Geberit, SGS, Swiss Re heissen die Sieger im BILANZ-Nachhaltigkeits-Ranking 2013. Die drei Konzerne sind die Besten ihrer Branche – und sie erreichen schweizweit die höchste Benotung: A–. Zu diesem Ergebnis kommt die Schweizer Nachhaltigkeitsrating-Agentur Inrate; sie hat bereits zum vierten Mal diese Rangliste erstellt.
Inrate-Analysten haben die 30 wichtigsten Firmen aus dem Börsenindex SMI (Swiss Market Index) und dem SLI (Swiss Leader Index) überprüft. Untersucht wurden 100 Nachhaltigkeitskriterien zu Ökologie, Sozialem, Unternehmensführung. Auch Fragen zur Corporate Governance fliessen in die Bewertung ein. Tobias Jung, Leiter Research bei Inrate: «Das Thema Corporate Governance hat an Aufmerksamkeit gewonnen.»
Das Notenspektrum im Ranking bewegt sich zwischen A+ und D- (siehe «So wird bewertet»). Dieses Nachhaltigkeits-Ranking ist das umfassendste der Schweiz.
Die drei Jahressieger sind keine Eintagsfliegen. Geberit, der Sanitärtechniker aus Rapperswil, SGS, der Warenprüfer aus Genf, und Swiss Re, der Rückversicherungskonzern aus Zürich, streben schon seit längerem höchste Standards an. Das wird auch international registriert. Swiss Re wird von der Nachhaltigkeitsboutique RobecoSAM als weltweit nachhaltigster Versicherer ausgezeichnet, zum fünften Mal in Serie. Geberit ist langjähriges Mitglied des UN Global Compact und holt internationale Produktpreise (Red Dot) ab.
Auch beim BILANZ-Ranking figuriert Geberit regelmässig auf Spitzenplätzen. CEO Albert Baehny: «Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA.» Weltweit unerreicht ist das Wassermanagement in den Testlabors der Firma. Auch die Mitarbeitenden werden ernst genommen. Letztes Jahr wurde die Geberit Integrity Line eingeführt, über die das Personal weltweit anonym auf interne Missstände aufmerksam machen kann.
Sensibilisieren und verbessern. Der Titel des Aufsteigers des Jahres gebührt allerdings dem Genfer Warenprüfer SGS. Der Chef, Chris Kirk, hat sich persönlich ins Dossier hineingekniet. Mit Catalyst legte er im vergangenen Jahr ein Programm auf, das die Mitarbeitenden zur Nachhaltigkeit anhält. Die Fortschritte werden via Sustainability Engagement Index gemessen. Integrität und Akkuranz des Personals sind die wichtigsten Wettbewerbsvorteile des Zertifizierungsunternehmens, das weltweit Handelsströme überwacht. Folgerichtig wurde ein Code of Compliance aufgesetzt, der die Fortschritte bei der Integrität des Personals misst. Es gibt einiges zu tun. Via interne Hotline gingen vergangenes Jahr 198 Klagen wegen Übertretungen ein. 91 Fälle untersuchte die Compliance-Abteilung, dabei stiess sie auf 46 Brüche mit dem Integritäts-Code, die schliesslich geahndet wurden. Zur internen Sensibilisierung löste CEO Kirk ein gigantisches Weiterbildungsprogramm aus: 2013 erhielten 71 148 Mitarbeitende im Einzelgespräch die Integritätsgrundsätze vermittelt; pro Mitarbeitenden wurden übers Jahr 28,8 Stunden, also fast vier Tage, in die Weiterbildung investiert.
Nicht nur die Mitarbeitenden profitieren von den sogenannten ESG-Standards, die für Umwelt, Soziales und Governance stehen. Längst fliessen diese weichen Faktoren in die Unternehmensbewertung und die Finanzanalyse ein. Ressourcenverbrauch oder Arbeitskonflikte gehören ebenso zum Reporting wie Ebit-Marge oder Umsatzanalyse. Denn immer mehr private und institutionelle Investoren legen Wert auf Zahlen aus dem Nachhaltigkeits-Universum. Allein in der Schweiz werden 40 Milliarden Franken gemäss ESG-Kriterien angelegt. Ausgewachsene Nachhaltigkeitsreports umfassen heute locker 60 bis 100 Seiten, auf denen Fortschritte, Rückschläge oder To-do-Listen beschrieben werden. Die Devise lautet: Nicht verheimlichen, sondern sensibilisieren und verbessern.
Starke Schweizer Versicherer. Vorbildlich ist der Winterthurer Industriekonzern Sulzer, der gemäss Inrate als Standard im Bereich Gesundheits- und Sicherheitsmanagement gilt. En détail werden Unfälle untersucht und bewertet, mit dem Ziel, die Accident Frequency Rate (AFR) zu senken. Das gelang für 2012. Die Rate sank um 21 Prozent – auf 2,9 Unfälle pro eine Million Arbeitsstunden. Doch das bringt nicht das grosse Schulterklopfen. «Wir haben zwar die Zahl der Unfälle reduziert, aber leider gab es schwerere Fälle als im Vorjahr», steht nüchtern im Bericht. Deshalb wurden gefährliche Arbeitsplätze einer Risikoanalyse unterzogen, mit dem Ziel, Gefahren zu reduzieren. Aufgelistet werden auch Betriebsunfälle, bei denen hochgiftige Substanzen im Spiel waren.
Ein Beispiel: Im Mai 2012 traten bei Sulzer Turbo Services im holländischen Lomm rund 800 Liter Schwefelsäure aus, weil ein Behälter im Lager leckschlug. Die Flüssigkeit, heisst es im Report, wurde mit Granulat aufgesaugt und das Lager, in dem der Unfall stattfand, neu organisiert. Die Botschaft: Transparenz soll sensibilisieren. Von einer sinkenden Zahl von Arbeitsausfällen profitiert am Ende das Unternehmen, das vom russischen Grossindustriellen Viktor Vekselberg dominiert wird.
Klar, Swiss Re ist in der Finanzwelt der globale Industriestandard. Eine zweite Versicherung, Zurich Insurance, liegt mit dem Rating B+ knapp dahinter. Hingegen besteht gerade bei den Banken ein beträchtliches Potenzial. So schaffen es Bank Bär, Credit Suisse oder UBS bloss auf die Note C, was Mittelmass entspricht. Die Banken haben längst ein zertifiziertes Umweltmanagement eingeführt, trennen Abfall, bauen exklusiv mit Minergie-Standards, reduzieren mittels Videokonferenzen und öV den CO2-Ausstoss.
Einen Schritt weiter geht die Credit Suisse, die 2012 mit neuer Server-Architektur zehn Gigawattstunden Strom einsparte. Doch das grosse Thema, das negativ zu Buche schlägt, ist das Finanzieren von Projekten, die nicht nachhaltig sind. Dazu gehört, dass die Zürcher Grossbank stark in Ölsand-, Nuklear- und Kohleprojekte investiert, die nicht als nachhaltig interpretiert werden. Es gibt gemäss Inrate noch einiges zu tun: «Unethische Geschäftspraktiken (Manipulation von Finanzmärkten) sowie die Finanzierung von Projekten mit negativen Umwelt- und Sozialauswirkungen» führen zu einer negativen Bewertung.
Wie es auch gehen kann, macht die Swatch Group vor, die Gewicht auf verantwortungsbewusstes Einkaufen von Rohstoffen wie Edelmetallen, Diamanten oder exotischen Ledern legt. Inrate stellt fest: «Die Diamantenlieferanten müssen das Zertifizierungssystem des Kimberley-Prozesses respektieren und anwenden.» Mit den Kimberley-Vorschriften soll der illegale Handel mit «Blutdiamanten» unterbunden werden. Positiv registriert wird auch, dass sich der Uhrenkonzern, angeführt von CEO Nick Hayek, stark für die Berufsausbildung in der Schweiz engagiert.
Doppelt belastete Syngenta. Neben den Siegern gibts Verlierer, Unternehmen, die im Ranking seit Jahren durchfallen. Zu ihnen gehört das Tiefseebohrunternehmen Transocean aus Steinhausen ZG, das es bloss auf die Note D+ bringt. Die Bewertungsagentur Inrate straft Transocean wegen des Brands auf der Plattform Deepwater Horizon ab, die im Golf von Mexiko eine Ölpest provozierte. Aber nicht nur: «Dieses Ereignis und die allgemein hohen Umweltbelastungen und -risiken, die mit der Offshore-Ölförderung im Zusammenhang stehen, führen zu einer schlechten Bewertung.»
Abgestraft wird auch der Agrochemiekonzern Syngenta. Es ist eine komplexe Berechnung: Umwelt- und Sozialberichterstattung sowie Corporate Governance der Basler Firma gelten gemäss Inrate als «gut». Negativ fallen bei Syngenta allerdings zwei Aspekte ins Gewicht: Die vom Unternehmen produzierten Pestizide für die intensive Landwirtschaft und gentechnisch verändertes Saatgut entsprechen nicht einer nachhaltigen Entwicklung. «Die Risiken der Produkte und die Kontroversen rund um Gentech führen zu einer schlechten Note.»
Schlechte Noten – gute Noten. Auch der Schnitt ist wichtig. Im Nachhaltigkeits-Ranking 2013 liegt er für die analysierten Schweizer Unternehmen bei B–. Der internationale Durchschnitt liegt bei C+. Für die Schweiz gilt also: Die Richtung stimmt.