Die letzten Jahre waren brutal gewesen», sagt Paul Oertli, Geschäftsleiter der Oertli Werkzeuge AG im zürcherischen Höri bei Bülach. «Zum Glück ziehen jetzt die Bestellungen aus dem Ausland wieder an.»

Das Schicksal des hoch spezialisierten Werkzeugherstellers liegt im Export. Denn die Firma exportiert gut zwei Drittel ihrer Produkte ins Ausland, vor allem in EU-Länder und nach Osteuropa, dessen Märkte auch für Schweizer KMU immer wichtiger werden. Oertli stellt in der Schweiz und in Holland Hochleistungswerkzeuge für die maschinelle Holz- und Kunststoffbearbeitung her keine Massenprodukte, sondern ausgeklügelte Fräser und Werkzeugsätze, die vor allem für die Fenster- und Türenfabrikation verwendet werden. Spezialisiert auf dieses enge Marktsegment wurde dieses Zürcher KMU hart von der anhaltenden Bau- und Immobilienkrise getroffen.

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Hart getroffen von der Krise der Bauwirtschaft

Am Ende der boomenden 80er Jahre hatte das Unternehmen auf rasche Expansion gesetzt und in Höri ein grosses Werk auf die Wiese gestellt. Als die Firma 1992 in den Neubau einzog, setzte prompt die Krise der Bauwirtschaft ein. «Unsere Fabrik in Höri war viel zu gross dimensioniert», sagt Oertli. Die Firmenleitung glaubte damals, doppelt so viel Umsatz zu erzielen, als heute tatsächlich realisiert wird: «Wir sind prompt in die Investitionsfalle getrampt.» Im vergangenen Jahr setzte die Oertli Werkzeuge AG 45 Mio Fr. um und beschäftigte 350 Leute, davon 150 Personen in der Schweiz. 1990 waren in der Schweiz noch 250 Leute beim Unternehmen angestellt. «Im letzten Jahrzehnt hat ein gewaltiger Umbruch die ganze Branche geschüttelt, viele Unternehmen verschwanden von der Bildfläche», erzählt Oertli. «Ich bin froh, dass unsere Firma überlebt hat, auch wenn wir Federn lassen mussten.»

Der 53-jährige Firmenleiter wollte auch in den schwierigen Jahren so wenig wie möglich vom Engagement für Umwelt und Mitarbeiter abrücken. Oertli ist Mitglied der Vereinigung ökologisch bewusster Unternehmensführung (ÖbU) und legt grosses Gewicht auf eine flache Lohnpyramide und eine offene Kommunikation: Neben der Betriebskommission werden auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter monatlich über Geschäftsgang, Ebit und Gewinnzahlen informiert. Und was erwirtschaftet wird, soll möglichst fair verteilt werden: Der Mindestlohn der Arbeiter liegt bei 3500 Fr., die Firmenleitung hat sich seit zehn Jahren keine Lohnerhöhung geschenkt, und der Chef selber bescheidet sich auf einem Lohn im vierstelligen Bereich: «Ich will mit sozialem Anstand wirtschaften», sagt er.

Als weitere Investitionsfalle entpuppte sich die technische Revolution neuer Maschinen. Um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, hatte Oertli in neue Technologien investiert und dadurch auch Arbeitsplätze wegrationalisiert. Doch mit der Automatisierung wurden neue Produktionskapazitäten geschaffen, die vorerst als Überkapazitäten auf die Kosten drückten. So schrieb die Firma während mehrerer Jahre Verluste. Diese deckte Oertli mit Reserven aus besseren Zeiten, etwa mit dem Verkauf von Land.

Auch die Arbeiter und Angestellten mussten in den letzten Jahren ihre Opfer bringen und sich mit Lohnsenkungen von einmal 3% und einmal 3,5% abfinden. «Alle, vom Chef bis zum Hilfsarbeiter, mussten die gleiche prozentuale Lohneinbusse hinnehmen», betont Oertli.

Langer Schnauf und tiefere Löhne waren nötig

In einem Hochlohnland wie die Schweiz haben Industriebetriebe wie Oertli schwierige Rahmenbedingungen. Die vergangenen Krisenjahre haben sich besonders krass auf die Arbeiterschaft ausgewirkt. Paul Oertli rechnet aus, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten zehn Jahren eine reale Lohneinbusse von etwa 8% erlitten haben: Neueinsteiger erhielten weniger Lohn, und die einzelnen Löhne stiegen schwächer, weil die Teuerung nur teilweise ausgeglichen wurde. «Diese Entwicklung gilt für die ganze Werkzeugmaschinenbranche, denn wir bezahlen ja nach wie vor marktgerechte Löhne», betont Oertli. «Vergleichsweise sind die Löhne in der Schweiz aber immer noch höher als im benachbarten Ausland, beispielsweise in Holland mit einem um 20% tieferen Lohnniveau.»

Zum Überleben brauchte es aber auch den langen Schnauf eines Familienunternehmens. Vor 80 Jahren gegründet, ist heute mit Paul Oertli die dritte Generation am Ruder. Unter den Familienaktionären herrscht Einigkeit darüber, dass in schlechten Zeiten die Reserven der guten Jahre eingesetzt werden können.

Ausbau des Vertriebssystems ist jetzt zentral

Oertlis grösste Herausforderung liegt derzeit im Ausbau der eigenen Vertriebsorganisationen im Ausland. «Wir bieten relativ teure Spezialprodukte an, die wir selber verkaufen müssen. Das können wir nicht an Händler delegieren.» In Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Belgien, Skandinavien und Grossbritannien bestehen eigene Service- und Verkaufsstellen, zum Teil in Kooperationen mit anderen Unternehmen.

Paul Oertli will gerüstet sein, wenn endlich der Aufschwung kommt. Er erwartet zwar auch für das laufende Jahr im Betriebsergebnis noch einmal einen Verlust, sieht aber Vorboten für eine rosigere Zukunft. «Die Produktion haben wir im Griff, und die Entwicklung des Wechselkurses zum Euro hat sich endlich verbessert.» Der hohe Franken hat das Unternehmen während Jahren stark gedrückt. Mit der europäischen Währungsunion ist für schlanke Schweizer Firmen eine günstigere Situation entstanden. «Einzelne Länder wie etwa Italien konnten früher ihre Währung viel besser abwerten, um ihre Exportindustrie zu schützen.»

Oertli befürwortet ausserdem einen Beitritt zur EU - zudem sollte die Euro-Währung seiner Ansicht nach auch in der Schweiz eingeführt werden: «Dann können KMU, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, endlich mit gleich langen Spiessen antreten.»