Novartis-Konzernchef Vas Narasimhan räumt mit der Vergangenheit auf. Vor einer Woche hat der Basler Pharmakonzern in den USA in die Zahlung von 347 Millionen Dollar eingewilligt, um einen Rechtsfall um Bestechung in Griechenland und Vietnam beizulegen. 234 Millionen Dollar gehen an das US-Justizdepartment, bei der US-Börsenaufsicht sind 113 Millionen Dollar zu zahlen.
225 der zuhanden des Justizministeriums fällig werdenden 234 Millionen Dollar gehen zulasten der griechischen Ländergesellschaft Hellas S.A.C.I, die restlichen 9 Millionen Dollar wird die inzwischen verselbstständigte Augenheilsparte Alcon übernehmen – wobei Novartis dafür gemäss den Bedingungen des Spin-offs von 2019 dafür rückerstattungspflichtig wird, wie das Unternehmen auf Anfrage schreibt.
Nun ist auch ein umfangreicher Rechtsfall um die Bestechung von Ärzten in den USA vom Tisch. Nach einem siebenjährigen Seilziehen willigt der Konzern in eine Zahlung von 678 Millionen Dollar ein. Novartis wurde vorgeworfen, sogenannten Speaker-Programme – Anlässe, bei denen von der Industrie bezahlte Ärzte vor ihren Kollegen über Medikamente referieren – im grossen Stil dazu genutzt zu haben, um Ärzte für teures Geld in Luxus-Hotels und -Restaurants oder auf Ausflüge zum Fischen eingeladen zu haben. Es ging um 80’000 dieser «Sham-Events».
«Verwerfliches» und «unredliches» Verhalten
Das Urteil des Justizministeriums ist vernichtend. Gier sei an Stelle der Verantwortung getreten, welche die Öffentlichkeit von denen erwarten dürfe, die Medizin praktizierten, schreibt das Justizministerium; ein solches Verhalten könne das Verhalten in die Industrie als Ganzes erschüttern. Das Verhalten von Novartis sei «verwerflich» und «unredlich».
Die Einigung ist für den Konzern mit einer ganzen Reihe strenger Auflagen verbunden. So dürfen Speaker-Programme künftig nur noch in virtuellen Formaten durchgeführt werden, «das heisst, die externen Redner sind remote und befinden sich nicht am gleichen Ort wie das Publikum». Zudem dürfen sie nicht in Restaurants abgehalten werden und es darf kein Alkohol serviert werden.
Rigorose Auflagen für Novartis
Rigoros auch diese beiden Vorschriften: Die Programme dürfen nur innerhalb von 18 Monaten nach der Zulassung durch die FDA veranstaltet werden – also nur dann, wenn tatsächlich Informationsbedarf vonseiten der Ärzteschaft bezüglich neuer Medikamente besteht. Die Limite pro Produkt, das für die Vergütung durch das öffentliche Versicherungssystem – also Medicaire und Medicaid – zugelassen wird, oder für die Erweiterung der Zulassung um eine neue Indikation liegt bei 100’000 Dollar; wobei pro Speaker maximal 10’000 Dollar aufgewendet werden dürfen.
Das ist wenig. Zum Vergleich: Bei den Events, um dies es in dem nun beigelegten Rechtsfall ging, wurden für einzelne Hotel-Aufenthalte und Restaurant-Besuche Tausende Dollar ausgegeben. So soll Novartis zum Beispiel an einem Valentinstag für ein Essen für zwei Personen in Des Moines, Iowa, 3127 Dollar aufgeworfen haben. Die Rede ist zudem von kostspieligen Fishing Trips nach Alaska und Tallahassee sowie von Partys.
Die Vereinbarung entspreche dem Versprechen von Novartis, alte Compliance-Angelegenheiten zu lösen und von ihnen zu lernen, wird Konzernchef Vas Narasimhan in der Mitteilung zitiert. Novartis sei heute ein anderes Unternehmen, mit einer neuen Führung, einer stärkeren Kultur und einem umfassenderen Bekenntnis zu ethischen Verhaltensweisen. «Ich will nicht, dass wir kommerziellen Erfolg auf Kosten unserer Werte erzielen.»
Novartis – ein «Wiederholungstäter»
Der nun gelöste Rechtsfall geht auf Vorwürfe des ehemaligen Verkaufsangestellten Oswald Bilotta von 2011 zurück. Der Whistleblower behauptete, die von Novartis durchgeführten Programme seien offenkundige Marketingveranstaltungen und erfüllten keinen informativen Zweck für die Ärzte.
Novartis hatte sich bereits 2010 in einem Fall um fragwürdige Verkaufsmethoden schuldig bekannt und eine Zahlung von 422,5 Millionen Dollar geleistet. Auch damals hatte sich Novartis im Rahmen eines sogenannten Corporate Integrity Agreement zur Besserung verpflichtet. Der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara bezeichnete Novartis deshalb 2013 als «Wiederholungstäter».