Kurt Bader, Chef des Amts für Informatik und Organisation des Kantons Solothurn, hat eine Vision. Er will, dass alle Kantonsinformatiker sich um einen Tisch versammeln und gemeinsam die Architektur für ein umfassendes Informatikgebäude entwerfen, welches dann in gemeinsamer Arbeit gebaut wird. Wichtig ist, dass jeder Kanton seinen Beitrag zum Gesamtbau leistet und sein Geleistetes auch den anderen zur Verfügung stellt. Damit diese ihr kantonales Informatikgebilde damit ergänzen können. Simple Teamarbeit statt Eigenbrötlerei, könnte man Baders Vision das lakonisch nennen.

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Doch so völlig unspektakulär und vernünftig seine Vision klingen mag, er beisst damit auf harten Schweizer Granit. An der letztjährigen Konferenz der Kantonalen Informatikdirektoren zeigten sich viele seiner Kollegen zwar von der Idee angetan, wollten sich aber dennoch nicht so richtig engagieren. Nicht mal die Bildung einer Arbeitsgruppe konnte er den Direktoren abringen. Doch Bader ist hartnäckig und will es an der nächsten Konferenz im November 2003 erneut probieren.

Keine Kampfhandlung, sondern Kooperation

Kurt Bader um das zu erkennen, muss man kein Informatik-Experte sein ist ein Befürworter von so genannter Freier und Offener Software (Free an Open Source Software, FOOS). Von Software also, die im Quellcode verfügbar ist und lizenzfrei betrieben werden kann. Das Aushängeschild von FOO-Software ist Linux. Dessen Maskottchen, ein Pinguin, ist längst zur Galionsfigur geworden der freien Software-Community im Kampf gegen die kommerzielle Softwareindustrie mit ihrem mächtigsten Gegenspieler Microsoft.

Doch der Antarktisbewohner wird zu Unrecht eingezogen, denn FOO-Software hat wenig mit Kampfhandlungen im Sinn, sondern entsteht meist völlig unaufgeregt aus einer konkreten Problemstellung heraus. Etwa so: Ein Programmierer oder eine Gruppe von Programmierern setzen sich an den Computer und schreiben ein Programm, das dieses Problem löst. Wenn sie fertig sind, verschliessen sie den Programmcode nicht in einem Safe, sondern stellen ihn ins Internet, wo ihn andere Programmierer herunterladen und nutzen können. Die Entwickler des Programms tun dies nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern weil sie von der leisen Hoffnung getragen werden, dass irgendein Programmierer am anderen Ende der Welt den Code weiterentwickelt und diese Weiterentwicklung ins Programm zurückspeist. So wird das Programm Tag für Tag perfekter und funktional umfassender. Das ist die Idee von Free und Open Source Software. Aber klingt das nicht nach Utopie?

Kurt Bader ist alles andere als ein Utopist. Viel eher ein kühler Rechner. Auf die Idee, Linux und andere FOO-Software im Kanton Solothurn einzuführen, kam er nicht aus einem Anti-Microsoft-Reflex heraus, sondern aus wirtschaftlichem Zwang. Denn als der Kanton Sparmassnahmen einleitete, wurde auch das Informatikbudget gestrichen. 500 000 Fr. pro Jahr musste er so in den letzten drei Jahren einsparen. Bei einem Budget von 8 Mio für Investitionen und 9 Mio Fr. für den Betrieb ein happiger Einschnitt. Also entwickelte er und sein Team eine Strategie, wie die IT-Leistungen für die Kantonsverwaltung auch mit weniger Geld zu erbringen wären. Ende 2001 genehmigte die Legislative den Plan Bader. Er machte sich sofort an die Umsetzung.

Bis zum heutigen Tag sind bereits ein Viertel der total 80 Kantonsserver auf Linux umgestellt. Und 50 von den gesamthaft 2000 Arbeitsstationen arbeiten bereits mit Linux. Momentan evaluieren Bader und sein 30-köpfiges Team die sanfte Ablöse der veralteten Windows-Desktop-Rechner. Statt Windows und Microsoft Office werden die Kantonsbediensteten sich in Zukunft an Linux und Star Office gewöhnen müssen wie vor ihnen die Angestellten des Bundesgerichts in Lausanne.

Die Umstellung auf Linux und Open Source habe sich bereits jetzt gelohnt, sagt Bader. «Weil wir deutlich weniger häufig Updates auf Server aufspielen und Softwarefehler stopfen müssen, erzielen wir jährliche Einsparungen in der Grössenordnung von 300000 bis 400000 Fr.» Und dadurch haben er und sein Team endlich wieder mehr Zeit für strategische Projekte, sagt Bader.

Unter strategischen Projekten versteht der Amtsvorsteher etwa die Entwicklung von eigenen Lösungen auf Basis von FOO-Software. Zwei Applikationen sind bereits fertig entwickelt und im Einsatz: Eine für die Erhebung von Gemeindefinanzstatistiken; die andere ist eine Gesundheitsdatenbank, die beispielsweise ausserkantonale Spitalaufwendungen verrechnet.

Gerne wäre Bader bereit, diese selbstentwickelten Lösungen im Rahmen des Open-Source-Modells auch anderen Kantonen zur Verfügung zu stellen. Doch die diese seien noch nicht so weit. Aber der wirtschaftliche Druck werde auch bei ihnen für ein Umdenken sorgen, ist sich Bader gewiss.

Kantönligeist bremst die Effizienz

Bader will und kann nicht einsehen, warum jeder Kanton eine eigene Informatiklösung betreibt. Das sei weder innovativ noch effizient. Zumal die Anforderungen an die Anwendungen einer kantonalen Informatik überall in der Schweiz etwa gleich sind (klammert man die unterschiedlichen Sprachversionen aus). Kantonsapotheker, Steuerkommissäre und Polizeirichter aller Kantone haben überall ähnlich gelagerte IT-Bedürfnisse egal ob sie in Appenzell, Zug oder Bern vor ihren Pulten schuften.

Scheitert Baders Vision eines freundnachbarschaftlichen Softwareaustausches am engstirnigen Kantönligeist, wo jeder zuerst für sich selber schaut, ungeachtet der Kosten? Vielleicht ja doch nicht. Es gibt Anzeichen, die eindeutig darauf hindeuten, dass sich die bisher unnachgiebige Haltung des Informatikstrategieorgans des Bundes der immerhin obersten Lenkungsbehörde für öffentliche Informatik allmählich aufweicht (siehe Kasten).

Öffentliche Hand: Bund denkt ernsthaft über Open Source nach

Lange hat gedauert, bis der Bund sich ernsthaft mit dem Thema Free and Open Source Software (FOOS) beschäftigt hat. Vor wenigen Tagen legte das Informatikstrategieorgan des Bundes (ISB) erstmals öffentlich und breit Zeugnis über seine Aktivitäten ab. Wer irgend etwas wie einen eindeutigen Entscheid für oder gegen FOOS erwartete, wurde freilich enttäuscht. Das ISB will weiter abklären, primär mal eine Strategie entwickeln und monatelange Workshops abhalten, in welchen die Frage beantworten werden soll: Wie, wo, warum und ob überhaupt FOO-Software in der Bundesverwaltung eingesetzt werden soll? Die Frage stellt sich, ob die Arbeit des ISB überhaupt nötig ist. Denn auch ohne Segen des ISB wird FOO-Software in der Bundesverwaltung eingesetzt Tendenz stark zunehmend. Das Bundesgericht beispielsweise hat vollständig auf Linux umgestellt von den Servern bis zu den Arbeitsstationen. Das ISB kann sich der Realität nicht mehr länger verschliessen und findet nach Recherchen heraus, dass Linux «punktuell strategisch» eingesetzt wird und somit als «strategische Plattform» bezeichnet werden kann.

Die Feststellung ist erstaunlich und muss zu denken geben vor allem für das ISB. Denn bis vor kurzem hat es sich vehement gegen den Einsatz von Linux und andere FOO-Software ausgesprochen und vor den Risiken gewarnt. Die Warnungen von oben kamen unten bei den Departementsinformatikern aber offensichtlich nicht an.

Wenn das ISB jetzt auf Druck der Ämter seine Strategie ändert, dann ist das zwar verständlich, unschön ist es trotzdem. Denn sein Job wäre es eigentlich, die Bundesinformatik vorzuspuren und nicht deren Spuren zu lesen. (bs)