Der Pharmariese Novartis will das deutsche Biotechunternehmen Morphosys für 2,7 Milliarden Euro übernehmen. Je Morphosys-Aktie will Novartis 68 Euro zahlen, wie beide Seiten am Montagabend nach Börsenschluss mitteilten. Reuters hatte bereits zuvor von Insidern erfahren, dass sich Novartis in fortgeschrittenen Gesprächen zu einer Übernahme von Morphosys befindet. Das hatte die Aktien der Biotechfirma zu Wochenbeginn auf ein Jahreshoch von 58,50 Euro getrieben.
Zwei mit der Sache vertrauten Personen zufolge hat Novartis sich gegen den Arzneimittelhersteller Incyte durchgesetzt, der Vertriebspartner von Morphosys ist und ebenfalls um die Firma geworben haben soll. Novartis sichert sich mit dem Zukauf den Zugriff auf den grössten Hoffnungsträger des Unternehmens, das Mittel Pelabresib zur Behandlung von Myelofibrose - einer seltenen bösartigen Erkrankung des Knochenmarks.
Für den Vollzug des Deals sind noch die erforderlichen kartellrechtlichen Genehmigungen nötig sowie das Erreichen einer Mindestannahmequote von mindestens 65 Prozent der Morphosys-Aktien. Bereits im ersten Halbjahr will Novartis den Zukauf abschliessen und Morphosys dann von der Börse nehmen.
Zulassungsanträge bis Mitte 2024
Morphosys hatte Ende vergangenen Jahres Ergebnisse der entscheidenden Phase-3-Studie mit Pelabresib vorgelegt.
Diese konnten Anleger nicht überzeugen, obwohl das Mittel das Hauptziel der Studie erreichte. Bei einem wichtigen Nebenziel war jedoch kein statistisch signifikanter Nutzen erkennbar. Dennoch will Morphosys bis Mitte des Jahres die Zulassungsanträge für das Medikament in den USA und der Europäischen Union einreichen.
«Novartis verfügt über umfangreiche Ressourcen, die uns als eigenständiges Biotech-Unternehmen derzeit nicht zur Verfügung stehen, um die Entwicklungsmöglichkeiten von Pelabresib beschleunigen und das Vermarktungspotenzial schneller und in grösserem Umfang ausschöpfen zu können», sagte Morphosys-Chef Jean-Paul Kress.
Nur ein einziges Medikament auf dem Markt
Bislang hat Morphosys mit dem Krebsmittel Monjuvi nur ein einziges eigenes Medikament auf dem Markt, das das Unternehmen im Rahmen einer Kooperations- und Lizenzvereinbarung mit Incyte vertreibt. Incyte soll nun für 25 Millionen Dollar die weltweiten Exklusivrechte an dem Medikament erhalten. Mit Pelabresib hofft Morphosys, einen neuen Behandlungsstandard setzen zu können. Das Mittel hatte sich das Unternehmen 2021 mit der 1,7 Milliarden Dollar schweren Übernahme des US-Krebsspezialisten Constellation Pharma gesichert.
Über Jahre war das 2012 zugelassene Medikament Jakavi von Novartis das einzige Arzneimittel in diesem Indikationsgebiet. Doch bei etwa der Hälfte der Myelofibrose-Patienten, die von Jakavi profitieren, kommt es nach zwei bis fünf Jahren zu einem Verlust des Therapieansprechens. Morphosys sieht in diesem Markt daher hohes Potenzial und traute Pelabresib bislang Umsätze in Milliardenhöhe zu. Novartis setzte mit Jakavi im vergangenen Jahr 1,72 Milliarden Dollar um, ein Plus von zehn Prozent.
Gescheiterte Cytokinetics-Übernahme
Der Basler Konzern war zuletzt nach Angaben von Insidern an einer Übernahme des Biotechunternehmens Cytokinetics interessiert. Das Geschäft, das Cytokinetics mit mehr als zehn Milliarden Dollar hätte bewerten können, scheiterte einer mit der Sache vertrauten Person aber letztlich. Novartis-Chef Vasant Narasimhan hatte Mitte Januar gesagt, dass sich die Übernahmestrategie des Unternehmens auf kleinere Akquisitionen im Volumen von weniger als fünf Milliarden Dollar konzentriere.
Morphosys ist 1992 in Martinsried bei München gegründet worden. Das Unternehmen ging 1999 an die Börse und wuchs in den frühen 2000er Jahren durch Partnerschaften mit Pharmakonzernen wie Novartis, Janssen, Schering-Plough und Pfizer. Seit 2018 ist Morphosys auch an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet.
(reuters/gku)