Zalando will offenbar an die Börse. Wie schätzen Sie dieses Vorhaben ein?
Patrick Palombo*: Das war abzusehen. Seit dem Einstieg diverser Gesellschafter hat man vermutlich darauf hingearbeitet. Zalando schraubte den fiktiven Börsenwert hoch, indem es Markenwerte geschaffen hat. Die Marke Zalando hat einen Bekanntheitsgrad, der mittlerweile knapp unter Coca-Cola liegt. Das ist sozusagen der einzige fassbare Wert.
Und das reicht nicht?
In Bezug auf die Betriebswirtschaftlichkeit muss das Unternehmen noch beweisen, dass es auf dem richtigen Weg ist. Zalando hat mit sehr viel Geld Markenwerte gekauft. Vor allem mit Image-Werbung. Produktwerbung gab es hingegen so gut wie keine. Das ist immer ein Indiz dafür, dass der Markenwert wichtiger ist, als Gewinne zu schreiben oder den Break Even zu erreichen. Damit schafft man einen Wert, der entweder kapitalisiert wird durch Veräusserungen an einen anderen Investor oder an einen operativen Gesellschafter. Es hätte beispielsweise Sinn gemacht, Zalando an Amazon oder einen anderen strategischen Händler zu verkaufen. Eine andere Alternative ist der Gang an die Börse, was Zalando offenbar nun macht.
Zalando scheint noch immer in den roten Zahlen zu stecken. Hat das Unternehmen keinen Käufer gefunden, so dass nur noch der Börsengang übrig bleibt?
Als potenzieller Gesellschafter schaut man sich erst einmal die Geschäftszahlen des Unternehmens an. Ein Investor oder ein Käufer aus dem operativen Bereich interessiert sich in erster Linie für die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens. Die Frage lautet also: Kann ich mit der Firma auf kurz- bis mittelfristiger Sicht Gewinn machen? Doch Zalando hat scheinbar mit Absicht nicht dieses Ziel verfolgt und stattdessen den Wert der Marke gesteigert. Etwas anderes als den Markenwert kann Zalando derzeit nicht vorweisen. Es kann nur spekuliert werden, wann die Firma aus den roten Zahlen kommt. Doch jetzt muss das Unternehmen zeigen, welche Wirtschaftlichkeit in der Marke Zalando steckt.
Hinter Zalando stecken die Investoren-Brüder Samwer. Sie sind bekannt dafür, dass sie Firmen klonen, schnell aufblähen und dann gewinnbringend veräussern. Zalando ist bisher ihr längstes Projekt. Steigen die Brüder nun aus, sobald Zalando an der Börse ist, um die Millionen einzustreichen?
Darüber kann man nur spekulieren. Firmen werden häufig aufgebaut und dann verkauft. Mit Zalando ist es das Gleiche. Mit dem Gang an die Börse stösst man das Unternehmen indirekt ab. Man hält noch einen Teil der Firma und der Rest der Aktien geht in den freien Umlauf. Es macht ja auch Sinn, das Unternehmen zu veräussern, solange es noch einen Wert hat. Ich persönlich würde mir jedoch überlegen, ob ich eine Zalando-Aktie kaufen würde und mit welcher Nachhaltigkeit sich das Papier am Markt behaupten könnte. Das ist die gesunde Skepsis, die man gegenüber einem Unternehmen aufbringen muss, dass sich innert kurzer Zeit sehr schnell erhitzt hat.
Das US-Unternehmen Twitter ist ebenso an die Börse gegangen und schreibt nach wie vor Verluste. Der Aktienkurs ist derzeit auf Tauchgang. Macht es überhaupt Sinn, ein unprofitables Unternehmen an die Börse zu bringen?
Für Zalando ist es die letzte Chance, das Unternehmen halbwegs vernünftig dem Markenwert entsprechen zu kapitalisieren. Der Markenwert ist bei Zalando gut siebenstellig. Das könnten die Anleger eventuell an der Börse honorieren. Twitter oder auch Facebook haben überproportionale Marktanteile. Doch bei Zalando fragt man sich: Wo ist das Fleisch am Knochen? Die Alleinstellungsmerkmale, sogenannte USP, sehe ich hier nicht – weder beim Sortiment noch im Service oder bei anderen marktrelevanten Aspekten. Nichts bei Zalando ist einzigartig. Und im Handel reden wir nur von zwei Dingen: Sortiment und Service. Doch auf beiden Seiten sehe ich keine Alleinstellungsmerkmale.
Die an der Börse kotierten Unternehmen müssen ihre Geschäftszahlen offenlegen. Doch bisher liess Zalando nicht in die Bücher blicken. Ist ein Börsengang für Zalando nicht ein Schuss ins eigene Bein?
Es ist völlig legitim, dass Zalando bisher keine konkreten Zahlen kommuniziert hat. Als nicht börsenkotiertes Unternehmen hat es keine Veröffentlichungspflicht. An der Börse muss Zalando aber alle Zahlen auf den Tisch legen. Aus dem jetzigen Milchglas muss dann ein normales Glas werden. Niemand investiert, wenn er nicht weiss, wo das Unternehmen steht und wohin es gehen will. Auch ein Unternehmen mit roten Zahlen kann an die Börse gehen. Das ist nicht das Problem. Die Firma könnte dann die Anleger mit einer guten Strategie überzeugen. Man muss stattdessen einfach eine plausible und glaubwürdige Geschichte haben. Das ist der Punkt.
*Patrick Palombo ist ein auf Online-Handel spezialisierter Unternehmensberater und Gründer der Firma Palombo-Consulting in Düsseldorf.