Der Ort der Generalversammlung bleibt der gleiche, der Präsident nicht. Die NZZ-Aktionäre wählen am 13. April im Zürcher Kongresshaus Etienne Jornod zum neuen Präsidenten. Der Präsident des Pharmalogistikers Galenica, Fachmann für Eisenpräparate, löst Franz Steinegger ab. Der Suva-Präsident, Fachmann für Unfallversicherungen, fällt der statutarischen Altersguillotine zum Opfer.

Drei Generalversammlungen, dreimal ein neuer Präsident. 2011 Konrad Hummler, 2012 Franz Steinegger, 2013 Etienne Jornod. Steinegger rückte nach, als Konrad Hummler mit seiner Privatbank Wegelin Schiffbruch erlitt und zurücktrat. Nach elf Jahren verlässt Hummler die NZZ. Er ist nicht der Einzige. Der ehemalige Swisscom-Chef Jens Alder, bloss drei Jahre im Gremium, wechselt in den Verwaltungsrat der Werbevermarkterin Goldbach Group – als Präsident.

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Wenig Erfahrung im Verwaltungsrat

Die Lust an der Aufsicht der NZZ scheint verflogen. Einziger Langzeit-VR bleibt Franz Albers (seit 2003), Chef der Albers Gruppe. Alle anderen sind frühestens 2009 dazugestossen. Nach der Generalversammlung werden vier der neun Mitglieder Neugewählte sein. Für ein Strategiegremium sitzt wenig Erfahrung im Verwaltungsrat. Das Kommen und Gehen verdeckt den Blick auf die wesentlichen Probleme des Medienhauses. Wohin will die NZZ online? Wer beerbt den 63-jährigen CEO Polo Stäheli? Und noch wichtiger: Was geschieht mit dem brachliegenden Kapital?

Davon gibt es einiges. Alleine die Liegenschaften sind nach Abschreibungen rund 180 Millionen Franken wert. Alle Sachanlagen zusammen schlagen mit 290 Millionen Franken zu Buche; mehr als die eigene Marktkapitalisierung von 222 Millionen Franken. Brachliegendes Kapital, das ins Kerngeschäft, die Qualität, investiert werden könnte. So wollen es auch die Statuten: «Zweck der Gesellschaft ist, (…) ein von Sonderinteressen unabhängiges politisches, wirtschaftliches und kulturelles Organ von hoher Qualität und freisinnig-demokratischer Grundhaltung herauszugeben.» Hummler und Alder haben dem Vernehmen nach diese Strategie vertreten. Selbst Diskussionen über den Verkauf des Hauptsitzes an der Zürcher Falkenstrasse sollen nicht tabu gewesen sein. Sie waren in der Minderheit.

Mehr Unternehmergeist

Nun liegt es an Jornod, die NZZ in eine neue Ära zu führen. Der gelernte Drogist mit Wirtschaftsabschluss der Universität Lausanne will ganz einfach ein Unternehmer sein, «genau das hat die NZZ gesucht» (BILANZ 23/2012). Mangelnde Medienerfahrung? Egal, heisst es bei der NZZ. Seine Vorgänger hätten auch keine gehabt. Jornods künftige Kollegen sind voll des Lobes über den Mann, der sich seine Dienste bei Galenica für die nächsten fünf Jahre mit gesperrten Aktien im Gegenwert von 22 Millionen Franken vergolden liess. Das ist aufs Jahr gerechnet siebenmal mehr, als der gesamte Verwaltungsrat der NZZ erhält. Dass die Wettbewerbskommission im Dezember ein Verfahren gegen drei Galenica-Töchter einleitete wegen des Verdachts auf Marktmissbrauch, will indes nicht so recht zur bei der NZZ statutarisch festgeschriebenen «freisinnig-demokratischen Grundhaltung» passen.

Nun muss der gebürtige Neuenburger der NZZ unternehmerisches Handeln einimpfen – und einen neuen Chef suchen. CEO Polo Stäheli erreicht nächstes Jahr das Pensionsalter. Der Kostenmanager hat seinen Job getan. Ein Neuer muss her, einer, der zudem Online kann. Das virtuelle Hüst und Hott stösst die Nutzer vor den Kopf. Die vergangenes Jahr eingeführte Website mit Hintergrund und Analysen war zu statisch und liess die Nutzerzahlen erodieren. Anfang März schwenkte die NZZ wieder auf die Newsschiene um.

Nominationsausschuss existiert nicht

Bei Stähelis Nachfolge wirkt Jornod – beide wohnen in Muri BE – beratend mit. Ein Nominationsausschuss existiert nicht. Franz Steinegger, Franz Albers, Carolina Müller-Möhl und Etienne Jornod bilden ein Ad-hoc-Komitee. Die potenziellen Nachfolger sucht Headhunter Egon Zehnder. Sieben, acht Kandidaten sollen bislang vorgeladen worden sein, die Shortlist soll stehen, Schweizer seien nur wenige im Rennen, heisst es an der Falkenstrasse. Weitere Interviews stehen im April an. Die Namen von Christoph Bauer, ehemaligem CEO der AZ Medien, sowie Rainer Esser, Geschäftsführer des «Zeit»-Verlags, werden herumgereicht. Und natürlich auch Tobias Trevisan, ehemaliger Verlagsleiter der NZZ und heute Chef der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» («FAZ»). «Daran ist nichts», sagt er gegenüber BILANZ. Bis spätestens Ende Juni will die NZZ den neuen CEO vorstellen, heisst es. Offiziell schweigt das Blatt.

Unruhe im Aktionariat. Umso kommunikativer muss sich Jornod im Verwaltungsrat einbringen. Bislang habe das Gremium hinter dem Management meist die zweite Geige gespielt, heisst es intern. Druck gebe es kaum. Auch nicht von Aktionärsseite – gewollt. Ein Aktionär darf laut Statuten nicht mehr als ein Prozent der Aktien eintragen lassen. Aktionärsdemokratie à la NZZ. Die Freunde der NZZ muckten trotzdem auf. Die Gruppe, sie besteht aus rund 75 Aktionären, die 15 Prozent der Stimmen halten, forderte vor einigen Tagen angepasste Statuten und sprach von «Lähmung und Gerangel» im Verwaltungsrat und «Nichtwirken der neuen Verwaltungsräte».

Übereinstimmung festgestellt

Adressiert waren die Vorwürfe vor allem an Carolina Müller-Möhl. Sie soll implizite Vertreterin der Aktionärsgruppe sein, was die Unternehmerin allerdings bestreitet. In der Zwischenzeit haben sich die Parteien ausgesöhnt. «Wir haben eine Übereinstimmung festgestellt, was das Verhältnis der Institution NZZ zum Aktionariat angeht», sagt Steinegger sibyllinisch. Und auch die Vinkulierungsbestimmungen würden diskutiert.

Aufbruch nötig. Das ist für die NZZ fortschrittlich. Den Fortschritt soll Jornod bringen, der das wirtschaftsliberale Blatt in ein neues Zeitalter führen muss. Angesichts wegbrechender Werbeeinnahmen und sinkender Leserzahlen macht ein Blick auf Jornods Vita Mut. Seit der Jahrtausendwende hat Galenica den Betriebsgewinn mehr als versechsfacht. Bei der NZZ wird er das kaum erreichen. Aber zumindest die Qualität lässt sich steigern.