Die mangelnde Risikobereitschaft der Schweizer bietet immer wieder Grund zur Klage. Forderungen nach mehr unternehmerischem Mut werden gerne durch Beispiele von Unternehmern unterlegt, die sich auch durch ein Scheitern nicht aus dem Konzept bringen lassen: Den Steh-auf-Firmengründer Martin Ebner etwa oder Peter Schüpbach, den Mitbegründer der glücklosen Softwarefirma Miracle, der letztes Jahr wegen seinem offenbar erfolgreicheren Engagement für Jung- und Wachstumsunternehmen gar zum «Business Angel des Jahres» gekürt wurde.

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Doch allen Klagen zum Trotz kann sich die Schweiz in Bezug auf Gründungsaktivitäten im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Dies zeigt der «Global Entrepreneurship Monitor 2005 (GEM)»: 6% der erwachsenen Schweizer versuchen derzeit aktiv, ein neues Unternehmen zu gründen, oder leiten eines, das noch nicht älter als drei Jahre ist. Mit dieser Gründungsquote liegt die Schweiz im oberen Mittelfeld der europäischen Länder.

Erstaunlich ist eine weitere Erkenntnis der Studie: 51% der Schweizer glauben offenbar, über die nötigen Fähigkeiten zu verfügen, um ein Unternehmen zu gründen und zu leiten. Ein ähnliches Selbstvertrauen weisen nur die Amerikaner auf unsere europäischen Nachbarn trauen sich deutlich weniger zu.

Mercedes anstatt Aufträge

Oder sind sie zu Recht zurückhaltender? Erfolg stellt sich schliesslich nicht automatisch mit der Gründung ein. Im Gegenteil: Laut einer Meldung des Schweizerischen Verbands Creditreform wurden 2001 zwar 162721 neue Unternehmungen gegründet, fünf Jahre später waren aber nur noch 42670 davon operativ.

«Wer nichts riskiert, wird keinen Champagner trinken», orakelt ein estnisches Sprichwort. Hierzulande scheint man die umgekehrte Reihenfolge vorzuziehen, wie sich aus Beobachtungen von Stefan Broger, Präsident der Konferenz Schweizer Betreibungs- und Konkursbeamten, schliessen lässt: «Oft kümmern sich Start-ups erst einmal um den Firmen-Mercedes und die tolle Büroeinrichtung, bevor sie Aufträge haben.» Der direkte Weg in die Illiquidität ohne Umweg über eine nennenswerte Geschäftstätigkeit.

Nicht alle umschreiben diese Art des Geschäftens ähnlich gelassen wie der Swissmetal-Chef Martin Hellweg, der seine glücklosen früheren Unternehmungen gegenüber der «Berner Zeitung» «gescheiterte Experimente» nannte. Er ist beileibe kein Einzelfall: 3550 Personen zählt Creditreform, die heute als VR oder Inhaber einer Firma in den letzten zehn Jahren mindestens dreimal mit einer Firma Konkurs gemacht haben oder in Nachlassliquidation gegangen sind Tendenz steigend.

Zugunsten vieler Jungunternehmer ist immerhin zu sagen, dass manche auf die Notbremse treten, bevor ihnen das Betreibungsamt den Stecker zieht. Das nötige Kleingeld für die unternehmerischen Experimente fliesst inzwischen ja auch nicht mehr so locker. Für die Start-up-Finanzierung gilt zwar nach wie vor hauptsächlich die 3F-Formel «Friends, Family, Fools», zu vermuten ist jedoch, dass schwierigere ökonomische Zeiten zumindest letztere Gruppe dezimieren.

Immerhin: Pure Not zwingt bei uns im Gegensatz zu anderen Ländern kaum jemanden in die Selbstständigkeit. Lediglich 14% der für die GEM-Studie Befragten geben an, mangels besserer Einkommensalternativen Unternehmer geworden zu sein 84% wähnen sich gar im Besitz einer cleveren Geschäftsidee.

Wirklich so clever? Laut Creditreform wurden in den letzten Jahren überdurchschnittlich viele Betriebe in der Gastronomie und im Bauinstallationsgewerbe eröffnet. In Branchen also, in denen der Strukturwandel alle Teilnehmer, die nicht fit sind, umgehend aus dem Markt drängt. An betriebswirtschaftlichem Know-how dürfte es Jungunternehmern heute eigentlich nicht fehlen dafür sorgen nationale, kantonale und private Förderanstrengungen. Gründe für das Scheitern orten Experten eher in unrealistischen Vorstellungen, zu geringer Vorbereitung, fehlender Fokussierung, mangelhaftem Selbstmanagement und ungenügender Kapitalbasis.

Aber offenbar machen es die Schweizer ja gar nicht so schlecht. Der Anteil der etablierten also länger als seit drei Jahren bestehenden Unternehmen ist mit fast 10% so hoch wie in kaum einem anderen europäischen Land, was für eine hohe Stabilität spricht. Selbst in den USA ist die entsprechende Quote deutlich geringer.

Gesellschaftlich wird Scheitern hierzulande kaum akzeptiert. Tatsächlich stellt bei rund 35% der Schweizer die Angst vor dem Scheitern einen ernsten Hinderungsgrund für eigenständiges unternehmerisches Handeln dar, hat die GEM-Studie ermittelt. In den USA bekennen sich nur 23% der befragten Personen zur Angst vor dem Scheitern.

Vielleicht täten Schweizer gut daran, einem Rat der EU-Kommission zu folgen, die vorschlägt, das «Verständnis für das unternehmerische Scheitern einschliesslich der Unterscheidung zwischen betrügerischem und nicht betrügerischem Konkurs» bereits in der Schule zu fördern.

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Service: Geld für Start-ups

«Die Schweiz, welche über eine beträchtliche Kapitalkraft verfügt, sollte nicht nur in etablierte Unternehmen investieren», mahnt die GEM-Studie*. Institute wie die ZKBengagieren sich zwar in der Finanzierung von Start-ups. Doch sie wollen zuerst etwas Handfestes sehen:

1. Professionalität

Im Idealfall, heisst es vonseiten der ZKB, werden die wesentlichen Informationen in einem Businessplan festgehalten. Dieser umfasst Angaben zu Produkten und Märkten sowie eine Finanzplanung unter Berücksichtigung der geplanten Meilensteine.

2. Persönlichkeit

Bei der Beurteilung eines finanziellen Engagements stützt sich die Bank nebst der Ertragskraft des Unternehmens auch auf die persönliche Einschätzung des Unternehmers. «Eine saubere Aufbereitung der Unterlagen sowie die gründliche Vorbereitung auf das Finanzierungsgespräch können das persönliche Urteil des Bankberaters nur positiv beeinflussen und erhöhen die Chance auf eine Finanzierung», erklärt Oliver Schärli, Leiter Start-up-Finance bei ZKB.

Informationen zur Finanzierung von Start-ups und KMU: www.kmuinfo.ch des Volkswirtschaftsdepartementes.* «Global Entrepreneurship Monitor 2005» als Download:www.kmu.unisg.ch/subdir/GEM_report_DE_2006.pdf