Es war eine mittelgrosse Kuhglocke, die Viktor Vekselberg vor gut zwei Jahren in Thun geschenkt erhielt. Der russische Investor hatte eben seine erste grosse Rede in der Schweiz gehalten. «Ich werde alles tun, um die Eigenheiten dieses Landes zu begreifen», sagte er den 400 Unternehmern im Saal am Swiss Economic Forum. Sie klatschten eine ganze Minute, das Eis schien gebrochen, der Russe angekommen, die Verbrüderung perfekt.
Es blieb Vekselbergs bisher einziger grosser Auftritt in der Schweiz. Wenige Monate danach intensivierten die Behörden ihre Ermittlungen zu den Umständen seines Einstiegs bei Sulzer und Oerlikon. Sein Ruf war dahin, die börsenrechtlichen Eigenheiten des Landes schlugen sich in Strafverfahren und Verfügungen der Behörden nieder.
Das soll ihm nicht noch einmal passieren. Vekselberg verstärkt jetzt sein Team in der Schweiz mit einem ausgewiesenen Risk-Manager. Noch arbeitet Rolf P. Schatzmann als Partner bei PricewaterhouseCoopers Schweiz. Doch der Wechsel vom Beratungs- und Prüfkonzern zu Vekselbergs Beteiligungsgesellschaft Renova ist beschlossene Sache und intern bekannt.
Schatzmann war bei PwC Riskmanager für den Geschäftsbereich Wirtschaftsberatung und zugleich Leiter des Branchensektors öffentliche Dienstleistungen. Er kennt alle Fallen im Börsenrecht und forschte zu Wirtschaftskriminalität in der Schweiz. Schatzmann verfügt über ein exzellentes Netzwerk zu Behörden, gilt als «diskreter Mensch», als «eine Person, zu der man Vertrauen haben kann». In der Branche heisst es über den hohen Militär unisono: «Ein Top-Mann.»
Schatzmann wird bei Vekselbergs Beteiligungsgesellschaft nicht zum Feuerlöscher, sondern zum Frühwarnsystem. «Vekselberg will, dass Probleme gar nicht mehr erst auftreten», sagt ein Kollege von Schatzmann. Die bisherigen Konflikte mit den Behörden haben Vekselberg zu viel gekostet. Neben dem guten Ruf zuletzt auch Geld, um den Fall Sulzer ohne Gerichtsverfahren beizulegen. In den 3,3 Millionen Franken Entschädigung ans Finanzdepartement und die Schweizer Berghilfe sind die horrenden Anwaltskosten noch nicht miteingerechnet.
Gefüllte Kassen für Übernahmen
Das Anheuern von Schatzmann zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Zufall: Die Finanzkrise hat Vekselberg verdaut, bei Oerlikon und Sulzer ist juristisch und operativ Ruhe eingekehrt. Das gibt Raum für weitere Expansionen. Seit einigen Wochen ist bei Renova ein breit abgestützter Analyse-Prozess angelaufen, wie die «SonntagsZeitung» berichtete. Dabei prüfen interne und externe Berater alle bestehenden Beteiligungen, in Studien sucht man nach Entwicklungspotenzial.
Offenbar sind beträchtliche finanzielle Mittel für Zukäufe im In- und Ausland verfügbar. «Denkbar sind Investitionen von mehreren hundert Millionen Franken», heisst es aus dem Umfeld von Renova. Anstelle einer grossen Übernahme seien auch mehrere kleinere im Umfang eines «hohen zweistelligen Millionenbetrags oder tiefen dreistelligen» vorstellbar. Soll der Solar-Bereich bei Oerlikon etwas ad-justiert werden? Oder will man das Geschäft mit erneuerbaren Energien bei Avelar ausbauen? Wo liegt Potenzial für den russischen Markt?
Solche Fragen würden nun erörtert, mit einer raschen Umsetzung sei allerdings nicht zu rechnen. Dafür ist auch der andere neue Mann, Tim Summers, noch zu wenig lang an Bord. Der frühere Chef des Erdölkonzerns TNK-BP hat zwar bereits letzten Frühling zu Renova gewechselt, aber erst seit einigen Wochen amtet er als Präsident der Renova-Tochter Venetos, welche die Suche nach Übernahmezielen koordiniert.
Als Vekselberg vor zwei Jahren in Thun sprach, sagte er auch: «Professionelles Verhalten geht immer Hand in Hand mit den Begriffen Ehre und Gewissen.» Das waren die Worte. Mit der Auswahl der richtigen Partner folgen nun hoffentlich die Taten.