Der Gang der US-Firma Oxygen Biotherapeutics an die Schweizer Börse SIX ist beschlossene Sache. Dies sagt Verwaltungsratspräsident und CEO Chris Stern im Gespräch mit der «Handelszeitung». Die Aktie soll spätestens ab 15. Juli gehandelt werden. «Aus Investorensicht ist die Schweiz ein Hotspot», sagt er. Schweizer Investoren sähen Biotech zu Recht als verlängerten Arm der Pharma, so wie sie Pharma früher als verlängerten Arm der Chemie gesehen hätten. «Sie hören zu und denken längerfristig, was in dieser Branche nötig ist. Dieses intelligente Investorenpublikum hebt die Schweiz ab von allen andern Finanzmärkten der Welt.»
Stern ist amerikanisch-schweizerischer Doppelbürger, lebt aber schon lange in den USA. Dennoch hat er die Vorzüge der Schweiz - nicht nur als Finanzplatz - nicht vergessen: «Die besten Biotech-Wissenschaftler kommen aus der Schweiz», sagt er und verweist auf weitere Verbindungen der Firma zu seiner zweiten Heimat: Rund die Hälfte der Aktionäre stammen aus Europa, rund ein Drittel sogar aus der Schweiz.
Auf Werbetour in Zürich
Diese Woche ist Stern extra nach Zürich geflogen, um sein Unternehmen am Swiss Equity Biotech Day vorzustellen. Mit seinem Auftritt vor dem Fachpublikum und den vielen Gesprächen mit potenziellen Investoren verfolgt er handfeste Interessen: Er braucht frisches Geld. Oxygen ist zwar seit dem 15. Januar an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet. «Das musste einfach sein, die Nasdaq ist eine Trophäe, die man einfach haben muss», sagt Stern. Aber die USA würden zunehmend unattraktiver für den Börsenhandel, weshalb nun also die Zweitkotierung in Zürich erfolgt. Wenn der Börsengang innerhalb eines halben Jahres nach Erstkotierung erfolgt, können die Kriterien übernommen werden, was dem Unternehmen viel Mühe und Kosten spart.
Die Firma Oxygen - auf Deutsch «Sauerstoff» - wurde vor 20 Jahren unter dem Namen Synthetic Blood gegründet. Eine Art «künstliches Blut» ist denn auch das Ziel der jahrelangen Forschung, in die bisher rund 60 Mio Fr. gesteckt wurden. Der Wirkstoff Oxycyte soll -ähnlich wie Blut - im Körper Sauerstoff aufnehmen und dorthin transportieren, wo er gerade gebraucht wird. Das Hauptaugenmerk liegt auf Unfallpatienten mit einer Gehirnverletzung.
Tests laufen im Inselspital Bern
Derzeit wird der Wirkstoff getestet. Federführend ist das Inselspital Bern. In der Phase IIb werden 98 Hirntrauma-Patienten mit einer Oxycyte-Infusion behandelt. «Die ersten Patienten haben das Spital bereits verlassen, die Zwischenergebnisse sind gut», sagt Stern.
Trotzdem dürfte es - wie in der Biotechnologie unvermeidbar - weitere drei bis vier Jahre dauern, bis das Medikament auf den Markt kommt. Die Phase IIb soll im Juli 2011 abgeschlossen werden, dann folgt die Phase III, die im Idealfall parallel zu einer provisorisch bewilligten Marktzulassung durchgeführt werden kann.
Um die Durststrecke zu überwinden, hat Stern nun Kosmetika lanciert, die dem Körper mit Sauerstoff Gutes tun sollen. Bereits auf dem Markt ist die Gesichtscreme Dermacyte. Weitere Produkte sollen noch dieses Jahr folgen. Vertrieben werden sie vorerst übers Internet. Mit den Einnahmen aus diesen Kosmetika will Stern bereits im Geschäftsjahr 2010/11, das am 1. Mai 2010 beginnt, schwarze Zahlen schreiben. Oxygen Biotherapeutics zählt rund 11500 Aktionäre. Stern selber hält nach eigenen Angaben nur ein paar wenige Prozent der Aktien.
Der Branchenverband, die Swiss Biotech Association (SBA), freut sich natürlich über den neuen Börsengang. «Der Schweizer Finanzplatz hat eine grosse Ausstrahlung für einen IPO», sagt SBA-Geschäftsführer Domenico Alexakis. «Die Firmen werden für den IPO professionell begleitet und nutzen die Nähe zu den Investoren, Hochschulen und anderen Biotechfirmen.» Zudem habe die Schweiz international gesehen kürzeste Wege zwischen den Innovationszentren. Dies schaffe Vertrauen und Glaubwürdigkeit. «Da unser Land jedes Jahr Spitzenwerte in Innovationsindexen und Patentgenerierung aufweist, schaut man sich die Schweiz für High-Tech-Ansiedlungen gerne an», sagt Alexakis. Weiter verfüge die Schweiz über einen «hohen Attraktionsgrad für Talente», der dann auf dem Forschungs- und Arbeitsmarkt zu einer Stabilität der Unternehmungsentwicklung führe.