Die Schweizer sind Weltmeister im Konsum von Nivea-Produkten. In keinem anderen Land ist der Umsatz der weltweit grössten Haut- und Körperpflegemarke pro Kopf so hoch wie in der Schweiz: 18,71 Euro. Und das will etwas heissen: Schliesslich ist Nivea in 170 Ländern präsent. Kein Wunder gehört die Schweizer Filiale mit 135 Angestellten zu den lukrativsten weltweit. Beiersdorf Schweiz, zu der Nivea gehört, erzielte letztes Jahr mit einer Umsatzrendite von 17,1% einen Gewinn von 25 Mio Fr.
Auch das Wachstum des Unternehmens ist beeindruckend. Innerhalb von knapp zehn Jahren hat sich der Umsatz in der Schweiz verdoppelt. «Wir sind immer schneller gewachsen als der Markt», sagt Wolfgang Wünsche, CEO von Beiersdorf Schweiz mit Sitz im baslerischen Münchenstein. Beiersdorf ist im Kosmetikmarkt die Nummer zwei, ganz knapp hinter Marktleader Migros und vor L'Oréal. Die Schweizer Filiale ist ein Joint Venture zwischen der Basler Firma Doetsch Grether und dem Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf.
Seit knapp zwei Jahren führt der 54-jährige Österreicher Wünsche die Schweizer Filiale. Sein Ziel ist es, mit Beiersdorf-Produkten überall präsent zu sein: «Wir wollen in jeden Verkaufskanal kommen.» Ein gewaltiges Etappenziel erreichte er bereits: Ab nächster Woche werden über 170 verschiedene Nivea-Produkte von Sonnenschutzmitteln über Tagescrème bis zu Duschprodukten bei Migros verkauft werden, und ab Herbst wird auch die Schminklinie von Nivea in die Regale des grössten Schweizer Detailhändlers gestellt. Und bereits führt Wünsche mit der Post «unverbindliche Sondierungsgespräche», um Nivea auch in den Post-Shops zu verkaufen.
Wünsche war über die kritischen Konsumenten in der Schweiz überrascht: «Sie sind sehr anspruchsvoll und mögen keine Überraschungen.» Sofort wurde von Konsumentenseite moniert, als sich die Verschlusskappe einer Nivea-Crème nicht mehr auf den Kopf stellen liess. Wünsche nimmt solche Kritik ernst. Denn der Erfolg beruht auf intensivstem Marketing. «Produktinnovationen, Markenpflege und neue Verkaufskanäle» heisst sein Erfolgsrezept.
Nivea-Linie: 600 Produkte
Rund 80% des Umsatzes in der Schweiz erzielt Beiersdorf mit Nivea-Produkten. Daneben führt der Kosmetikhersteller auch noch globale Brands wie Hansaplast (Wundversorgung), Atrix (Hautcrème), Labello (Lippenpflege) und 8x4 (Deodorant) sowie in unabhängigen Tochtergesellschaften Juvena, La Prairie (exklusive Produkte) und Tesa (Klebetechnologie).
Wie gross die Produktinnovation ist, zeigt die Nivea-Linie. Was mit einer einzigen schneeweissen (lateinisch Nivea) Salbe in der runden blauen Dose mit weissem Schriftzug vor rund 90 Jahren begann, ist heute zu einem Markendach avanciert, das 600 verschiedene Produkte umfasst: Vom Shampoo für Kids bis zur Antifaltencrème. Eine spezielle Linie richtet sich an die reife Haut, eine an die junge Haut, und die dritte Linie richtet sich an die normale Haut.
Obwohl die Marke Nivea eine der stärksten Marken der Welt ist, wird weiterhin kräftig in den Brand investiert. «12% des Umsatzes gehen in die Werbung», sagt Wünsche. Gerade nächste Woche wird ein neuer Fernsehspot zum neuen Nivea-Produkt Natural Booster laufen.
Der Handel beklagt die Preisfixierung und die Hindernisse im Parallelimport, Wünsche betont aber: «Der Handel ist frei, die Preise selber zu bestimmen, und er kann die Produkte auch anderswo beziehen.» In Deutschland etwa verkauft Beiersdorf die Produkte an den Handel rund 5% billiger als in der Schweiz. «Aber ein Bezug aus dem Ausland rechnet sich nicht», meint Wünsche. «Denn der Händler muss die Frachtkosten selber bezahlen und auch die Beschriftung der Packungen in zwei Sprachen selber anfertigen.»
Im Durchschnitt behält der Händler rund 35% des Verkaufspreises. Über die Listeninggebühr von Nivea bei Migros will Wünsche keine Angaben machen. Nach Recherchen der «HandelsZeitung» muss Beiersdorf rund 1,5% des Umsatzes an Migros bezahlen.
Produziert wird Nivea ausschliesslich von eigenen Fabriken. In Europa existieren pro Produkt zwei Produktionsstätten. «Bei Doetsch Grether in Basel werden spezielle Packungsgrössen für die Schweiz hergestellt», sagt Wünsche. Am Schweizer Hauptsitz in Münchenstein wird nicht produziert, sondern vor allem die Verteilung organisiert. «Jeden Tag verlassen 50000 Artikel die Zentrale für den Schweizer Markt.»
Angesichts dieser Menge verwundert es nicht, dass der Schweizer 232 Euro oder 90 Euro mehr als der Durchschnittseuropäer für Körperpflege ausgibt. Laut Marktforschungsinstitut IHA beträgt der Umsatz von Körperpflegemitteln in der Schweiz ohne Tessin 1198 Mio Fr. Wenigstens in einer Disziplin haben es die Schweizer zum Europameister geschafft: Im Konsum von Kosmetikartikeln.
Beiersdorf International
Der Kosmetikkonzern Beiersdorf setzt weltweit 4,74 Mrd Euro um und beschäftigt 18249 Mitarbeitende. Dabei ist Nivea wichtigster Umsatzträger. Tchibo ist mit 49,9% grösster Aktionär und hat eine weitere Option auf 0,5%.