Ende Januar näherte sich eine Fregatte der türkischen Küstenwache in unmittelbarer Nachbarschaft zu den griechischen Gewässern einer Stelle, an der gerade eine Probebohrung vorgenommen wurde. Drei Seemeilen von der Insel Thassos entfernt, im Gebiet Kallirachi, sucht Kavala Oil nach Erdöl und Erdgas. Anhand der geologischen und geophysischen Daten, die in den letzten Jahren von griechischen und ausländischen Geologen zusammengetragen und ausgewertet wurden, ist das Gebiet um Thassos herum reich an Kohlenwasserstoffvorkommen, die bisher nur zum Teil ausgebeutet wurden. Die höchste Ausbeutungsrate erreichte zwischen 1981 und 1997 das Konsortium Nord Aegean Petrol (NAPC). Aus dem Ölvorkommen Prinos wurden durchschnittlich 25000 bis 30000 Barrel Rohöl pro Tag gefördert, was damals 10 bis 15% des Inlandsbedarfs deckte, und den Staatskassen willkommene Deviseneinnahmen bescherte. Die eigene Ölförderung sicherte direkt und indirekt 2000 Arbeitsplätze.
Weniger hohe Fördermengen
Ende der 90er Jahre musste sich die NAPC aus Griechenland zurückziehen. Es gelang ihr trotz aller Versuche nicht, eine ähnlich grosse Öl- und Gasquelle zu entdecken. Die Fördermengen aus Prinos hatten sich auf 12000 bis 14000 Barrel pro Tag halbiert. Der Wunsch der NAPC, östlich von Thassos bei Stavros und Babouras Probebohrungen durchzuführen, weil geophysische Studien grosse Vorkommen versprachen, wurde von der damaligen Regierung nicht unterstützt, zumal der griechische Staat an der Landüberlassung beteiligt war und einen starken Widerstand der türkischen Nachbarn befürchtete. Aufgrund der damals niedrigen Ölpreise (unter 12 Dollar pro Barrel) konnte die NAPC keine langfristigen Investitionen zur Erforschung kleinerer griechischer Vorkommen tätigen, da diese weniger hohe Fördermengen versprachen.
Nach dem Rückzug der NAPC trat die Kavala Oil ihre Nachfolge an, an der zu 33% die Beschäftigten und zu 67% das lokale Bauunternehmen Eurotechniki S.A. beteiligt waren. Unter schwierigen finanziellen Umständen gelang es der Kavala Oil, die Produktion in Prinos fortzusetzen. Es wurden weitere kleinere Vorkommen erschlossen, aus denen seit 1998 durchschnittlich 5000 Barrel pro Tag gefördert werden. Das Vorkommen von Prinos neigt jedoch seinem Ende zu. Daher nahm die Kavala Oil weitere Probebohrungen in den ihr belassenen griechischen Gebieten vor, die auch erfolgreich waren. So wurde man im letzten Jahr zunächst im Feld E im Mittelmeer westlich von Thassos und später bei Kalirachi fündig.
Um die Vorkommen jedoch ausbeuten zu können, gilt es zunächst neue Plattformen zu bauen. Das erfordert beträchtliche Investitionen von etwa 200 Mio Dollar. Um einerseits die Finanzierung zu sichern und andererseits die Umsetzung des gesamten Erschliessungsvorhabens zu gewährleisten, hat die Kavala Oil im vergangenen November eine Kapitalerhöhung unter Einbindung der rumänisch-britischen Regal Oil vorgenommen. Die an der Londoner Börse kotierte Gesellschaft hält mit 60% die Mehrheit an der Kavala Oil. Mit dem neuen Aktionär ist der Fortgang des Förderbetriebes und das Erschliessungsvorhaben gesichert. Das Unternehmen schätzt, dass die Fördermengen in den nächsten Wochen deutlich erhöht werden. Dank einer neuen Pumptechnologie soll das Nebenvorkommen von Prinos zusätzliche 8000 Barrel pro Tag hergeben. Noch grössere Fördermengen werden aus dem Gebiet Kallirachi erwartet, und auch Prinos verspricht eine weiter erhöhte Ausbeute.
Nationales Ölförderprogramm nötig
In jedem Falle ist die Ausbeutung der Ölvorkommen um Thassos und im Norden der Ägäis nicht Sache eines einzelnen Unternehmens, sondern hätte eigentlich die Regierung und die Opposition auf höchster Ebene beschäftigen müssen. Ein nationales Ölförderprogramm wäre angebracht, damit internationale Ölfirmen herangezogen werden können, wie dies auch in allen anderen Ländern der Fall ist, die ihre Rohstoffvorkommen ausbeuten wollen. Stattdessen wurden die Erschliessungsvorhaben durch die Regierung und Versorgungsunternehmen vernachlässigt.
Nach Schätzungen erfahrener Erdölgeologen bergen die Psammit-Gesteine um Thassos im Norden der Ägäis grosse Kohlenwasserstoffvorkommen. Die nachgewiesenen Ölvorkommen bewegen sich in der Grössenordnung von 150 Mio Barrel. Eine nochmals so grosse Menge wird zusätzlich geschätzt, ist aber bisher nicht nachgewiesen. Östlich von Thassos sollen nochmals rund 900 Mio Barrel verborgen sein. Der Abbau dieser Vorkommen ist nicht möglich, wenn die Erschliessungsvorhaben nicht exakt definiert sind. Gewisse Öl- und Gasreserven befinden sich ausserhalb der griechischen Hoheitsgewässer. Sie werden nur ausgebeutet werden können, wenn die auf der Kontinentalplatte unter der Meeresoberfläche verlaufende Grenze mit der Türkei vor dem Den Haager Gerichtshof festgesetzt wird. Allein die Ausbeutung in den griechischen Gewässern könnte pro Tag 380000 Barrel ergeben. Werden die östlich von Thassos gelegenen Vorkommen eingerechnet, so kommen weitere 200000 Barrel pro Tag dazu. Für die griechische Wirtschaaft wäre dies buchstäblich ein Rettungsanker.