Hoher Umsatz, fette Gewinne: Die Grosskonzerne der Lebensmittelbranche schlugen sich in den ersten sechs Monaten des Jahres die Bäuche voll – trotz Inflation. Industriegiganten Unilever, Nestlé und Danone wiesen in ihren Halbjahresbilanzen grosse Ertragssteigerungen aus. Zusammengerechnet schraubten sie ihre Gewinne gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Milliarden auf insgesamt 10 Milliarden Franken hoch. Auch der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli konnte sich das Geschäft mit einem dicken Profit versüssen. Der Grund für die Erfolgsmeldungen scheint bei allen derselbe: höhere Preise.
Lassen sich die Konzerne die Inflation durch die Konsumentinnen und Konsumenten abfedern? Eine Studie im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF) scheint dies zu stützen. Gemäss IWF-Berechnungen sind die weltweit wachsenden Unternehmensprofite für fast die Hälfte des Preisanstieges verantwortlich.
Profite als Preistreiber
Die Erkenntnisse widersprechen der ökonomischen Lehre der sogenannten Lohn-Preis-Spirale. Sie erklärt die gestiegenen Energie- und Produktionskosten als Preistreiber, wobei als Folge die Reallöhne sinken. Dies führe wiederum zu hohen Lohnforderungen, was die Inflation erneut ankurbelt. Dass aufgrund der eher langsam fortschreitenden Lohnverhandlungen die Unternehmensprofite weitaus höheren Einfluss aufweisen, wurde lange vernachlässigt und wird nun in Fachkreisen diskutiert.
Auf Anfrage von Blick wehrt sich Nestlé gegen den Vorwurf der vollständigen Kostenabwälzung. Die Bruttomarge sei im letzten Halbjahr gar um 0,4 Prozent gesunken. «In Europa sank die Ergebnismarge gar um 0,7 Prozent», teilt das Unternehmen mit. «Das geht auf die Kosten zurück, die wir nicht weitergereicht haben.»
Nestlé sei sich der Verantwortung gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten bewusst, schreibt der Lebensmittelriese weiter. Er sei jedoch selbst von den hohen Kosten betroffen. «Unsere Rohwaren sind deutlich teurer geworden.» So habe etwa Robusta-Kaffee im ersten Halbjahr 30 Prozent mehr als im letztjährigen Durchschnitt gekostet.
Die Inflation liefert den Konsumenten die Story, dass die Preise steigen müssen.
Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen
Trotz der höheren Kosten, der gesunkenen Margen und gar eines tieferen Absatzes wuchs Nestlé um ganze 8,7 Prozent. Interessant dabei: Ohne Preiserhöhungen wäre das Unternehmen gar geschrumpft. Nun bilanziert es jedoch eine satte Gewinnsteigerung.
«Die Inflation liefert den Konsumenten die Story, dass die Preise steigen müssen», sagt Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile (56). «Unter diesem Deckmantel ist es einigen Firmen natürlich möglich, ihre Kosten abzuwälzen.» Den Firmen nämlich, die durch ihre Markenbekanntheit genügend Macht besitzen, um ihre Wunschpreise auch wirklich durchzusetzen.
Die aktuelle Konjunktur sei aber auch ein Sonderfall, sagt Hasenmaile. «Trotz der Inflation sass das Geld bei den Konsumenten bisher locker. Viele Menschen zehren weiterhin von ihren Ersparnissen aus der Pandemie. Auch der Arbeitsmarkt funktioniert aufgrund Sondereffekten weiterhin.» So sei zwar die Konsumentenstimmung am Boden, jedoch nicht das Ausgabeverhalten.
Wirtschaftliche Situation für Unternehmen ein Glücksfall
Für Firmen mit einer dezidierten Markenstrategie wie Nestlé oder Lindt ist dieser Umstand ein Glücksfall. «Die beiden Firmen haben Geschäftsfelder mit tiefen Margen konsequent verkauft», sagt Hasenmaile.
Folglich sieht er die Kostenabwälzungen als gerechtfertigt. «Solange die Preise vom Konsumenten akzeptiert werden, ist eine Erhöhung legitim», sagt der Ökonom. Sonst würde das Unternehmen sein Wachstumspotenzial nicht ausschöpfen. Und dank der Inflation müssen sich die Unternehmen dabei nicht mehr stark exponieren – denn alle tun es. So sinke auch die Gefahr, die Kunden zu vergraulen.
«Von unserer Seite ist ein gewisses Verständnis für Preiserhöhungen da», sagt auch Babette Sigg Frank (60), Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums. «Nicht korrekt finden wir jedoch, wenn ein Unternehmen von diesen Erhöhungen profitiert.» Sigg Frank nimmt aber die Konsumenten in die Pflicht: «Sie sind ja nicht gezwungen, die Markenprodukte zu kaufen».
Lange funktioniert die Strategie nicht mehr
Für die Konsumenten sei daher eine Auswahl wesentlich. «Wichtig ist, dass es die Möglichkeit gibt, günstiger einzukaufen», sagt Sigg Frank. Und dies sei in der Schweiz gegeben. «Auch Billigprodukte haben hier eine gute Qualität.»
Die Strategie der Grosskonzerne sei jedoch gemäss Hasenmaile nicht mehr lange möglich. «Die Mietzinsen steigen, die Strompreise gehen weiter hoch und auch der Arbeitsmarkt wird früher oder später ausgebremst», sagt Hasenmaile. Damit sinke schlussendlich auch der Konsum – und damit wohl auch die Profite.
Dieser Artikel erschien zuerst bei «Blick» unter dem Titel: «Lebensmittel-Multis verdienen sich an unseren Mehrkosten satt».
1 Kommentar
Grundsätzlich nur Logisch und Richtig. Die Teuerung bei den Produktionsfaktoren wird auf den Konsumenten via Preis abgewälzt denn kein Privates Marktwirtschaftliches Unternehmen ist Pestalozzi und arbeitet zu Selbstkosten oder fährt gar Verluste ein.
Die Alternative wäre nur weitere Kostensenkung und Produktivitätssteigerung, was meist mit weniger Arbeitsplätze / Lohnkosten einhergeht. Wollen wir das? Der Kunde hat im Wettbewerb die Wahl was er kauft oder eben nicht und nicht alle unternehmen werden die Teuerung vollkommen abwälzen können, weil sie nicht die Marktmacht haben um Ihre Preise durchzusetzen, und daher auf Reserven zurückgreifen müssen!
Andere werden tricksen und statt 100gr halt 90gr zum gleichen Preis in der gleichen Verpackung liefern usw. Wiederum andere werden gewisse Produkte Quersubventionieren und andere dafür verteuern usw.
Bei 5% Teuerung wäre generell eine lineare Preis- und Lohnerhöhung von 5% angemessen, aber ich stimme damit überein, dass eine Tendenz und Versuchung da sein wird mehr als 5% zu verlangen. Meist, weil gestiegene
Kosten und Lohnerhöhungen lange nicht abgewälzt wurden.
Wenn ich bei COOP eine Flasche Holunderblütensaft Prix Garantie Regulär zu 2.95 kaufen konnte und jetzt 3.45 bezahlen muss ist das ein Aufschlag von 50 Rappen also 16.9%. Der Aufschlag war anfänglich höher und wurde aber dem Preis der Mitbewerber nach unten angepasst. Dies gilt es jeweils von Fall zu Fall zu adressieren und zu hinterfragen und ist mit Arbeit verbunden.
Das ist meine Erwartung an Qualitätsjournalismus, statt sich scheinheilig allgemein über Margen und Gewinne zu mokieren und ideologisches Bashing zu betreiben!
Gewinne und Margen werden benötigt um die Löhne und Kosten zu bezahlen, das Risikokapital der Geldgeber zu verzinsen sowie Investitionen zu tätigen!
Wie wäre es mit vielleicht mal etwas über BWL publizieren, statt bashing?