Weshalb kennt fast keiner den mächtigsten Agrarkonzern der Schweiz?

Willy Gehriger: Bis vor einigen Jahren schien es uns wichtiger, dass man unsere Verkaufskanäle wie Volg oder Landi und unsere Marken wie Ramseier kennt. Da wir aber zu den 30 grössten Unternehmen der Schweiz gehören, wollten die Medien immer mehr über uns wissen. Wir haben uns deshalb geöffnet. Unser Ziel ist es aber nicht, im Schaufenster zu stehen.

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Was ist Fenaco?

Gehriger: Fenaco gehört den Bauern. 80% der Landwirte sind Genossenschafter. Fenaco ist ursprünglich ein Geschäft mit dem Landwirt und hat sich weiterentwickelt in der Verwertung von Ernten und in den Detailhandel.

In der Schweizer Landwirtschaft spielt der Wettbewerb kaum. Auch wegen Fenaco.

Gehriger: Das stimmt absolut nicht. Der Wettbewerb ist in allen Geschäftsfeldern sehr hart.

Wirklich? Darf ich ein paar Beispiele aufzählen?

Gehriger: Klar, ich bin gespannt.

Bei den Zulieferungen an die Landwirtschaft beherrscht die Fenaco bis 80% des Düngergrosshandels, bis 60% der Pflanzenschutzmittel- und der Saatkartoffellieferungen. Fenaco ist Abnehmer von 65% der Ölsaaten, 50% der Speisekartoffeln und des Getreides. Jedes vierte Ei stammt von Fenaco.

Gehriger: Ihre Schlussfolgerung ist falsch. Das bedeutet nicht, dass kein Wettbewerb herrscht. Es zeigt nur, dass wir sehr gut und effizient sind. Wir arbeiten mit Minimalmargen. Unsere Nettomargen liegen unter 1%. Der Wettbewerb spielt sehr stark. Wir importieren einen Grossteil des Düngers. Wären andere preiswerter, würden die Landwirte den Dünger von diesen beziehen. Vor 15 Jahren gab es Dutzende von Düngerimporteuren. Diese sind nun verschwunden. Das ist doch Wettbewerb: Der Beste überlebt.

Einst herrschte Wettbewerb, aber nun beherrscht Fenaco beim Dünger vier Fünftel des Marktes.

Gehriger: Jeder Landwirt kann den Dünger anderswo beziehen.

Ein anderes Beispiel: Die Pflanzenschutzmittel muss der Bauer über Ihre Landi erwerben und kann sie nicht direkt bei Syngenta oder Bayer beziehen.

Gehriger: Sie müssen auch in die Apotheke gehen, um Medikamente zu beziehen und können sie nicht direkt bei Novartis kaufen.

Aber die Auswahl an Apotheken ist gross.

Gehriger: Wir sind nicht der einzige Kunde von Syngenta. Aber wir sind sehr gut organisiert, deshalb kommt der Landwirt zu uns. Weil wir mit tiefen Margen arbeiten, ist es für die Konkurrenz sehr schwierig.

Kurzum: Fenaco ist marktbeherrschend.

Gehriger: Was heisst marktbeherrschend, wenn Sie auf der Gegenseite im Markt von Frischkartoffeln zum Beispiel praktisch nur zwei Kunden haben? Wer beherrscht da den Markt?

Klar, auch Migros und Coop sind mächtig. Aber die Weko ist nicht umsonst gegen die Fenaco vorgegangen und hat sie wegen Preisabsprachen sanktioniert.

Gehriger: Weil wir unsere Baum- und Gartenscheren in unseren Landi-Läden zu billig anboten. Der Scherenproduzent Felco wollte das verhindern, und unsere Leute haben mit Felco einen Mindestpreis auf einem Produkt akzeptiert. Das war ein Fehler unserer Leute. Aber wir mussten praktisch keine Busse bezahlen, weil Felco den Vertrag gemacht hat.

Auch bei den Pommes frites gibt es kaum Konkurrenz. Sie produzieren die Hälfte der Frites in der Schweiz.

Gehriger: Bei Pommes frites spielt doch der Wettbewerb. Es gibt Migros, Kadi und uns. Es sind drei Betriebe, die den Markt abdecken. Es ist das Problem der kleinen Schweiz. Es gibt nur 7,5 Mio Einwohner, aber wir brauchen moderne Infrastrukturen. Dafür braucht es grosse Unternehmen. Der Wettbewerb aber ist pickelhart.

Besteht Ihre Strategie darin, billiger zu sein als Ihre Konkurrenten, und diese so auszuschalten?

Gehriger: Als Genossenschaft müssen wir keine grosse Rendite erarbeiten. Aber unsere Strategie ist auf die Zukunft ausgerichtet. Die Grenzen öffnen sich und sie besitzen nur als Grosser eine Überlebenschance. Im Pommes-frites-Bereich haben wir aber keine Chance mehr, wenn die Grenzen aufgehen. Das hat eine Studie der Universität St. Gallen gezeigt.

Wehren Sie sich deshalb gegen den Agrarfreihandel?

Gehriger: In unserem Leitbild steht, dass wir die wirtschaftliche Entwicklung der Bauern fördern wollen. Wir stehen zur Schweizer Landwirtschaftspolitik. Sie ist umwelt- und tierfreundlich. Wenn wir den Markt öffnen, haben wir die gleichen Spielregeln wie Europa.

Und was ist daran schlecht?

Gehriger: Jede Lösung hat ihren Preis. Vor sechs Wochen war ich in Maastricht. Dort produziert ein Ein-Mann-Betrieb 1,3 Mio Liter Milch. Die Kühe kommen nicht mehr ins Freie und erhalten aufgewärmte Industrieabfälle aus Brauereien. Das ist doch nicht der Traum des Schweizer Konsumenten.

Das stimmt. Aber schauen wir doch einmal die Preise bei den Kartoffeln an. In Deutschland zahlt der Konsument für 1 Kilo Backofenfrites nur ein Drittel so viel wie hierzulande, für Kartoffelkroketten die Hälfte. Die Fenaco ist mitschuldig, dass die Schweiz ein Hochpreisland ist.

Gehriger: Vielen Dank, dass Sie uns so viel Einfluss zugestehen. Das habe ich gar nicht gewusst. Wir sind nicht schuld an der Hochpreisinsel Schweiz. Die Kosten in Europa sind einfach tiefer als in der Schweiz, seien das Löhne, Miete oder die Energie. Wir besitzen in der Schweiz aber die höchste Kaufkraft.

Mit der Öffnung der Grenzen gibt es mehr Wettbewerb und die Preise werden fallen.

Gehriger: Das stimmt. Aber das hat für die Umwelt seinen Preis. Ich frage Sie: Wollen wir bei den Lebensmitteln total abhängig sein von anderen Ländern, oder wollen wir nicht auch in Zukunft die Hälfte unserer Lebensmittel selber produzieren? Bereits heute sind wir das Land, das am meisten Lebensmittel importiert. Die meisten Länder produzieren 90% ihrer Lebensmittel selber. Die Schweiz produziert nur 55% ihrer Lebensmittel selbst.

Geht der Agrarfreihandel auf Kosten von Fenaco?

Gehriger: Ich habe keine Angst für unser Unternehmen in seiner Rolle als Händler, aber ich habe Angst um unsere Landwirtschaft. Es wird immer weniger Bauern geben. Dabei sind in keinem Land in der Welt die Ausgaben für Lebensmittel, gemessen an den Gesamtausgaben des Haushalts, so tief wie in der Schweiz.

Fenaco ist auch mächtig, weil die Firma über ein gutes politisches Netzwerk verfügt. Bundesrat Ueli Maurer war früher Vizepräsident von Fenaco, Ihre Verwaltungsräte Caspar Baader und Guy Parmelin sind SVP-Nationalräte.

Gehriger: Wir arbeiten nicht auf der politischen Ebene. Geben Sie uns ein Beispiel, wo Caspar Baader, Ueli Maurer oder Guy Parmelin einen Vorstoss für die Fenaco gemacht haben.

Trotz gutem politischem Netzwerk wird der Agrarfreihandel kommen. Was bedeutet das für Fenaco?

Gehriger: In Europa erhalten Agrarkonzerne grosse Subventionen von Brüssel. Das werden wir nicht bekommen. Unklar ist, wie es mit der Lebensmittelproduktion weitergeht. Im Bereich Fleisch werden wir Chancen haben, auch im Detailhandel.

Wollen Sie die Detailhändler Volg und Landi weiter ausbauen?

Gehriger: Selbstverständlich. Aber wir reduzieren die Anzahl Landi-Läden. Dafür wollen wir grössere und modernere Geschäfte. Zurzeit haben wir 400 Landi-Filialen, in ein paar Jahren werden wir 250 Landi-Läden besitzen.

Und Volg?

Gehriger: Früher haben wir uns die Haare ausgerissen und gedacht, wir hätten keine Chance. Nun sind wir aber mit unseren kleinen Läden sehr erfolgreich. Der heutige Konsument ist nicht mehr nur einem treu, sondern er kauft bei Aldi, Migros, Coop und Volg. Früher kaufte man immer beim selben Detailhändler.

Volg hat in den letzten Jahren den Umsatz gesteigert. Ein Konkurrent von Ihnen sagte mir, Volg mache aber keinen Gewinn, sondern werde quersubventioniert.

Gehriger: Das stimmt nicht. Ausser Agrola tragen alle unsere Geschäftsfelder zum Gewinn bei, und zwar entsprechend ihrem Umsatz.

Und der Mineralölkonzern Agrola?

Gerhiger: Agrola trägt seine Kosten selbst, wirft aber keinen Gewinn in der Fenaco ab. Wir geben die volle Marge nach vorne zur Landi, die dann attraktive Preise generieren kann.

Darum ist dort das Benzin so billig. Da spielt der Markt eigentlich auch nicht.

Gehriger: Doch ist das auch eine Methode im Wettbewerb, um zu Kundschaft zu kommen.

Die Grenzen werden sich für Agrarprodukte öffnen. Wird es in zehn Jahren noch eine Fenaco geben?

Gehriger: Unsere moderne Infrastruktur wird es noch geben, aber ob der Konzern als Ganzes noch existieren wird, ist unklar.