Der tiefe Preis reicht nicht. In der Schweiz muss das ganze Package stimmen.» Das neuste Bekenntnis von Fielmann-Chef Thomas Löhr könnte Schule machen: Die Discountbrille zieht, aber nicht ausschliesslich. Obschon die drei Ketten Fielmann, Visilab und McOptik in den letzten Jahren stark zulegen konnten, geschäften zwischen Genf und St. Gallen immer noch gut 1000 unabhängige Optiker. Eine inoffizielle Statistik des Optikerverbandes zeigt zwar, dass sich die Marktanteile 2004 weiter zu Gunsten der Ketten verschoben haben, grosso modo scheint der Kuchen zumindest vorläufig aber verteilt (siehe Grafik).

Die Frankenumsätze der Gesamtbranche sind leicht rückläufig - je nach Schätzung zwischen 1 und 3% -, während die verkauften Stückzahlen steigen. Das beweist: Brillentragende profitieren von tieferen Preisen. Die Preistreiberei, die vor allem Fielmann mit seiner Billigststrategie anheizte, scheint aber ausgereizt.

Trotzdem: Fielmann will mit der «Komplettbrille zu 47.50 Fr.» der Billigste sein. McOptik springt in Landregionen im Wesentlichen in dieselbe Lücke, die Fielmann in den Stadtzentren besetzt. Visilab behauptet mit ihrem Stundenservice die Position der Schnellsten auf dem Markt und bevorzugt Ladenlokale in Einkaufszentren. Und worauf setzen die traditionellen Optiker? Auf Qualität und Servicementalität, die Brillenträger beim Fachmann in ihrem Quartier immer noch erwarten dürfen.

*Unabhängige passen sich an*

Billig oder Qualität, das alleine reicht aber heute nicht mehr zum Erfolg - sämtliche Brillenverkäufer haben ihr Angebot differenziert: Sogar bei Fielmann gingen dreistellige Beträge häufiger über den Ladentisch als zweistellige. «Mit den Billigstangeboten bringt Fielmann nie und nimmer einen 100 Millionenumsatz zusammen», kommentiert die Branche Fielmanns «Lockvögel» heute viel gelassener als vor zwei Jahren.

Damals hätten Sozialämter brillentragende Bezüger noch ausdrücklich zur Billigkette geschickt. Heute wüssten sie, dass der traditionelle Optiker um die Ecke ebenfalls preisgünstige Sehhilfen im Angebot hat, sagt Jürg Bünzli, Inhaber der Zürcher Staubitz Optik AG. Die Unabhängigen hätten sich angepasst. Der heterogenere Markt spiele für alle, bestätigen die Befragten unisono. Die Gefahr einer Polarisierung in Discounter auf der einen und wenigen Anbietern von Luxussehhilfen auf der anderen Seite sei gebannt. Die Nischen, welche die einzelnen Anbieter kultivieren, sind sich ähnlicher, als sie wahrhaben wollen: Beim Optikerverband veranschlagt man den Durchschnittspreis der Fielmann-Brille bei 300 Fr., im traditionellen Fachgeschäft bei 350 Fr.

Fielmann-Chef Löhr wehrt sich gegen die Behauptung, der Discounter unterbiete die Preise mit schlechtem Service und ungeschultem Personal. «Allein in der Zürcher Filiale sind 16 Optikermeister beschäftigt.» Gemäss McOptik-Chef Thomas Kühni kommen Ungelernte erst gar nicht ins Haus. «Wir sparen mit billig-funktionaler Ladenausstattung und können so optimale Beratung zu tiefen Preisen bieten.»

Nach dem Run auf die Billigbrille wird der Service heute wieder von allen betont: Visilab habe kürzlich in einem Qualitätsvergleich von Tele Suisse Romande am besten abgeschnitten, berichtet Visilab-Direktor Willhalm. «Eine Brille muss mit der Persönlichkeit harmonieren.»

*«Wir haben grosse Ohren»*

Dass die Kombination von visuellem Wohlgefühl und individuellem Outfit höchste Anforderungen an die Beratung stellt, wissen traditionelle Optiker schon lange: «Wir müssen vor allem grosse Ohren haben», weiss Bünzli. Wer eine gute Beratung leisten wolle, müsse viel Feingefühl einbringen, um individuelle Lebens- und Arbeitsumstände des Kunden heraushören und ins Präzisionshandwerk einbauen zu können. Vom Image des «Doktors im weissen Kittel» werde man sich deshalb nie ganz lösen können.

Fielmann-Chef Löhr hingegen möchte, dass die ganze Branche auf Kunden hofft, «die öfters lässige Brillen aus dem Schaufenster kaufen, statt den Optiker erst aufzusuchen, wenn sie nichts mehr sehen». Hoffnungsschwanger sind die Aussichten aber auch so: Gealtertete Babyboomer sollen die Zahl der Brillenträger vervielfachen und der Intervall zwischen den Käufen sei dabei, sich zu verkürzen.

Partner-Inhalte