BILANZ: Sie behaupten, in den USA seien drei Billionen Dollar an unversteuertem Offshore-Geld versteckt. Wo?

Nicholas Shaxson: Die Zahl stammt nicht von mir, sondern von Repräsentanten des Bundesstaates Florida, die sich bei US-Finanzminister Timothy Geithner über geplante strengere Steuergesetze beschwerten. Offenbar sorgen sie sich um den Finanzplatz Miami. Es mäandern ungefähr zehn Billionen von unversteuertem Offshore-Vermögen Privater um den Globus. Die USA, wie andere Länder auch, versuchen sich einen Teil davon zu sichern.

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Wie tun dies die USA?

Es gibt zwei Methoden: Man stipuliert ein fast absolutes Firmengeheimnis oder gewährt Steuererleichterung oder Steuerausnahmen auf gewissen Einkommenskategorien. Die USA spielen in diesem Wettbewerb eine aggressive Rolle. Seit 1970 besteht die Strategie, sogenanntes heisses Geld aus dem Ausland anzuziehen. Die Motivation ist die chronische Ebbe in den Staatskassen.

Das Geld verschwindet in Delaware?

Diverse Bundesstaaten bieten einen Schutzschild. Das Firmengeheimnis spielt in Delaware, Nevada oder Wyoming. Fast jeder Steuerskandal in den USA tangiert diese Bundesstaaten.

Wie funktioniert es konkret?

Man kauft in Delaware eine Firmenhülle für unter 500 Dollar. Darauf installiert man einen Offshore-Trust, dieser wiederum hält eine Firma in Nevada – klassische Firmenkonstrukte mit mehreren Ebenen. Auf jeder Ebene stösst man auf eine Mauer des Schweigens. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird zum Schutz vor dem Fiskus.

Die US-Steuerbehörde IRS schaut zu?

Die USA wollen ihr Steuersubstrat schützen, das heisst, sie wollen die Steuern ihrer Bürger und Firmen. Das halte ich für legitim. Das tut die IRS gegen innen wie gegen aussen. Gleichzeitig ist viel Hypokrisie im Spiel.

Inwiefern?

Die Amerikaner kritisieren zwar die Schweizer Banken, aber sie drücken beim unversteuerten Offshore-Geld im eigenen Hinterhof beide Augen zu – aus Eigeninteresse. Es gibt zwar Politiker wie Senator Carl Levin, die das kritisieren. Aber die Mehrheit interessiert sich nicht dafür. Levin steht einer mächtigen Lobby von der Wall Street und aus den Bundesstaaten gegenüber.

Sie glauben, Grossbritannien mit seinen Kanalinseln sei hinter den USA die zweitgrösste Steueroase der Welt. Warum greifen die USA nicht diese Oasen an?

Die City of London und die britische Politelite haben sehr viel Einfluss. Zudem gab es in Grossbritannien, im Gegensatz zur Schweiz, keine Whistleblower. Die Schweizer Banken sind in einem Prozess, der sich selber in Schwung hält: Zuerst haben ein paar Angestellte geplaudert, dann erhielt man Unterlagen, dann wurden Leute verhaftet, so kamen immer neue Informationen zusammen. Das erleichterte den USA, gegen die Schweiz vorzugehen. Zudem ist der Kleinstaat ein einfaches Ziel.

Sie meinen, bei Grossbritannien würde man sich die Zähne ausbeissen?

Definitiv. Das wäre politisch viel schwieriger, es gäbe viel mehr Widerstand der britischen Banken und der Politik. Grossbritannien hat auch eine viel stärkere Lobby in Washington als die Schweiz.

Weshalb geht man nicht gegen die Steueroase Luxemburg vor?

Wenn die USA ein paar Leute hätten, die über die Geschäftspraktiken von Luxemburger Banken auspackten, wäre das für die USA interessant. Aber die Schweiz ist nun mal das Symbol eines Steuerparadieses. Da ist die Versuchung gross, ein Exempel zu statuieren und – in Zeiten von leeren Kassen – möglichst viel Geld aus den eigenen Bürgern herauszuholen.

Was wäre eine Strategie für die Schweiz?

Viele Möglichkeiten gibt es nicht. Die USA haben offenbar Beweise, dass US-Recht verletzt wurde; dies will man unterbinden und die Schuldigen bestrafen. Dass man einen globalen Deal anstrebt, macht aus Schweizer Sicht ja durchaus Sinn. Aber die USA sind vorsichtig: Immerhin hat die Schweiz historisch einen guten Job gemacht beim Absichern der eigenen Interessen. Man verteidigt sich mit smarten Mechanismen zum Verzögern, man baute juristische Hürden ein oder handelte einen vorteilhaften Deal aus. Aber jetzt, mit den mächtigen USA, ist das etwas schwierig.

Welche neuen Steueroasen sehen Sie?

Singapur, Hongkong, aber auch Mauritius, das sich als Knotenpunkt von Asien, Afrika und Europa sieht. Es gibt diverse Staaten, die sich um das viele internationale unversteuerte Geld streiten. Sogar Botswana und Ghana haben versucht, Steueroasen aufzubauen. Aber an der Schweiz wird man trotz allem nicht so schnell vorbeikommen. Die politische Stabilität des Landes, die Reputation der Banken und die Grösse und Effizienz des Finanzzentrums sind wichtig.