D er Strom deutscher Billigketten in die Schweiz reisst nicht ab. Wie die «Handelszeitung» weiss, will jetzt auch Deutschlands grösster Garten- und Grünpflanzenhändler Dehner hierzulande Fuss fassen. Der erste Grossflächendiscount wird auf 20000 m2 in Pratteln, Basel, eröffnet. Startschuss ist Frühjahr 2010. Die reine Verkaufsfläche wird 6500 m2 betragen. Bis zu acht weitere Märkte sollen zunächst im Deutschschweizer Raum folgen. Bereits im Visier sind die Agglomerationen von Bern und Zürich.
Dehner ist ein inhabergeführtes Unternehmen, welches 1947 von Georg Weber als Samenzucht- und Samengrosshandel im bayeri-schen Rain am Lech gegründet wurde. Heute umfasst der Blumen-und Grünpflanzen-Discounter der Nachfolgegeneration ein Imperium von 103 Filialen (acht davon in Österreich). Der Filialschwerpunkt liegt in Süddeutschand. Die Vorbereitungen für den Markteintritt in die Schweiz laufen seit anderthalb Jahren, verrät Dehner-Geschäftsführer Hans-Jürgen Kendziora. «Wir haben uns den Markt eingehend angeschaut und auch die verschiedenen Mitspieler besucht.» Das Ergebnis überzeugte. Der Schweizer Kunde sei noch mehr auf Grünpflanzen fixiert als in Deutschland und gebe auch mehr dafür aus. Dementsprechend hohe Erwartungen hat Kendziora an die Geschäftsentwicklung in der Schweiz: «Wir rechnen mit bis zu 25% mehr Umsatz pro Filiale im Vergleich zu Deutschland.» Grunderfahrungen mit Schweizer Kunden konnte Dehner nach eigenen Angaben bereits in seinen grenznahen deutschen Ablegern bei Weil und in Singen sammeln. Die Kaufkraft rund um Gartenartikel, die neben Pflanzen auch Hartware und Accessoires vom Spaten oder der Schubkarre bis zum Gartenzwerg umfassen, liege in der Eidgenossenschaft höher, rechnet Kendziora vor. Und so setzt Dehner stark auf die «gartenaffinen Schweizer Kunden».
«Mehr Fachlichkeit»
Ausreichend Anschubkraft für den Marktaufbau scheint vorhanden: Der Gesamtumsatz der Dehner-Gruppe lag 2007 bei 650 Mio Euro und konnte einen Sprung von plus 4,5% verzeichnen. Dehner verfügt an seinem Stammsitz in Deutschland auch über einen Blumen- und Erlebnispark sowie eine Hotelanlage. Über die sogenannte eigene Gartensiedlung, in der seit 1990 mehrere Gärtnereien in der Nähe des Firmensitzes zusammengefasst sind, verfügt Dehner über eine geschlossene eigene Produktions- und Vertriebskette für Grün- und Zierpflanzen. Ein Grossteil davon soll auch für die Versorgung in der Schweiz eingesetzt werden. Hierzulande will Dehner eine eigene Länder-Dependance gründen. Als Mitbewerber werden nicht nur Bau- und Handelsmärkte von Obi bis Migros angesehen, die Gartenabteilungen besitzen, sondern vor allem die Gartencenter Wyss (neun Filialen), die bis auf die Zoo- und Heimtierabteilung von Dehner ein vergleichbares Programm fahren (siehe Kasten). Trotzdem: Dehner-Lenker Kendziora hält den Schweizer Markt für Gartenartikel jedoch im Vergleich zu europäischen und deutschen Kennzahlen noch nicht für ausgeschöpft. So sei der Flächenbesatz, also die Verkaufsfläche je Einwohner, in der Schweiz längst noch nicht so hoch wie in Deutschland (mit 1,5 m2) oder in Europa (0,5 m2). Daher werde es sicherlich einen Verdrängungswettbewerb, aber auch ein echtes Marktwachstum geben. Auf jeden Fall wolle man sich gegenüber Baumärkten und anderen Gartenhändlern abgrenzen über «mehr Fachlichkeit, Home Delivery und ein grösseres Angebot an Ausbildung und Schulung».
Der Überraschungscoup wird die heimische Konkurrenz hart treffen
Auch ohne den bevorstehenden Markteintritt des deutschen Garten-Discounters Dehner erwarten die meisten Mitbewerber schon jetzt eine «Bereinigung im Schweizer Markt». In der grünen Branche sei die Preisfindung immer ein Thema, urteilt Ruth Bürki, Geschäftsführerin von Vatter Gartencenter in Hermiswil, Bern. Vatter ist einer der Gartencenter-Pioniere seit den 60er Jahren. Auch die Eindringlinge wie Bauhaus beziehungsweise Obi unter dem Dach von Migros ? die selbst ebenfalls stark auf Gartencenter setzt ?, die als Baumärkte mit Gartenartikeln bereits Fuss gefasst hätten, würden weiter ihren Weg gehen.
«Es wird ganz klar eine Verdrängung geben.» Davon ist auch ein Mitarbeiter von Meyer Pflanzenkulturen aus Wangen, dem mit 500000 Stück grössten Orchideen-Produzenten der Schweiz, überzeugt. Der Blumenmarkt sei schon länger gesättigt und der Verdrängungskampf bereits voll im Gang. So wird der Überraschungs-Coup von Dehner wohl deshalb nicht nur Migos, Obi, Vatter oder Meyer knallhart treffen, sondern auch die grösste Gartencenter-Kette in der Schweiz, Wyss, die zwar über eigene Baumschulen und Gärtnereien verfügt, aber nicht in der Grösse und Stärke von Dehner. Ungeachtet weiterer möglicher Marktteilnehmer geht Hans Walter Müller, Mitgeschäftsführer der Gartencenter-Kette Wyss, weiterhin von «einem moderaten Wachstum pro Jahr» aus. Neueröffnungen seien nicht geplant, erklärt Müller gegenüber der «Handelszeitung». Dafür aber will sich der Branchenleader mit der Vergrösserung und Modernisierung der Wyss-Filiale in Bern ab 2010 für kommende Herausforderungen wappnen.(nk)