dutti), Pablo Isla, den früheren Konzernchef von Henkel (Persil, Pril, Schwarzkopf ) und heutigen Adidas-Chef Kasper Rorsted und die ehemalige Finanzchefin von Avon und dem Handelsmulti Ahold, Kimberly Ross.
Sie ersetzen zwei unauffällige Banker sowie den Ex-Chef des Westschweizer Maschinenbauers Bobst, Andreas Koopmann. Die drei Neuen dürften für Paul Bulcke und Mark Schneider weit eher eine inhaltliche Hilfe, aber auch eine Herausforderung darstellen.
Aktionär Loeb über Expansion irritiert
Von einer anderen Seite ist die Herausforderung hingegen eher geschrumpft: Investor Daniel Loeb, der mit seinem Fonds Third Point rund 1,3 Prozent an Nestlé hält, lässt in seinem neuen Aktionärsbrief wissen, dass einigen Investoren, darunter wohl er selbst, unklar sei, welche Logik hinter Nestlés Expansion im Geschäft mit Gesundheitsprodukten stecke, und dass Nestlé doch den Anteil an L’Oréal endlich versilbern und das Aktienrückkaufprogramm dafür ausweiten solle. Ansonsten nehme Nestlé seine Inputs wohlwollend auf, Loeb unterstütze Schneiders Kurs weiterhin.