Während der Transparenzdruck in Salär- und Kontrollfragen zunimmt, haben die Verantwortlichen grosser Publikumsgesellschaften eine neue Spielwiese für ihre individuellen Vorlieben auf Geschäftskosten entdeckt. Unter der unverfänglichen Bezeichnung «Corporate Art» gehen nicht wenige Topmanager ihren ganz persönlichen Neigungen nach. So ist Kunst auch beim Basler Pharmagiganten Novartis Chefsache.

Weder existiert so etwas wie ein öffentlich zugängliches Werkinventar, das die im Konzern verstreuten Bilder und Kunstobjekte auflisten würde, noch gibt es bei Novartis eine Fachkommission, die über die laufenden Ankäufe entscheidet.

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Nach offizieller Sprachregelung unterhält der Basler Pillenmulti, dessen Name sinnigerweise «neue Kunst» bedeutet, gar keine eigentliche Kunstsammlung; man hortet in Basel bloss haufenweise Skulpturen und Bilder. Tatsächlich geht der überwiegende Teil der konzernweit auf weit über 4000 Kunstobjekte geschätzten Kollektion auf die Bestände der beiden Vorgängerfirmen Ciba und Sandoz zurück. Seit der Fusion ist nie der Effort unternommen worden, die Kunstobjekte unter einem gemeinsamen Dach zu integrieren. Mit der grotesken Folge, dass bei Novartis heute jede Ampulle und jede Labormaus einen Kontrollcode trägt – die Kunst aber der Kontrolle von Daniel Vasella überlassen ist.

Ohne sich auf ein kunsthistorisch bewandertes Gremium abzustützen, erwirbt der promovierte Arzt an der Konzernspitze freihändig, was ihm gefällt. Dass es sich dabei mehrheitlich um die Werke chinesischer Gegenwartskünstler handelt, ist in Galeriekreisen kein Geheimnis – ein Sammelgebiet übrigens, dem sich Doktor Vasella auch als Privatmann verschrieben hat. Es erstaunt wenig, dass sich an diesem heiklen Thema niemand die Finger verbrennen will: «Wenn ich rede, kostet mich das die Stelle», befürchtet ein mit der Materie vertrauter Novartis-Mitarbeiter. «Heute ist alles direkt bei Herrn Vasella angesiedelt», spielt der Betreffende den Ball weiter.

Als Leiterin der Kunstwerkverwaltung firmiert seither Vasellas persönliche Assistentin. «Details über unsere Sammlung geben wir keine bekannt», klemmt sie sämtliche Auskunftsbegehren präventiv ab. Immerhin lässt die Chefsekretärin durchblicken, dass es im Hause Novartis kein eigentliches Budget für Kunstkäufe gebe. Aus welchem Topf, hätten wir deshalb gerne gewusst, werden die laufenden Ankäufe finanziert? «Bei dieser Frage handelt sich um ein Internum», reagiert die Vorzimmerdame resolut.

Ob diese Form von eigenmächtigem Mäzenatentum einer fortschrittlichen Auffassung von Governance zu genügen vermag?

Was die künstlerische Aufwertung des so genannten Novartis-Campus betrifft, wo dieser Tage eine erste Skulpturengruppe aus der Werkstatt des berühmten Eisenplastikers Richard Serra enthüllt wurde, lässt Vasella derweil nichts anbrennen. Keiner soll etwas zu meckern haben, wenn sich der Spitzenverdiener unter den helvetischen Topmanagern erstmals vor breitem Publikum als Kunstförderer und uneigennütziger Mäzen in Szene setzt.

Mit der Auswahl der auf dem Novartis-Campus zu platzierenden Grossinstallationen hat Vasella keinen Geringeren als den Ausstellungsmacher Harald Szeemann beauftragt, einen schier unwidersprochenen Garanten des guten Geschmacks, wenn es um grosse kuratorische Gesten geht (siehe Artikel zum Thema «Kunstmarkt: Viel Schotter in der Szene»). So spielt es letztlich auch keine Rolle, ob die riesige «fliegende Dampfwalze» von Chris Burden, die Szeemann nebst weiteren Grossinstallationen anschaffen möchte, entfernt an sozialistische Arbeiterkunst aus dem letzten Jahrhundert gemahnt. Laut Szeemann ist das gelbe Ungetüm, das einen Schutzbau von 22 Metern Durchmesser erforderlich machen würde, «spektakulär, kraftvoll und innovativ».

Was könnte besser zur «neuen Kunst» und zu ihrem ambitionierten Vordenker passen?