Man kann es nicht anders sagen: Novartis-Konzernchef Vas Narasimhan schwimmt im Geld. Der Verkauf des Aktienpaketes an Roche hat dem Unternehmen einen Rekordgewinn von 24 Milliarden Dollar beschert. Und der «Unboss» aus Basel könnte bald noch mehr aus dem Vollen schöpfen. Sollte Sandoz verkauft werden, so könnte das nochmals so viel in die Kassen von Novartis spülen.
Interessierte Private-Equity-Firmen hätten das Geschäft mit den Generika und den Biosimilars – also kommerziell interessanten Nachahmerprodukten für biologisch hergestellte Medikamente – mit 25 Milliarden Dollar bewertet, berichtete «Bloomberg» dieser Tage. Analysten schätzen, dass Novartis unglaubliche 100 Milliarden Dollar an Spielgeld frei machen könnte. Das würde mittlerweile locker reichen, um sich in der Königsklasse der Biotech-Unternehmen umzusehen und eine Biontech oder Moderna einzutüten.
Nichts wie los also? Nicht ganz. Gewiss, der Zeitpunkt für Akquisitionen ist gut. Die Biotech-Titel haben in den vergangenen Monaten gelitten, zuletzt in Erwartung der Zinswende. Höhere Zinsen sind Gift für eine Branche, in der Unternehmen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte überleben müssen, bis sie den Durchbruch schaffen und ein Produkt auf den Markt bringen können. Zudem hat das Fiasko um Aduhelm, das Alzheimermedikament von Biogen, der Branche einen Dämpfer verpasst.
«Novartis wird in den nächsten Jahren Umsatzrückgänge in Milliardenhöhe zu kompensieren haben.»
Das Timing stimmt. Doch Novartis ist nicht alleine auf der Pirsch. Andere Pharmafirmen wie GSK und Johnson & Johnson verfügen über das nötige Kleingeld, um die eine oder andere Akquisition zu machen. Ganz zu schweigen von Pfizer, das dank Covid-19 auf einer Erfolgswelle reitet. Niemand in der Pharmaindustrie kann so viel Geld mobilisieren wie die Amerikaner. Man darf gespannt sein, wer von den Big Animals sich in den nächsten Monaten welches Biotech-Unternehmen anlachen wird.
Klar ist: Der Druck auf Novartis, sich nach möglichen Zielen umzuschauen, wird zunehmen. Denn das Unternehmen wird in den nächsten Jahren Umsatzrückgänge in Milliardenhöhe zu kompensieren haben.
Robuste Pipeline
Aktuelle Stützen wie das MS-Medikament Gilenya, das Herzmedikament Entresto, aber auch Cosentyx, ein Medikament gegen Schuppenflechte, werden ihren Patentschutz verlieren und Konkurrenz von günstigeren Biosimilars bekommen. Novartis sitzt zwar auf einer robusten Pipeline mit zwanzig potenziellen Blockbustern. Doch das sind Wetten auf die Zukunft. Wie viele der Wirkstoffe tatsächlich zum Fliegen kommen und die erhofften Milliarden in die Kassen spülen, wird sich erst noch weisen müssen.
Bis dann braucht es vergleichsweise sichere Umsätze, um die absehbaren Umsatzrückgänge auszugleichen. Es würde deshalb nicht verwundern, wenn Dealmaker Vas Narasimhan in den nächsten Monaten nach den beiden bisherigen grösseren Akquisitionen Avexis und The Medicines Company nochmals zuschlagen würde. Wie gesagt: Am nötigen Kleingeld fehlt's nicht.