Aus 99 von 100 Erfindungen wird nichts, so der einhellige Tenor unter Erfindern und Patentanwälten. Den Erfindungsgeist hemmt er dennoch nicht. Entsprechend gross war der Andrang an der Erfindermesse letzte Woche in Genf. Mehr als 1000 Erfinder präsentierten dem Publikum ihre Würfe. Bei manch einem blieb es nicht nur bei der Demonstration. Bei der letztjährigen Messe konnten immerhin 45% der Aussteller Lizenzverträge abschliessen, weiss die Messeleitung und veranschlagt das Geschäftsvolumen auf über 30 Mio Dollar.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Nichtsdestotrotz bleibt der Weg zum Erfolg für Erfinder steinig. Manchmal liegts aber auch am Tüftler: «Viele beherrschen ihre Technologie, sind aber ungeschickt bei Lizenzverhandlungen oder im Marketing», urteilt Andreas Kurt vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum. Das Schicksal des Bergbauers, der in den 1980er Jahren den Skistopper erfand und sieben Jahre lang auf einen Produktionsvertrag hoffte, wiederholt sich immer wieder: Als er sein Patent aufgab, warfen die grossen Skiproduzenten im Handumdrehen Skistopper auf den Markt.

Not mache auch nicht erfinderisch, sagt Kurt. Erstens zeigen die leicht zunehmenden Patentgesuche, dass sich Erfindungen weder parallel noch antizyklisch zur Konjunktur verhalten. Zweitens wisse man aus der Verhaltensbiologie von Lebewesen, dass sich Tiere im geschützten Rahmen eines Zoos innovativer verhalten als in der freien Natur, wo sie bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse überbeschäftigt sind. Sprich: Die Not eines Erfinders löst zuweilen zwar den Mut aus, einen grossen Wurf zu wagen, «aber meistens führen stabilere Innovationsrituale eher zum Erfolg».

Gegeben ist ein solcher Rahmen vor allem in den Forschungsabteilungen grosser und mittlerer Unternehmen. Diese seien zurzeit trotz Rezession wacker am Tüfteln, berichtet der Berner Patentanwalt Michel Seehof, dessen Beratermandate 2002 zugenommen haben. Wie die Erfolgsbilanz bei den Einzelerfindern aussieht, die nach Seehof etwa einen Zehntel ausmachen, kann niemand beziffern. Kurt: «Eine Erhebung über den Erfolg von erteilten Patenten gibt es bis dato nicht.» Mehr über Einzelfälle brachte die «HandelsZeitung» bei drei Tüftlern in Erfahrung, die sie vor zwei Jahren anlässlich der Genfer Erfindermesse porträtiert hat.

Hedingers Erfolg in Deutschland

Der Zürcher Ingenieur Robert Hedinger versucht gar nicht erst, seine Erfindungen selber zu vermarkten. An der Erfindermesse präsentierte er 2001 eine Benzindiebstahlsicherung mit zwei federnden Bolzen, die quer im Tank stecken bleiben, bis der Kunde bezahlt hat. Er offerierte die Sicherung samt Applikationsvorschlag mehreren Tankstellenausrüstern. Ein Deutscher kaufte ihm das Patent ab und wird demnächst damit beginnen, Hedingers Erfindung zu vermarkten.

«Schweizer waren desinteressiert, weil sie nicht zugeben wollten, dass pro 1000 l Benzin deren zehn gestohlen werden.» Hedingers Material- und Arbeitsaufwand sowie die Patentierungskosten lagen unter 10000 Fr. Das Endprodukt dürfte etwa 1000 Fr. kosten, das Sparpotenzial für deutsche Tankstellen liegt jährlich bei insgesamt etwa 16 Mio Fr. Egal, wie komplex eine vorgeschlagene Lösung auch ausfalle, Einzelerfinder sollten nicht mehr als 10000 Fr. investieren, findet Hedinger. Selber produzieren und vermarkten will er nicht, weil «ich mir keine kapitalintensive Produktionsstätte leisten kann». Er sucht lieber immer wieder von neuem nach «kombinatorischen» Lösungen für bestehende Probleme.

Momentan tüftelt er an einer Zahnbürste, die mittels eingelassener chemischer Substanz Pilzen, Viren oder Bakterien zu Leibe rückt. Einen Vermarkter hat er bereits gefunden. Neu an der «virenfreien Zahnbürste» ist nicht die Idee der Virenbekämpfung, sondern die anwenderfreundliche Kombination bestehender Lösungen.

TaschenProduzentin China

Die Hotelfachangestellte Barbara Helmrich kam tatsächlich in einer Notsituation auf die Idee, die sie sich 2001 hat patentieren lassen: Ein Schutz- und Rucksack für Snowboards. Sie hatte sich an den Kanten ihres Brettes geschnitten, als sie es in die Gepäckablage eines Postautos laden wollte, und musste mit blutigen Fingern auf die Piste. Wieder zu Hause nähte sie einen Stoffsack, den sie über das Board stülpen und umhängen kann. Bei ihrem nächsten Trip staunten mitfahrende Wintersportler nicht schlecht: «Das musst du patentieren lassen.»

Mehr als ein Jahr später fand sie einen chinesischen Produzenten, mit dessen Hilfe sie ihre «Helmrich» heute in drei Grössen und Farben anbieten kann. Für die Patentrecherche, die Anmeldung und eine erste Produktionsserie hat sie rund 70000 Fr. hingeblättert. Ein «grosser Sportartikelanbieter» hat aber noch nicht angebissen. Immerhin konnte sie über Sportboutiquen, unter anderem in Zermatt, rund 50 Helmrichs absetzen. Der reissfeste «Ripstop»-Schutzsack ist wie eine Pellerine zusammenfaltbar und kostet im Handel 59 Fr.

Interesse am Prototyp für Taucher

Ebenfalls an der Erfindermesse 2001 präsent war das Team von New Scaph Technology, das ein Tauchgerät ohne Sauerstoffflaschen und damit eine neue Sportart erfunden hat: Dolfing; ein Rucksack mit eingebautem Kompressor saugt durch einen Schlauch Luft von der Wasseroberfläche und leitet sie in die Lunge des Dolfers. «Bis zu drei Meter tief lassen sich bequem Unterwasserspaziergänge oder Renovationsarbeiten an einer Jacht unternehmen», beschreibt Projektmanager Michel d'Arcis zwei Anwendungsbereiche. Nachdem ein Prototyp insbesondere in Australien auf breites Interesse gestossen ist, sind die Genfer jetzt dabei, die Industrialisierung vorzubereiten.

Für die hochtechnische Apparatur, die erst noch die Hürden internationaler Tauchnormen nehmen musste, seien bis dato 2,5 Mio Fr. investiert worden. Das Team hofft, diese ab Sommer 2004 bei Abnehmern wie grossen Ferienveranstaltern und Bootsunterhaltern wieder reinzubekommen. Ein Dolfing-Rucksack soll etwa 1500 Fr. kosten. Märkte sieht d'Arcis in Australien, Italien und den USA.

Der Erfolg der Benzindiebstahlsicherung spricht für sich. Für die anderen Erfindungen werde es schwierig, glaubt Patentanwalt Seehof. Er bezweifelt, ob Jugendliche neben den Aufwendungen für eine Snowboardausrüstung noch 60 Fr. in ein Produkt investieren, das andere vor ihren Kanten schützt. Das Dolfer-Prinzip sei viel versprechend, bei der momentanen Reiseunlust und angesichts der Rezession wohl aber kaum zu realisieren.

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum

Unabhängiger Vermarkter von Patenten

Im Volksmund gilt das Patentamt heute Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) noch als Synonym für die Lagerung verstaubter Patentgesuche. «Diese Zeiten sind vorbei», erklärt IGE-Direktionsmitglied Andreas Kurt. Seit 1996 ist das IGE finanziell unabhängig. Mehr als die Hälfte der Angestellten ist damit beschäftigt, aus unzähligen Erfindungs- und Innovationsdatenbanken strukturierte Resultate herauszufiltern. Solche Dienstleistungen werden unter dem Branding «exensis IP-Search» vermarktet.

Seit die privatwirtschaftlich orientierten Entwicklungsbeobachter schweizerischen Erfindern und Unternehmen gegen Bezahlung ihre Innovationspotenziale aufzeigen, fürchten Patentanwälte um ihren Kundenstamm: «Aufgrund seiner Patentgebühren kann das IGE mit einem riesigen Werbebudget auftreten», unterstellt der Berner Patentanwalt Michel Seehof dem IGE Anfälligkeit auf Quersubventionierung. Äusserst heikel findet er, wenn ein und dasselbe Institut Richterfunktionen und Beratertätigkeiten ausübt. «Die richtigen Schlüsse aus Patentrecherchen zu ziehen und die Erfinder vor Gericht zu vertreten, ist unser Job.» Da kann Kurt die rund 300 Schweizer Patentanwälte beruhigen: Es wäre verfehlt, wenn das IGE seine Kunden strategisch beraten würde. «Wir sind dabei auf Patentanwälte angewiesen. Deshalb führen wir unsere Kunden auch zu ihnen.» Dass sich zwischen der Erhebung des Innovationspotenzials einer bestimmten Erfindung und dem Ausarbeiten betrieblich relevanter Strategien ein Graubereich ergibt, ist sich Kurt bewusst. Die Unterstellungen zielten aber an der Ausrichtung des IGE vorbei: Nach Schätzungen des Europäischen Patentamtes werden europaweit 25 bis 40 Mrd Fr. für Entwicklungen aufgewendet, die anderswo schon getätigt wurden.

Die IGE-Dienste sollen helfen, solche Doppelspurigkeiten abzubauen. Die Werbekampagnen für exensis seien daher vor allem als Sensibilisierung für rechtlich gut abgesicherte Innovationen gedacht. (tmö)

www.ige.ch