Bevor im «San Matteo» zum Essen geschritten wird, muss der Weg erklärt werden: Cagiallo liegt im Hinterland von Lugano. Am besten zweigt man in Taverne ostwärts in die Hügel ab und erreicht das Dörfchen über Origlio, Vaglio, Tesserete. Die Osteria versteckt sich unterhalb des Gemeindehauses im alten Dorfkern. Ein grosses «M» am alten Gemäuer weist darauf hin, dass das Ziel erreicht ist.
Drinnen im verwinkelten Haus ist es klein, familiär und gemütlich. Die Einrichtung schlicht, stilvoll, auf unaufdringliche Art rustikal. In der Schankstube steht vor einem mannsgrossen Kamin ein geräumiger Holztisch, daneben die Gaststube mit je einer roten Kamelienblüte auf den paar Tischen. Vor rund 15 Jahren hat der Architekt Fernando Cattaneo sein Vaterhaus zu einer Osteria umgebaut. Seit zwei Jahren lohnt die Adresse dank dem 28-jährigen Koch Alan Rosa einen Umweg.
Rosa, aus dem italienischsprachigen Südbünden stammend, genoss eine erstklassige Ausbildung. Sein Curriculum Vitae liest sich wie eine Gourmetbibel: Petermann. Ravet. «Schweizerhof», Bern. «Castello del Sole», Ascona. Irgendwann auf diesem schlaufenreichen Weg regte sich der Wunsch nach einem eigenen Beizli. Das Schicksal führte ihn zum richtigen Zeitpunkt mit den Cattaneos zusammen.
Nun kann der freundlich-sanfte Riese seine Passion ausleben. Rosa führt in einer zeitgemässen Weise die Südalpenküche des Tessins mit der Cucina mediterranea zusammen. Den Morgen verbringt er mit Einkaufen an den lokalen Märkten, in Lugano und im Misox. Mit Ausnahme der Sonntage ist das «San Matteo» mittags geschlossen, sodass Rosa und einer Mitköchin genug Zeit bleibt, die Cena vorzubereiten.
Rosa wechselt alle drei bis vier Wochen die Karte, hält sich strikte an die Produkte der Jahreszeiten. Himmlisch schmeckte bei unserem Besuch der offene Raviolo mit Brennnesseln, frischen Gartenerbsen, Fave und Morcheln. Und so deftig wie schmackhaft der Rücken vom Milchschweinchen mit toscanischen Bohnen und Rosmarinkartoffeln. Einzig die Spargelspitzen mit einem Entenleberschnitzel vermochten nicht ganz zu begeistern: Die Leber war etwas weich und breiig in der Konsistenz.
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Alan Rosas kleine Küche befindet sich im zweiten Stock. Um die schön, aber nicht überkandidelt angerichteten Teller rechtzeitig aufzutragen, braucht es sportives Talent. Ruth Arnold ist nicht nur damit gesegnet, sie besitzt auch genau jenes Mass an Frische, Herzlichkeit und Kontaktfreudigkeit, welche die ideale Servicefrau auszeichnen. Die gebürtige Luzernerin verdiente sich ihre Sporen unter Silvia Hunkeler im «Adler» in Nebikon ab. Dann zog sie ins Tessin, arbeitete in den besten Restaurants und lernte glänzend Italienisch. Vom Gastgewerbe hatte sie sich eigentlich schon zurückgezogen, als sie Alan Rosa kennen und lieben lernte. Seit Februar dieses Jahres spurtet sie nun im «San Matteo» treppauf, treppab.
Wer sich in der ausgezeichneten, fair kalkulierten Weinkarte mit vielen Tessiner Gewächsen, schönen Italienern und erstaunlich vielen gereiften Bordeaux verloren fühlt, überlässt sich am besten ihrer Führung. Ruth Arnold ist eine patente Sommelière. Keine Skepsis bitte, wenn sie ab und zu einen Chardonnay, Merlot oder Carminoire «San Matteo» empfiehlt: Nicoletta und Fernando Cattaneao bewirtschaften in Cagiallo auch ein kleines Weingut und erzeugen in einem eben fertig gestellten Bilderbuchkeller unaufdringliche, feine, herkunftstypische Tessiner Weine.