Eine weltweite Reform der Besteuerung von Grosskonzernen ist nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD möglich. Durch die Vorschläge der US-Regierung von Präsident Joe Biden seien die Karten neu verteilt worden, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann am Dienstag. Er sei zuversichtlich, dass ein Konsens gefunden werden könne. «Ich denke, dass wir in einer viel besseren Position sind, als wir es Ende letzten Jahres waren.»
Unter dem Dach der OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an, einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Letzteres soll die Steuerregeln an das digitale Zeitalter anpassen und Schwellenländer gegenüber Industriestaaten besserstellen.
Für die Mindeststeuer hatten die USA zuletzt 15 Prozent vorgeschlagen. Deutschland und Frankreich halten dieses Niveau für realistisch und rechnen mit einer Einigung noch in diesem Jahr. Angepeilt wird die politische Verständigung spätestens im Juli - voraussichtlich zum G20-Treffen in Venedig.
50 Milliarden Euro Steuereinnahmen
Eine globale Mindeststeuer für Grosskonzerne von 15 Prozent würde einer Studie zufolge der Europäischen Union zusätzlich 50 Milliarden Euro in die Kassen spülen. Bei einem Satz von 25 Prozent wären es sogar 170 Milliarden Euro, wie aus veröffentlichten Berechnungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle, einem unabhängigen Analysehaus, hervorgeht.
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Einer früheren OECD-Schätzung zufolge könnte die geplante globale Steuerreform pro Jahr bis zu 100 Milliarden Dollar zusätzlich in die Kassen der Staaten spülen, in denen wegen der Coronavirus-Pandemie derzeit in vielen Fällen riesige Löcher klaffen. Das wären bis zu vier Prozent der jetzigen Einnahmen aus der Besteuerung von Unternehmen. Der Löwenanteil würde auf die Mindeststeuer entfallen.
Vielen Weltkonzernen, vor allem Internet-Giganten wie Amazon, wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen kaum beziehungsweise vergleichsweise wenig Steuern zu zahlen. Die Rufe nach einem faireren Beitrag sind in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Sollten die Pläne für eine Steuerreform scheitern, gehen Experten davon aus, dass es einen Flickenteppich an Digitalsteuern geben wird - und womöglich neue Handelsstreitigkeiten.
Neuer OECD-Generalsekretär Mathias Cormann
Japans Finanzminister Taro Aso sagte, die sieben führenden Industrienationen hätten ihre Differenzen zur geplanten Steuerreform zuletzt verringert. Es werde am Freitag und Samstag beim G7-Treffen in London aber wahrscheinlich keine Debatte über eine konkrete Höhe für eine Mindeststeuer geben. Einem Entwurf für die G7-Abschlusserklärung zufolge soll die Notwendigkeit für eine Steuerreform unterstrichen werden. Es müsse einen «ambitionierten» Deal geben. Details dazu bleiben allerdings offen.
Cormann - von 2013 bis 2020 Australiens Finanzminister - ist bei der OECD Nachfolger des bisherigen Generalsekretärs Angel Gurria. Er ist für fünf Jahre gewählt und soll die seit längerem angestrebte Steuerreform durchbringen.
(reuters/mlo)